Anna Netrebko glänzte an der Staatsoper in der Rolle der Mimi in La Bohème. Künftig will die Diva seltener auftreten.
Lautstarker Beifall beendete Anna Netrebkos Auftritt in Puccinis La Bohème an der Wiener Staatsoper. Die Rückkehr der Diva hätte nicht besser verlaufen können. Endlich durfte sie wieder in einer ihrer Paraderollen glänzen. Und endlich hat sie die Geburtsstadt ihrer Opernkarriere wieder.
Sie ist nach wie vor ein Kassen-Magnet, wie sich herausstellte. Von Wirtschaftsgranden wie Raiffeisen-Boss Christian Konrad bis hin zu Spitzensportlern wie Roland Linz und Fabienne Nadarajah (sie kamen gemeinsam) – alle wollten „die Netrebko“ wiedersehen.
Dinner beim Italiener
Bereits am Wochenende traf man die
38-jährige Star-Sopranistin auf den Straßen der Wiener Innenstadt. Neben
Proben an der Oper, stand auch Kulinarisches auf ihrem Terminplan. In Aki
Nuredinis Trattoria Il Sole ließ sie sich verköstigen. Am Speiseplan stand
leichte Kost – es gab ein mediterranes Allerlei – für die gewichtige Rolle
an der Oper.
Schwester statt Schrott
Mit dabei hatte „Donna Anna“ allerdings
nicht den Kindsvater von Baby Tiago (20 Monate), Erwin Schrott (37), sondern
ihre Schwester Natasha. Sie genossen ausgedehnte Spaziergänge in der
Frühlingssonne. Schrott kommt dem Vernehmen nach erst heute nach. Er
pendelte für Engagements bis dato zwischen Budapest und München, von wo aus
er seiner Familie heute nachreisen wird.
Gut möglich, dass er sich Donnerstagabend unter die Zuhörer in die Staatsoper begibt. Denn dort tritt „La Netrebko“ nochmals als Mimì in der Bohème auf.
Charity-Vorstellung
Überhaupt steht diese Vorstellung unter
einem ganz besonderen Stern. Denn ein Teil des Erlöses geht an den Verein
Wiener Tafel. Die Russin mit österreichischem Reisepass will den Ärmsten der
Armen helfen. Für sie, als SOS-Kinderdorf-Patin, ein selbstverständliches
Engagement.
Glücklich dürfen sich jene schätzen, die Karten einen ihrer mittlerweile
selten gewordenen Auftritte ergatterten. Denn wie Netrebko in der Welt am
Sonntag verriet, will sie sich künftig mehr um Sohn Tiago kümmern: „Ich
versuche bald mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Meine Auftritte in
den nächsten Jahren werden also etwas seltener!“
(scn)
Netrebkos bejubeltes Wiener Comeback
von Karl Löbl
Anna Netrebko sang in Wien endlich die Mimí in Boheme. Die kannten wir zwar schon aus Robert Dornhelms Verfilmung der Puccini-Oper, doch auf der Bühne machen Leben, Lieben, Leiden der jungen Frau einen noch stärkeren Eindruck. Zwar sagt die Netrebko: „Das Sterben dauert immer 20 Minuten – im Kino und auf der Bühne.“ Aber der Unterschied zwischen Filmrolle und Bühnenfigur ist groß. In Dornhelms Film ist Mimí eine ansehnlich geschminkte, zielbewusst kokette, lebensfrohe Person. In der 47 Jahre alten, immer noch intakten Zeffirelli-Inszenierung der Staatsoper ist Mimí ungeschminkt, ärmlich, liebesbedürftig, kränkelnd. Das spielt die Netrebko glaubhaft, aber noch glaubhafter singt sie diese Eigenschaften. In ihrer Stimme spürt man das Mitgefühl mit dem Menschen, den sie verkörpert, und dieses Mitgefühl vermag sie auch beim Zuschauer zu erregen. Der innige, warme, seelenvolle Sopran der Netrebko ist dramatischer, ihr Körper etwas fülliger geworden. Aber sie bleibt eine unverwechselbare Bühnenpersönlichkeit. Ein ausgezeichneter Tenor-Partner (Piotr Beczala) mit effektvollen Spitzentönen und glaubhafter Aktion, ein gutes Ensemble, ein interessanter Maestro (Constantinos Carydis) und das vorzüglich reagierende Orchester machten das Wiener Rollendebut zum bejubelten Ereignis.
50 leere Sitze bei Anna Netrebko
30 leere Plätze in drei Parkettreihen rechts. Weitere 20 leere Plätze in Logen. Viele Besucher der Bohème mit Anna Netrebko fragten sich wohl, was da passiert sein mochte. Denn diese Vorstellung der Staatsoper am Ostermontag war seit Wochen total ausverkauft. An der Abendkassa stauten sich jene, die Karten suchten, gegenüber ein paar Anbietern (die freilich überhöhte Preise forderten). Auch Direktor Holender verlangte noch während der Vorstellung Aufklärung. Die war so eindeutig wie bedauerlich. Ein Wiener Verein hatte für seine Mitglieder 50 Karten bestellt. Offenbar hatte man bis zum Abend vergessen, sie auch abzuholen. Aber weil die Karten schon rechtzeitig bezahlt worden waren, konnten sie nicht weitergegeben werden. Kein Schaden für die Oper, allerdings einer für Netrebko-Fans.