Alle wollten Montag Abend Ruzowitzkys Junkie-Oper begutachten. Ioan Hollender verließ die Premiere nach zwanzig Minuten.
Eines der Opern-Highlights des Jahres ging gestern über die Bühne des
Theaters an der Wien: Oscar-Regisseur Stefan
Ruzowitzky hatte seine erste Oper, Carl Maria von Webers
Freischütz, inszeniert. Und sein bewährtester „Mitarbeiter“, der
Star aus dem Film Die Fälscher – Karl Markovics – spielte
den teuflischen Samiel.
Bilder
der Premiere
Prominentes Publikum
Das wollten natürlich alle sehen und hören:
Zur Premiere kamen u.a. der Wiener Staatsoperndirektor Ioan Holender
– der allerdings, wie beobachtet wurde, schon nach zwanzig Minuten das
Konkurrenztheater verließ. Davor hatte er sich noch angeregt mit
Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer über Ruzowitzkys
Freischütz-Inszenierung unterhalten, die recht provokant im heutigen
Junkie-Milieu angesiedelt ist. An Springers Seite wurde auch
Ex-Außenministerin Ursula Plassnik gesehen.
In der Pause diskutieren lebhaft: Kanzler Werner Faymann, Kulturministerin
Claudia Schmied, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Christine
Vranitzky, Harald Serafin und das Ehepaar Haneke.
Die
Nachkritik von Karl Löbl:
Zuerst ein Stummfilm
Stefan
Ruzowitzky erzählt darin die Vorgeschichte zum Freischütz. Wie es zum
fragwürdigen Probeschuss kam, der die Handlung der Oper bestimmt. Dann
Ouverture und drei Akte. Ruzowitzky versucht die Story vom Jägerburschen und
seiner Versagensangst ziemlich genau nachzuerzählen. Außer ein paar
modischen Details verfälscht er nichts, lässt der Romantik ihren Lauf. Die
Chorszenen sind gut arrangiert, die Solisten passabel geführt, die Längen
der Arien und Ensembles sind von der Musik des Carl Maria von Weber
vorgegeben – und an diesen Längen scheitert der Regisseur nicht selten. Da
ist die Operntotale eben doch schwieriger zu handhaben als die filmische
Nahaufnahme.
Kahle Bäume ergeben keinen Wald, keine Wärme
Was die
Aufführung stört, ist die Kälte des Bühnenbilds, des Lichts, die Rampennähe
vieler Aktionen. Eine Ansammlung kahler, unbelaubter Baumstämme ergibt noch
keinen Wald, keine Wärme.
Die hat auch die musikalische Wiedergabe nur selten. Auf der Bühne dominant Falk
Struckmann, vielleicht der beste Kaspar, den ich jemals gehört und
gesehen habe. Die ständige Präsenz von Karl Markovics als Samiel wirkt
keineswegs so teuflisch, wie sie gemeint sein mag.
Die Grobheit
des RSO trägt zur Kälte des Abends bei
Bertrand de Billy
kann seine Opernerfahrung diesmal nicht auf das RSO Wien übertragen. Dessen
Grobheit trägt zur Kälte des Abends bei.
„Der
Freischütz“, nächste Vorstellungen am 21., 23., 26., 29.
April.