Buch der Woche

Peter Handke: Die durchwachsene Rückkehr in eine verlorene Heimat

12.11.2023

DIE BALLADE DES LETZTEN GASTES: Neuer Roman des österreichischen Nobelpreisträgers


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© Jonas EKSTROMER / TT News Agency / AFP
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Werk. Peter Handkes neues Buch „Die Ballade des letzten Gastes“ handelt von einer Reise: Die Hauptfigur Gregor kehrt von weit her zurück in seine Heimat. Während der Fahrt im Bus denkt er verzückt an die Gepflogenheiten, die bei seinen Eltern herrschen und an die Eigenheiten seiner Schwester. Er sieht selbst den Banalitäten, wie dem nervenden Gequatsche seiner Mutter, freudig entgegen.

Brudertod. Doch dann, durch eine nüchterne Nachricht auf seinem Handy, erfährt Gregor vom Tod seines Bruders Hans, der bei einem Einsatz für die Fremden­legion ums Leben kam. Gleich denkt der ältere Bruder an eine Begebenheit mit dem jüngeren, als er diesen in die ­Brennnesseln fahren ließ. Als Gregor bei seiner Familie im Haus ankommt, dreht sich alles um Nichtigkeiten, denn die Regel der Familie lautet von jeher: Hier keine Fragen!
Also bleiben die Mutter und die Schwester still und unwissend, denn Gregor schafft es nicht, vom Tod des Bruders zu berichten und flüchtet …

Handke greift eigene Familiengeschichte auf

Vage. Handke hat hier einen Text verfasst, der Vergangenheit mit Gegenwart verwebt, gemeinsame Familiengeschichte immer wieder neu bearbeitet, wenn Themen damals wie heute relevant sind: Die Stille, das nicht miteinander reden können über Wesentliches. Ein Zitat aus dem Werk könnte plakativ für die Art des Handke’schen Textes stehen: „Nur keine Bilder, vor allem keine festumrissenen!“ Denn der Schriftsteller lässt so manches Detail vage, bereits ganz zu Beginn der Geschichte wird die Zeit ungenau als stiller Nachsommer- oder Vorherbsttag beschrieben.

Ebenen. Handke greift in diesem Werk einmal mehr die eigene Familiengeschichte auf. Bei seiner Nobelpreisrede in Stockholm erzählte er davon, dass sein Onkel Gregor während des Zweiten Weltkrieges beim Fronturlaub den Tod des Bruders Hans verschwieg. So verschmelzen nicht nur die Zeitebenen, sondern auch biografische Fakten mit Fiktion. Judith Leopold

 

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