Geldadel
Piëch & Porsche: Motoren & Millonen
02.10.2012
Machtkampf: Neues Buch beleuchtet die reichsten Clans des Landes.
Es war ihr allererstes Mal, und es spielte sich gleich auf einer großen Bühne ab. Jener des VW-Werks in Wolfsburg, wo kürzlich eine Betriebsversammlung über die Bühne ging. Schließlich gab es was zu feiern – die Geburt des jüngsten Babys der Großfamilie, des Golf 7. Ursula Piëchs Premiere war von sympathisch-unauffälliger Natur, schließlich wollte sie ihrem Ehemann Ferdinand Piëch ja nicht die Show stehlen. So etwas mag der 75-jährige Patriarch der Autodynastie gar nicht. So gesehen war es gut, dass alle Augen auf ihn gerichtet waren. Doch mit einem Seitenblick streiften alle wohl auch seine 56-jährige Frau, die gelernte Kindergärtnerin, die auf seinen Wunsch hin nun im Aufsichtsrat des Autokonzerns sitzt. Er verfügte testamentarisch, dass sie ihm nachfolgen soll. In spätestens fünf Jahren wird sie Aufsichtsratspräsidentin bei VW sein – und damit die mächtigste Frau im 100-köpfigen Clan.
Macht
Ferdinand Piëch
sog diese mit der Muttermilch auf. Das brachte ihm einen bösen Dauerkonflikt mit Wolfgang Porsche ein, dem 69-jährigen Aufsichtsratsvorsitzenden der Porsche AG und der Porsche Automobil Holding SE, seinem Gegenspieler in der austro-deutschen PS-Dynastie. Mittlerweile füllt der legendäre Zwist Klatschblätter wie die Wirtschaftsseiten der Fachpresse. Sogar Stefan Aust, den ehemaligen Chefredakteur des Spiegel, inspirierte der familiäre Machtkampf zwischen Piëch und Porsche – zum Buch Die Porsche Saga (Quadriga, 24,99 Euro), das er gemeinsam mit Thomas Ammann geschrieben hat. "VW war Ferdinand Piëch immer näher als seine eigene Familie“, diagnostizierte Aust im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Format. "Er ist ein genialer Techniker, ein absoluter Qualitätsfanatiker und ein äußerst erfolgreicher Manager. Man sagt ihm nach, er könne ein Auto im Dunkeln auseinandernehmen und verbessert wieder zusammenbauen.“ Klar, dass er das Sagen haben möchte. Immerhin geht es um ein Vermögen von 35,5 Milliarden Euro und den bald größten Autokonzern der Welt.
Porsche gegen Piëch
Laut Aust hat die Feindschaft zwischen den Familien, die gemeinsam die Geschicke des Unternehmens leiten, Tradition. Geht sie doch auf den legendären VW-Käfer-Konstrukteur Ferdinand Porsche zurück, von dem beide Familien abstammen. Den Anfang machte die geschwisterliche Rivalität zwischen Ferry Jr. und Louise Porsche, die einen Piëch heiratete – mehr hatte es nicht gebraucht. Fortan hieß es Porsche vs. Piëch,
denn die Herrschaften waren einander nicht grün. Dies ging so weit, dass Treffen des Clans zu einer Art Hahnenkampf ausarteten. So mündete in den Siebziger Jahren ein familiärer Fight am "Schüttgut“, dem Familiendomizil in Zell am See, in einer Gruppentherapie, weil man einander "in die Wolle geriet“, wie sich Ferdinand Piëch erinnert, der seinem Cousin Gerd Porsche zuvor seine Gattin Marlene ausgespannt hatte. Lösung: Bis heute ist kein Porsche und kein Piëch in einer operativen Funktion des Unternehmens tätig.
Eh besser, bei diesen Gräben. Während Ferdinand Piëch nach dem Tod seines Vaters in ein Internat gesteckt wurde, das er als abgehärteter Einzelkämpfer verließ, besuchten die Porsche-Kids die Wohlfühlanstalt Waldorf-Schule. "Wir diskutieren hinter dem Vorhang vieles, aber wir sind uns einig, wenn’s um wichtige Dinge geht“, erklärte Piëch (Gehalt: 945.862 Euro) dennoch in einem Stern-Interview. Und Wolfgang Porsche (578.530 Euro), der schon mal den Society-Löwen und den Veranstalter illustrer Jagdauflüge gibt, pflichtete ihm nur allzu gern bei: "Nur wenn man an einem Strang zieht, und zwar am gleichen Ende, ist man stark.“
Siamesische Zwillinge
Den Höhepunkt erlebte die Rivalität, als Porsche vor Jahren den 15-mal größeren Autokonzern Volkswagen übernehmen wollte. Doch binnen weniger Wochen drehte Piëch den Spieß um und schluckte mit dem VW-Konzern Porsche. Eine Niederlage für Wolfgang Porsche, der durch wasserdichte Konsortialverträge leider wie ein siamesischer Zwilling an Piëch gekettet ist. Sprich: Will der eine aussteigen, rückt der andere aus derselben Clique nach. Werden Aktien verkauft, müssen diese der anderen Seite zuerst angeboten werden. Eine schwierige Situation also, auch für die Erben, denn Piëch und Porsche sind ja keine Jünglinge mehr. Ersterem soll einmal sein jüngster Sohn Gregor Anton nachfolgen, der 18 ist und vom Vater schon gedrillt wird. Wolfgang Porsche indes hat seine Nachfolge-Agenden, flüstern Familieninsider, noch nicht geregelt. Die besten Chancen dürfte aber Ferdinand Oliver Porsche haben, der das erfolgreiche Label Porsche Design gründete.
Die bunten Hunde
Daneben gibt’s noch eine Vielzahl an Familienmitgliedern, die mit Autos nichts am Hut haben. Peter Daniell Porsche etwa ist Aussteiger, nämlich Waldorfpädagoge und Musiktherapeut. Er investiert ein Achtel seiner jährlichen Dividende aus dem Konzern in ein Salzburger Schulprojekt. "Es gibt mehr im Leben als Autos bauen“, sagte er einmal. Mark Philipp Porsche wiederum heiratete vor ein paar Jahren die ORF-Moderatorin Carolina Inama – die beiden haben eine Tochter. Und Iris Porsche, die vor mehr als 20 Jahren in die Familie einheiratete, führt in Mondsee ein exklusives Design- Hotel. Hier kann man schön schlafen, nachdem man mit stilvoll mit dem Porsche angereist ist. Oder aber vernünftig mit dem VW-Golf. Eine Streitfrage…