55.000 Fans im Happel
Rammstein entschärften Wien-Show
26.07.2023Rammstein-Erregung hat Wien erreicht. Am Mittwoch sorgte das erste von zwei Konzerten für Wirbel im Happel-Stadion. Lindemann entschärfte die Show, schockte aber mit Pyro-Overkill.
Rund 1.800 Demonstranten ("Rammstein ramm ihn dir selbst rein!"), 170 Polizisten und 55.000 Fans in Rammstein-Erregung. Aufgebrachte Stimmung vor und im Happel Stadion. Nach zahlreichen Vorwürfen gegen Sänger Till Lindemann – es gilt die Unschuldsvermutung – zündete die erfolgreichste und umstrittenste Band im deutschsprachigen Raum am Mittwoch das erste von zwei ausverkauften Stadien-Konzerten.
Ein 21 Song starkes Ganzkörper-Erlebnis: Der stumpfe Sound zu 20-Millionen-fach verkauften Reimen wie "Sonne" ließ bei 55.000 Fans die Magengrube beben. Die abertausenden Explosionen brannten auch im dritten Rang noch auf der Haut.
Gewohnte Aneinanderreihung an Provokationen
Vom Opener "Rammlied", zu dem Lindemann von Nebelschwaden umhüllt auf einer Schwebeplattform vom Bühnendach herabfuhr, bis zur wehmütigen, von unzähligen Feuer-Fontänen begleiteten Abschieds-Hymne "Adieu" lieferten Rammstein im Happel-Stadion umrahmt von Reichsparteitag-artigen Flaggen die gewohnte Aneinanderreihung an Provokationen: zu "Puppe" zündete Lindemann einen überdimensionalen Kinderwagen an. Bei "Mein Teil" zückte er das Fleischermesser um dann mit einem Flammenwerfer auf Keyboarder Christian Flake Lorenz, der sich in einem Wurstkessel verschanzte, loszugehen und für die Zugabe "Rammstein" schnallte er sich ein feuerspeiendes Riesenrad um.
Heiße, aber altbewährte Show-Gags, die schon 2019 und 2022 in Wien und Klagenfurt über 185.000 Fans begeisterten. Denn eigentlich ist die neue Show bloß "aufgewärmt". Alle Hits - von "Mein Herz brennt" bis "Du hast" und ein minutenlanger Pyro-Overkill zu "Sonne". Mit "Rammlied" und "Bestrafe mich" holte man zwei Klassiker nach 12 Jahre Pause zurück ins Programm. Dazu gab's die Österreich-Premiere von "Giftig" und ein Wiederhören mit "Ohne Dich." Das ersetzt ja seit Mitte Juni den Porno-Hit "Pussy". Den hat man ja nach den ersten Vorwürfen gegen Lindemann aus dem Programm gestrichen. Den dazugehörigen Ritt auf der "Penis-Kanone" ja sowieso.
Dafür ging es wieder ins Schlauchboot: nach extrem langer Pause, bei der die Fans auch Solidaritäts-Schilder ("Wir stehen zu euch") hochhielten und dem von Lichtermeer begleiteten Piano-Klängen zu "Engel", die auf einer Plattform in der Stadion-Mitte angestimmt wurden, ließ man sich damit auch von den Fans zurück zur Bühne tragen.
Berüchtigte "Row Zero" blieb geschlossen
Spannend: bei der Remix-Version von "Deutschland", wo Richard Kruspe coole Neon-Figuren antanzen ließ, verschwand Lindemann wieder minutenlang unter der Bühne. Dort soll er ja 2019 einen Porno gedreht haben. Diesmal blieb die berüchtigte "Row Zero" im Happel-Stadion allerdings geschlossen.
Dazu wurde die Show sogar etwas entschärft: Nachdem Lindemann bei den letzten Auftritten in Berlin mit neuen provokanten Text-Zeilen wie "die Sänger vögeln nicht mehr" oder "Alle haben Angst vor Lindemann" wieder voll auf Konfrontations-Kurs ging, ließ er diese Sätze bei der Wien-Premiere aus. Doch schon am Donnerstag könnten sie wieder erklingen: Knapp nach 20.30 Uhr wird das zweite Konzert gezündet.