Unser ESC-Star Vincent Bueno: 'Ein Künstler hat immer mit Ego zu kämpfen'
Am 20. Mai ist es für Vincent Bueno
soweit, und er muss in der Rotterdamer Ahoy Arena versuchen, mit seinem Song "Amen" im 2. Halbfinale ein Finalticket für Österreich beim Eurovision Song Contest ergattern. Mit der APA sprach der 35-Jährige über die spirituelle Dimension seines Liedes, den Kampf mit dem eigenen Ego und den Umstand, dass er auf Partys beim ESC gut verzichten kann.
Sie mussten nun gut ein Jahr auf Ihren ESC-Auftritt warten. Wie nervenzehrend war das Coronajahr für Sie?
Vincent Bueno: Dieses eine Jahr war so gut - auch für meine Familie. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht und konnten den ersten Stress loslassen. Und wir haben die Zeit kreativ genutzt, um zu schauen, was wirklich der beste Song für den ESC ist.
Dass es nun, anders als im Vorjahr, kein von Ihnen geschriebener Song geworden ist, ist keine Kränkung?
Bueno: Ich war sehr offen, Songs anzunehmen, wollte aber natürlich auch selbst Lieder beitragen - denn alles, was nicht für den Song Contest genommen wird, kann ich später für ein Album verwenden. Aber "Amen" ist auch eine persönliche Lektion. Es geht um das Loslassen. Und speziell als Künstler hat man ja immer so sehr mit dem Ego zu kämpfen. Und wenn man das loslassen kann, bin ich überzeugt, dass Türen aufgehen, von denen man nie geträumt hätte.
War es auch entlastend, zumindest diesen Aspekt der Kreativarbeit hinter sich zu lassen?
Bueno: Das ganze Jahr 2020 war eine Konfrontation mit dem eigenen Ego: Wo stehe ich gerade als Mensch. Und ich bin früh darauf gekommen, dass ich noch an Teilen meines Herzens arbeiten muss. Und ich bin froh, dass ich schnell erkannt habe, dass dieser Song für heuer besser passt als meine eigenen Songs. Ich fühle mich getragen.
Die fiese Frage: Welcher Ihrer beiden Songs gefällt Ihnen denn besser, "Alive" oder "Amen"?
Bueno: So fies ist die Frage gar nicht. Beide Nummern haben eine Botschaft und verschiedene Stärken. In einem Konzert gibt es ja auch nicht nur Power oder nur Balladen. Die Abwechslung zeigt vielleicht dem Publikum, dass der Junge nicht nur tanzen kann, sondern auch ein Gefühl vermitteln.
"Amen" ist selbstredend religiös konnotiert. Ist das eine bewusste Botschaft, die Sie aussenden möchten?
Bueno: Als ich den Titel das erste Mal gehört habe, war ich selbst etwas perplex. Er hat natürlich eine starke Mystik, man merkt aber auch schnell, dass das kein christlicher Song ist, sondern beinahe ein zynisches "Dann ist es eben so" am Ende einer Beziehung. Zugleich habe ich selbst gemerkt, dass ich meine spirituelle Seite da durchaus hineinlegen kann. Es gibt also viele Aspekte, nach denen man "Amen" interpretieren kann.
Nach jetzigem Stand werden Sie in Rotterdam vor einer leeren Halle performen müssen. Macht Ihnen das Bauchgrummeln?
Bueno: Ich muss ehrlich gestehen, dass mich diese großen Venues und der Medienauflauf eher introvertiert werden lassen. Ich bin eigentlich ja ein extrovertierter Mensch, aber wenn es darum geht, sich wie ein Stück Fleisch im Supermarkt zu verkaufen, ist das anders. Dieser ESC hat auch zu mir gefunden. Ich finde es super, dass es nicht so viele Partys gibt und ich mich auf meinen Song und meine Performance konzentrieren und im Hotelzimmer chillen kann. Das ist fast wie bezahlter Urlaub. (lacht)