"Le Comte Ory"

Rossinis sexuelle Revolution

17.02.2013

Triumphale Premiere der Inszenierung von Leiser und Caurier.

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© Werner Kmetitsch/PhotoWerK
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Das Glück der Virengeplagten: Nicht ganz einfach dürften die letzten Tage vor der Premiere von Gioachino Rossinis komödiantischer Oper "Le Comte Ory" im Theater an der Wien gewesen sein, gerade aus gesundheitlicher Perspektive. Dass Star-Mezzo Cecilia Bartoli schlussendlich für die beiden ersten Termine absagen musste oder sich Peter Kalman geschwächt der vokalen Herausforderung stellte, tat der Produktion dennoch qualitätsmäßig keinen Abbruch. Moshe Leisers und Patrice Cauriers oft sehr überzeichnete, aber nichtsdestoweniger pointierte Inszenierung dieser sexuellen Revolution wurde besonders dank Titelheld Lawrence Brownlee sowie Bartoli-Ersatz Pretty Yende zum vollen Erfolg, der Samstagabend lang und ausgiebig vom Publikum gefeiert wurde.

Wobei man für Yende den Zufallsgöttern danken möchte, debütierte sie doch just im Jänner mit der Rolle der Gräfin Adele an der New Yorker MET und wurde flugs drei Tage vor dem großen Abend nach Wien geholt. Angesichts dieser Umstände ist es mit Erwartungshaltungen so eine Sache, aber die junge Südafrikanerin machte gleich mit ihrem ersten großen Auftritt im ersten Akt klar, dass ein mehr als würdiger Ersatz für die berühmte Kollegin gefunden wurde. Und das Gefühl, in Wien zu reüssieren, kennt Yende ja nur zu gut, konnte sie doch 2010 alle Kategorien des Belvedere Gesangswettbewerbs für sich entscheiden. Ein lustvoller Erfolg, dem nun die Lust des Grafen Ory folgt.

Dieser darf in Rossinis 1828 uraufgeführtem Werk, das einige Passagen einer Vorgängeroper inkludiert, angesichts der Absenz der Männer und Brüder in einem französischem Örtchen sein Unwesen treiben. Leiser und Caurier hoben für die Kooperation mit dem Opernhaus Zürich die Handlung aus dem dunklen Mittelalter ins Frankreich der frühen 60er Jahre - getrieben also von strengen gesellschaftlichen Normen bei gleichzeitiger Vorahnung der sexuellen Revolution, die sich ankündigte. Ory kann somit nicht nur als Schalk vor dem Herrn, sondern gar als Botschafter einer neuen Freiheit gesehen werden, wenngleich er nur seinen eigenen Begierden Untertan ist, während die Frauen mit ihrem Keuschheitsgelübde hadern.

So schleicht er sich als alter, blinder Eremit ein, dem die jungen Mädchen der Reihe nach in seinem discohaft ausstaffierten Wohnwagen verfallen. Bevor er sein Vorhaben auch bei Gräfin Adele umsetzen kann, enttarnen ihn sein alter Erzieher (ein stetig verzweifelter, gesanglich sehr solider Kalman) und sein Page Isolier (Regula Mühlemann). Während die nun angekündigte Rückkehr der Männer als Staatsakt der Grande Nation gefeiert wird, inklusive zig auftauchender Fahnen, sieht Ory eine letzte Chance und kann sich mit seinen Gefährten als Nonnen verkleidet ins Schloss der Gräfin schleichen.

Setzt die Regie zuvor ganz auf detailreiches, französisches Flair und den spielerisch mit ganzem Körpereinsatz agierenden Brownlee, wird der zweite Aufzug zum komödiantischen Großkaliber in Monty Python-Manier. Klischees wie vor einem Gewitter zitternde Frauen oder dem Trinkgelage sich ergebende Männer werden vor allem durch Rossinis pompöse Melodieführung gebrochen, und im Zusammenspiel mit dem Arnold Schönberg Chor darf das Sängerensemble Großes vollbringen: Yende wechselt die Lagen ebenso leichtfüßig wie ihren Gestus, Brownlee ist ein vor allem in der Darstellung überzeugender Frauenheld und Mühlemann gibt Isolier burschikos und speziell zum Ende hin stimmlich überzeugend. Aber auch Pietro Spagnoli (Raimbaud) und Liliana Nikiteanu (Ragonde) dürfen im mitreißenden zweiten Akt ihr Können ausspielen.

Jean-Christophe Spinosi am Pult seines Ensemble Matheus führt indes mit Verve durch die Partitur, lässt den Sängern Spielraum und fordert sie gleichermaßen zu Duellen heraus. Ein klarer, sehr kraftvoller Rossini war schlussendlich die Belohnung, was die Premierengäste wiederum dem ganzen Team mit kräftigem Applaus, Bravo-Rufen und Standing Ovations dankten. Ein leichter, beschwingter Abend, der in seiner Kurzweiligkeit zu schnell vorbei geht - und vor allem Lust auf mehr macht. Noch am morgigen Montag darf die gestern von der ihr entgegen stoßenden Begeisterung sichtlich gerührte Pretty Yende als Adele glänzen, bevor Bartoli zu ihrer "Premiere" in "Le Comte Ory" anhebt.

"Le Comte Ory" von Gioachino Rossini im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien. Jean-Christophe Spinosi dirigiert das Orchester Ensemble Matheus. Regie: Moshe Leiser und Patrice Caurier. Mit Pretty Yende/Cecilia Bartoli (Comtesse Adele), Lawrence Brownlee (Le Comte Ory), Regula Mühlemann (Isolier), Liliana Nikiteanu (Ragonde), Peter Kalman (Le Gouverneur), u.a.. Weitere Aufführungen am 18., 20., 23., 25. und 27. Februar. Karten: 01/58885, http://www.theater-wien.at

(Von Christoph Griessner/APA)

 

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