Anna Netrebko über Musik, Karriere, ihren Lebenspartner. Im Jänner steht sie wieder auf der Bühne. Erwin Schrott will nach Spanien ziehen .
In einen Monat ist ihre Babypause vorbei. Vorab erscheint ihre neue Weihnachts-CD Souvenirs mit 20 Appetithäppchen von Kalman, Lehar bis Andrew Lloyd Webber. Netrebko versucht sich in neun verschiedenen Sprachen.
Im Interview mit der Welt zeigt sich der Opernstar erstaunlich offen, redet über Musik, Karriere, ihren Lebenspartner Erwin Schrott.
FRAGE: Frau Netrebko, auf Ihrer neuen CD „Souvenirs“ singen Sie
Volkslieder und huldigen der Operette. Der erste Titel ist aus Kálmáns
„Csárdásfürstin“ und heißt „Heia in den Bergen“. Haben Sie schon Angst vor
den Reaktionen?
Anna Netrebko: Aber nein, warum sollte
ich auch. Wenn es meine erste Solo-Veröffentlichung wäre, gut. Aber ich habe
ja bereits einige CDs aufgenommen und die waren alle sehr ernsthaft. Jetzt
hatte ich mal Lust auf etwas Leichtes. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich
aus einer kleinen Stadt in der russischen Provinz komme. Es gab bei uns nur
ein Theater, in dem auch Operetten gegeben wurden. Die Csárdásfürstin
war die erste Operette, die ich gesehen habe – das war ein Ereignis für ein
kleines Mädchen.
FRAGE: Die Operette war Ihre erste Erfahrung mit dem Musiktheater?
Netrebko:
So ist es. Die Csárdásfürstin war der Grund, warum ich
auf die Bühne wollte. Ich habe die Sängerin angehimmelt. Sie trug glamouröse
Kleider, sang so schön.
FRAGE: Und jetzt haben Sie sich auf Ihre Erinnerungen besonnen?
Netrebko:
Nein. Einzelne Stücke sind mit meinen Erinnerungen verbunden. Andere
haben einen persönlichen Wert für mich – wie die beiden russischen Lieder.
Aber insgesamt ist Souvenirs ein bunter Strauß aus Liedern und
Operettenarien, auf Russisch, Deutsch, Jiddisch, Tschechisch.
FRAGE: Sie stecken gerade in der Babypause. Wie haben Sie die
Schwangerschaft erlebt?
Netrebko: Ich war schrecklich
gerne schwanger. Ich hatte keine Übelkeit, keine Heißhungerattacken, gar
nichts. Ständig hat mich jemand gefragt, wie es mir geht, ob er etwas für
mich tun kann, was ich haben möchte. Ich habe es geliebt!
FRAGE: Hat die Geburt Sie verändert?
Netrebko: Als
Person, als Frau bestimmt: Ich bin ja jetzt Mutter. Als Sängerin – das wird
man sehen. Man sagt ja, dass die Stimme nach einer Schwangerschaft besser
wird. Ich darf also hoffen.
FRAGE: Haben Sie die Bühne vermisst?
Netrebko:
Überhaupt nicht.
FRAGE: Keine Angst, von anderen Sängerinnen überholt zu werden?
Netrebko:
Nein, nein. Allerdings muss man wissen: Ich bin überhaupt nicht neidisch
auf den Erfolg anderer. Künstler sind ja zuweilen schrecklich eifersüchtig
und missgünstig. Und dann erst Sänger und Sängerinnen – glauben Sie mir: es
ist die Hölle. Bei mir ist das etwas anders. Ich kann mich über die Leistung
anderer freuen. Ich will mich dafür nicht loben. Es ist ein Geschenk, das
mir zugefallen ist.
FRAGE: Im Sommer hätten Sie bei den Salzburger Festspielen in „Romeo
et Juliette“ auf der Bühne stehen sollen. An Ihrer Stelle feierte die
Sopranistin Nino Machaidze den Erfolg.
Netrebko: Ich kann
verstehen, wenn Leute denken, dass mich das stören könnte, aber das tut es
nicht. Ich habe hochschwanger eine der Proben besucht und das Erste, was ich
gefragt werde, von irgendeinem Mann, war: Ist es nicht schrecklich für Sie,
hier zu sein, wo Sie doch selbst auf der Bühne stehen sollten? Ich dachte:
Nein, ich bin eigentlich gerne schwanger.
FRAGE: Meinte der Unbekannte, ein Kind zu bekommen, sei ein Unglück,
das Ihnen zugestoßen ist und Sie von Ihren Aufgaben abhält?
Netrebko:
Offenbar. Erwin, mein Verlobter, sah ihn völlig entgeistert an. Ich
musste Erwin beruhigend die Schulter tätscheln.
FRAGE: Mit Erwin meinen Sie Erwin Schrott, den Vater Ihres Kindes und
selbst ein aufstrebender Bassbariton. Wie hat man sich so eine Partnerschaft
vorzustellen?
Netrebko: Wir sprechen über alles. Nicht
nur über Musik, sondern auch über Literatur, Film, Psychologie. Dinge, die
uns bewegen.
FRAGE: Das klingt sehr allgemein.
Netrebko: Das tut
mir leid. Früher habe ich einfach drauflos geredet. Seit der Schwangerschaft
habe ich manchmal den Eindruck, mein Kopf sei leer, glücklich und
wahrscheinlich noch hormonumnebelt.
FRAGE: Im Januar werden Sie Ihr Leben als Opern-Diva wieder aufnehmen,
an Londons Royal Opera House.
Netrebko: Solange mein Sohn
klein ist, wird sich in meinem Leben eigentlich nicht viel ändern. Was ich
versuchen werde, ist, die Zahl meiner Auftritte zu reduzieren. Nur fünf
statt acht Abende pro Saison. Außerdem gibt es Kindermädchen. In
Ausnahmefällen ist das o.k. Ein größeres Problem sehe ich erst, wenn unser
Sohn in die Schule muss. Dann müssen wir uns für einen Hauptwohnsitz
entscheiden.
FRAGE: Haben Sie denn im Moment keinen?
Netrebko:
Ich habe drei: Wien, St. Petersburg und New York.
FRAGE: Und wohin tendieren Sie?
Netrebko: Ich nach
Wien. Aber Erwin würde gerne in einem spanischsprachigen Land wohnen.
Foto: (c) Deutsche Grammophon