ARD-Talk
Günther Jauch liest Suizid-Brief im TV
20.10.2014
Der MDR-Chef hatte Angst vor körperlichem Verfall & Demenz.
Der Selbstmord des ehemaligen MDR-Intendanten Udo Reiter am 9. Oktober war für Freunde, Familie und Kollegen ein großer Schock, obwohl er aus seinem Wunsch zu sterben selten ein Geheimnis machte. Doch niemand hatte damit gerechnet, dass der seit seinem 23. Lebensjahr an den Rollstuhl gefesselte Reiter seine Drohung wirklich wahr machen würde.
Im ARD-Talk zum Thema Udo Reiters letzter Wille - dürfen wir selbstbestimmt sterben las Moderator Günther Jauch mit Erlaubnis der Familie auch Udo Reiters Abschiedsbrief vor, der die Gründe für den Suizid erklärt.
Abschiedsbrief
"Nach fast 50 Jahren im Rollstuhl haben meine körperlichen Kräfte in den letzten Monaten so rapide abgenommen, dass ich demnächst mit dem völligen Verlust meiner bisherigen Selbstständigkeit rechnen muss. Vor allem die Fähigkeit, aus eigener Kraft sie Toilette zu benutzen und das Bett zu erreichen und wieder zu verlassen, schwindet zunehmend. Parallel dazu beobachte ich auch ein Nachlassen meiner geistigen Fähigkeiten, das wohl kürzer oder später in einer Demenz enden wird. Ich habe mehrfach erklärt, dass ein solcher Zustand nicht meinem Bild von mir selbst entspricht und dass ich nach einem trotz Rollstuhl selbstbestimmten Leben nicht als ein von Anderen abhängiger Pflegefall enden möchte. Aus diesem Grund werde ich meinem Leben jetzt selbst ein Ende setzen. Ich habe vielen zu danken, die meinen Weg begleitet und meinem Leben Freude und Sinn gegeben haben", schrieb der 70-Jährige vor seinem Tod.
Kritik
SPD-Politiker Franz Müntefering, der zur Diskussion in Jauchs Runde eingeladen wurde, kritisiert diese Begründung als Zumutung an alle Menschen, die auf Pflege und die Hilfe andere angewiesen seien. Diese Leute hätten die gleiche Würde wie Gesunde auch. Thomas Gottschalk, ein langjähriger Wegbegleiter Udo Reiters, war auf den Selbstmord seines Freundes schon vorbereitet. "Udo hat das Thema immer etwas zu stark vor sich hergetragen. Man musste damit rechnen, dass er es wahrmachen würde", erklärte er gegenüber Günther Jauch.