Auf Netflix

Ist das noch Streaming? "Emily in Paris" als Dauerwerbesendung

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Offensichtliche Werbung gehörte von Anfang an zur Netflix-Serie "Emily in Paris". 

Die vierte Staffel, deren zweiter Teil am Donnerstag startet, treibt die Produktplatzierung allerdings auf die Spitze: Die Kooperation mit Marken bestimmt die Handlung. Geworben wird in den neuen Folgen unter anderem für die Luxuslabel Ami, Jacquemus und LVMH, den Elektronikkonzern Samsung sowie den Discounter Lidl.

Netflix kooperiert bei "Emily in Paris" auch mit dem US-Technologieunternehmen Google: Wer mit der App Google Lens den Bildschirm fotografiert, wird zu einer Website weitergeleitet, auf der die von den Darstellern getragenen Kleidungsstücke oder Accessoires verkauft werden. Die Suchanfragen schnellen in die Höhe, genauso wie die Provision für den Streamingdienst. "Diese Form der Zusammenarbeit hat eine neue Stufe erreicht", heißt es in einer Erklärung von Netflix.

Vorschriften zu Schleichwerbung

Emily Cooper, die Heldin der Serie, stammt aus den USA und zieht für ihren Job nach Paris. Dort arbeitet sie in der fiktiven Luxusmarketingagentur Savoir und entwickelt Konzepte für reale Marken. In Frankreich verbieten Vorschriften zu Schleichwerbung solche Praktiken in Fernsehproduktionen. Für die Angebote von Streamingplattformen gelten diese Regeln jedoch nicht.

"Für uns Franzosen ist diese Arbeitsweise neu, aber auf den amerikanischen Märkten ist sie üblich, wo die Marken sehr frühzeitig beteiligt werden - schon beim Schreiben des Drehbuchs", sagt Jean Dominique Bourgeois, Leiter der französischen Agentur Place to Be Media, die auf Produktplatzierungen spezialisiert ist. "Mit einem Budget zwischen 500.000 und einer Million Euro für eine Drehbuchplatzierung ist es ein gutes Geschäft für Marken, für eine Kampagne in mehreren Ländern müssten sie viel mehr ausgeben." Bourgeois' Agentur vermittelte die Partnerschaft zwischen Emily und McDonald's in der dritten Staffel sowie Kooperationen mit drei weiteren Marken in der vierten Staffel.

Minutenlange Szene für Luxus-Secondhand-Plattform

Der Anbieter für Luxus-Secondhand-Mode Vestiaire Collective bekam eine minutenlange Szene: Als Mindy, Emilys beste Freundin, pleite ist, wird ausführlich gezeigt, wie sie ihre Designergarderobe über die Plattform zu Geld machen will. Die Nachfrage, wie viel Vestiaire Collective dafür bezahlt hat, lässt das französische Unternehmen unbeantwortet. Ziel der Zusammenarbeit sei, das Angebot besonders auf dem US-Markt bekannter zu machen. Offenbar geht die Strategie auf: Die Zahl der neuen Kunden - Käufer und Verkäufer - steige, teilte Vestiaire Collective mit.

Auch Emilys Outfits, die von Staffel zu Staffel immer extravaganter werden, verkaufen sich gut: Zum Beispiel der pinke Hut von Kangol aus den ersten Folgen, der eigentlich seit Jahrzehnten out war. Oder Emilys knallgelbe Kleidung aus der zweiten Staffel.

Ausschließlich Secondhand

"Die Augen sollen einem herausfallen", sagt Kostümbildnerin Marilyn Fitoussi, die für Emilys außergewöhnlichen Stil verantwortlich ist. "Ich werde nicht von den Marken bezahlt und möchte es auch nicht", betont sie. Mangels Budget habe sie Emily in Staffel eins ausschließlich in Secondhandgewand gesteckt. Inzwischen werde sie aber immer wieder von Modefirmen angerufen, die zum Beispiel eine jüngere Kundschaft erreichen wollten, sagte Fitoussi der französischen Wirtschaftszeitung "Les Échos".

Der Erfolg von "Emily in Paris" hat dazu geführt, dass Modemagazine die Looks der Serie so genau besprechen, als handle es sich um neue Designerkollektionen. Welche Marken die Protagonisten tragen, ist meist leicht zu erkennen: So ist das Logo von Louis Vuitton auf einer Gürtelschnalle gut zu sehen oder der Hersteller von Emilys Joggingklamotten.

Product Placement

"Wenn man die Serie sieht, hat man das beunruhigende Gefühl, durch ein riesiges Einkaufszentrum zu irren", kommentiert Adam Sanchez, Journalist des Männermagazins "GQ". In der vierten Staffel werde das Product Placement "auf verrückte Art und Weise noch gesteigert". Bereits in den ersten Minuten der ersten Folge tauchten vier Marken auf. Doch die Fans der Serie störe das nicht - im Gegenteil, ist der Kultur- und Filmexperte überzeugt: "Sie interessieren sich nicht so sehr für die minimale Handlung, sondern für das, was Emily konsumiert und trägt."

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