Stil-Thesen
Joop: "Madonna hat den Stil einer Prostituierten"
19.08.2008
Der Designer Wolfgang Joop behauptet kühn, dass Merkel stilvoller als Madonna ist und stellte 14 Thesen zum Thema Stil auf.
Wolfgang Joop ist einer der ganz großen deutsche Designer und schon jahrelang im Mode-Business. Joop sieht sich jetzt in der Rolle des Modegurus und hat 14 äußerst provokante Thesen zum Thema Stil manifestiert und vergleicht unter anderem Madonna mit einer Prostituierten und spekuliert damit, dass die globale Energiekrise die Welt schöner machen wird.
Joops Thesen:
1. Stil lebt vom Widerspruch
2. Stil hat Wiederholungsverbot
Angela Merkels Dekolleté in
Oslo dieses Jahr war so ein Moment: fantastisch. Als Ausdruck von
Souveränität war dieser Mut der Kanzlerin stilprägend. Anders als Madonna
muss sich Angela Merkel nicht anbiedern oder anbieten. Ihr Auftritt war
zudem – Sie ahnen es! – voller Widersprüche. Das Dekolleté war eine
Einladung zum Blick in ihr Gesicht, das so weich und fraulich ist und in
scharfem Kontrast zu ihren klaren Augen steht – und als Kontrapunkt dazu ihr
marschierender Gang. .
Bei Madonna nervt das Strampeln dieser älteren Frau: Das hat etwas von der Verzweiflung einer Prostituierten. Und die schönste Prostituierte mag einen Stil haben, der für eine Prostituierte herausragend ist, aber keinen, der außerhalb dieser Welt gültig ist.
3. Ich darf meinen Launen nachgeben!
Manchmal illustriere ich
meine Stimmungen, manchmal heile ich sie auch, indem ich mich konträr zu
meiner Verfassung zurechtmache. Das Bild, das man von sich hat, muss
permanent überprüft werden. Karl Lagerfeld hat sein Image betoniert und hat
sich physisch komplett neu erfunden. Er ist ein Dandy-Punk.
4. Stil darf nicht mit Luxus oder Reichtum verwechselt werden!
Wenn
ich durch Berlin oder Potsdam gehe, treffe ich manchmal Punker, die seit der
Erfindung des Punks durchgehalten haben bis heute: formvollendet auf ihre
Art. Die Raffinesse, mit der sie über ihre Dekoration nachgedacht haben,
stellt viele Bürgerliche in den Schatten.
5. Vergesst die Bürgerlichkeitsmanie!
Vor Bürgerlichkeit
habe ich mittlerweile etwas Angst.
6. Stil ist bedenkenlos!
Wenn Stil nach Bedenken aussieht,
sollte man ihn sofort ablegen. Stil muss mindestens bedenkenlos aussehen
7. Zum Stil gehört Mangel
Mangel ist ein ganz, ganz großer
Stilist, nicht der Überfluss. Der Überfluss leitet dich in die übelsten
Fallen und verdirbt auch so schnell. Ich finde, dass es seltsamerweise der
Mangel ist, der stilbildend ist.
8. Für Japaner ist Stil gleich Religion!
Die japanische
Mode von Leuten wie Yohji Yamamoto und Rei Kawakubo hat uns deswegen so aus
den Schuhen gehebelt, weil sie mit ihrer Vergangenheit, die ja der deutschen
nicht unähnlich war, ganz anders umgegangen sind. Sie haben ihre Narben und
ihre Verletzungen und ihre postatomaren Traumata einfach verarbeitet und
nicht, wie wir, versucht, so ein Chi-Chi-Paris nachzubauen
9. Die Energiekrise ist hoffentlich gut für den Stil
Die
Leute werden zu Hause bleiben müssen. Wenn man weiß, dass man nicht mehr so
viel reisen kann, sollte man sich um die Verschönerung dessen kümmern, was
die eigene Stadt ist.
10. New York hat kaum noch Stil
Es gibt dort keine Sünde mehr.
Niemand braucht eine Metropole ohne Sünde.
11. Wider den Mainstream des Individualismus
Stil kommt auch aus
Bildung. Unbewusste und Naive glauben jetzt individuell zu sein, indem sie
sich den Arsch tätowieren lassen und intime Körperstellen freilegen.
12. Stil braucht Konzentration statt Disziplin
Disziplin für das
falsche Ziel bringt nichts. Konzentration ist wichtig: Wer bin ich? Was
möchte ich sein? Das heißt ja nicht, dass du das illustrieren musst, was du
bist. Du kannst mit Stilempfinden auch etwas illustrieren, was du sein
möchtest. Du kannst auch deinen Background mit Stilbewusstsein korrigieren.
Menschen, die für immer jugendlich erscheinen wollen, Männer, die sich
cremen, pflegen und immer glänzen: Vor diesen Typus ekle ich mich.
13. Heiterkeit ist Pflicht!
Souverän, heiter muss das Ganze
laufen, wie bei Angela Merkel, als sie ihr Dekolleté rausgeholt hat. Humor
ist wichtiger als Geschmack. Der gute Geschmack hat schnell etwas Spießiges.
Avantgardistisches riskiert Gelächter.
14. Stil kennt kein Manifest
Foto: (c) TZ Oesterreich Inge Prader