Migräne bei Kindern deutlich unterschätzt. Wie äußert sich der Kopfschmerz?
Einer britischen Studie zufolge bleiben einige Kinder aufgrund von Migräne
bis zu 80 Schultage pro Jahr der Schule fern. Im Schnitt verdoppelt sich für Kinder mit Migräne die Fehlzeit in der Schule gegenüber Schulkindern ohne Migräne.
Migräne bei Kindern deutlich unterschätzt
Welches Ausmaß Kopfschmerzen bei Kindern und Jugendlichen annimmt, wird heutzutage immer noch unterschätzt. Zahlen der Medizinischen Universität Wien zufolge, haben bereits 60 bis 80 Prozent der Kinder in westlichen Ländern, mindestens einmal in ihrem Leben Kopfschmerzen gehabt. Drei bis fünf Prozent aller Drei- bis Elfjährigen leiden an Migräne, Mädchen gleich oft wie Jungen. Erst in der Pubertät bis zum Alter von 18 Jahren steigt die Anzahl der betroffenen Mädchen gleichzeitig mit den hormonellen Veränderungen auf zwölf Prozent an, während es bei den Jungen sieben Prozent sind. Die gute Nachricht: Nur etwa die Hälfte dieser Kinder werden auch als Erwachsene unter Kopfschmerz-Attacken leiden.
Migräne oder normale Kopfschmerzen? So erkennen Sie den Unterschied!
Wie äußert sich der Kopfschmerz
Kopfschmerzen bei kleinen Kindern sind nicht leicht festzustellen. Sie können nicht äußern, dass sie Schmerzen haben, sondern weinen, quengeln oder sind sehr unruhig. Erst ab dem Schulalter sind Kinder in der Lage ihre Kopfschmerzen zu bezeichnen. Kopfschmerzen führten zum Teil dazu, dass Schulkinder sich plötzlich nicht mehr konzentrieren können oder Schwierigkeiten damit haben, ihre Hausaufgaben zu machen.
Teufelskreis Schulstress
Stress, Überforderungen und Prüfungsangst können zu einer Verspannung der Muskulatur im Schädelbereich und zu Schlafstörungen führen und verstärken dadurch das Auftreten von Kopfschmerzen. Treten die Kopfschmerzen sehr häufig auf, sind sehr stark und lang anhaltend, kann das wiederum zu wiederholtem Schulausfall und regelmäßiger Schmerzmitteleinnahme führen. Hinzu kommt oft mangelndes Verständnis der Lehrer und Mitschüler, die das betroffene Kind mitunter als Simulanten abstempeln, da Migräne keine nach außen hin sichtbare Erkrankung ist.
Auslöser kindlicher Kopfschmerzen
Neben Stress, Überforderung, Reizüberflutung oder seelischen Belastungssituationen und der daraus resultierenden erhöhten Spannung der Kopf- und Nackenmuskulatur können bei Kindern auch Sehfehler, Entzündungen oder Kieferfehlstellungen zu Kopfschmerzen führen. Verzögerte Mahlzeiten können ebenfalls Migräne auslösen, wenn der Blutzucker zu sehr absinkt. Kritisch sind auch unregelmäßige Schlaf-und Wachzeiten, Wetterumschwünge, Hitze, schwüle Luft oder bestimmte Nahrungsmittel (etwa Kuhmilch, Koffein, Schokolade und Farb- und Konservierungsstoffe). In manchen Fällen liegt auch eine familiäre Veranlagung vor.
Ist es Migräne?
Klagt das Kind über häufige, starke Kopfschmerzen, kann das ein deutlicher Hinweis auf Migräne sein. Oft schmerzt der ganze Kopf, nicht nur eine Seite wie bei Erwachsenen. Anders als bei Erwachsenen, sind die Anfälle deutlich kürzer, machen sich aber viel häufiger durch typische Begleitsymptome wie Übelkeit und Erbrechen sowie Licht- und Geräuschempfindlichkeit bemerkbar, auch Kreislaufstörungen und Schwindel können auftreten. Manchmal erscheinen nur die Begleitsymptome ohne den Kopfschmerz. Die Betroffenen werden durch Teilnahmslosigkeit, Antriebsschwäche, Müdigkeit oder Blässe auffällig. "Da Kinder ihre Schmerzen und Beschwerden nicht genau einordnen können, ist auch die Diagnose schwierig. Eltern sollten daher ihre Kinder genau beobachten", plädiert Prim. Univ.-Doz. Dr. Christian Lampl, Präsident der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft, Leiter der Abteilung für Neurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. Hilfreich ist das Führen eines Kopfschmerz-Kalenders und das identifizieren von auslösenden Faktoren, so genannter Trigger.
Alice-im-Wunderland Syndrom kündigt Migräne bei Kindern an
Eine Besonderheit der kindlichen Migräne ist bei vielen Kindern das Alice-im-Wunderland Syndrom. Das ist eine noch wenig erforschte besondere Form der Migräne mit Aura, die bei Kindern häufiger vorkommt als bei Erwachsenen. Dabei können vor oder während einer Migräne-Attacke durch kurze und reversible neurologische Ausfälle im Gehirn verschiedenste Störungen der Wahrnehmung, auch des eigenen Körpers auftreten, wie bereits 1865 Lewis Carroll in seinem berühmten Abenteuerbuch "Alice im Wunderland" beschrieb. Die betroffenen Kinder nehmen dabei sich selbst oder ihre Umgebung auf halluzinatorisch verfälschte Weise wahr, etwa indem sie sich selbst als riesig oder winzig empfinden. Auch veränderte akustische Wahrnehmungen, falsche Tastwahrnehmungen, Geruch-Halluzinationen oder ein verschobenes Zeitempfinden sind möglich. Manche Kinder berichten von optischen Halluzinationen und sehen phantastische Bilder, etwa bunte Farben und lustige Formen oder Lichtblitze und Flammen.
Kindgerechte Behandlung wichtig
Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze sind zum Teil bei Kindern mit Kopfschmerzen gut wirksam, etwa ein kühles feuchtes Tuch auf Stirn oder Nacken oder eine sanfte Massage mit Pfefferminzöl. Dem Kind tut es auch gut, in einen ruhigen, abgedunkelten Raum gebracht zu werden. Ein ausgeglichener Lebensstil und ausreichend Schlaf kann bei Kindern die Häufigkeit und Stärke von Kopfschmerz-Attacken reduzieren. Ganz wichtig ist es auch, die auslösenden Faktoren der Migräne zu erkennen und zu meiden.
Wie Jugendliche Kopfschmerzen vorbeugen können
Bei Jugendlichen gibt es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Kopfschmerzen und ihrem Lebensstil. Demnach leiden besonders Jugendliche, die viel Kaffee trinken und sich wenig bewegen unter Migräne. Ein Zusammenhang mit hohem Alkohol- und Zigarettenkonsum ließ sich ebenfalls beobachten. Jugendliche die an Migräne oder Spannungskopfschmerzen leiden, können daher von regelmäßiger körperlicher Aktivität und durch Vermeidung von Alkohol profitieren. Sie sollten außerdem wenig Kaffee und andere koffeinhaltige Getränke zu sich nehmen. Mit diesen Maßnahmen lässt sich möglicherweise verhindern, dass Kopfschmerzen bereits in jungen Jahren chronisch werden.
Eine andere deutsche Studie konnte nachweisen, dass auch der Lifestyle Jugendlichen zu Kopf steigen kann. Als Risikofaktoren erwiesen sich mehr als eine Stunde Musikkonsum pro Tag, mehr als eine Stunde Gameboy- und Computerspiel pro Tag sowie der Konsum von mehr als zwei Gläsern hochprozentigem Alkohol pro Woche. Keinen Einfluss auf Kopfschmerzen dagegen scheint die verbrachte Zeit vor dem Fernseher und Computer zu haben.
Schmerzen nicht bagatellisieren
"Die Erkrankung sollte unbedingt von einem Arzt abgeklärt werden. Er kann eine Therapie empfehlen, die auf das Kind zugeschnitten ist", so Lampl. Oft verordnet er ein schmerzstillendes Medikament, das den Höhepunkt der Attacke mildert. Bei sehr starken Attacken oder wenn normale Schmerzmittel nicht wirken, können moderne Migränemittel (Triptane) Jugendlichen ab zwölf Jahren verordnet werden. Eltern sollten die Schmerzen ihres Kindes nicht bagatellisieren. Denn wird eine Migräne nicht frühzeitig und wirksam behandelt, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Chronifizierung der Schmerzen, Schmerzmittel-Missbrauch und daraus resultierend schwierig zu behandelnde, durch die Medikamente ausgelöste Kopfschmerzen. Im schlimmsten Fall kann es zu Ängsten, Depression und sozialer Isolation kommen.
Mehr Infos: www.migraene-individuell.at