Cortisol erleichtert das Abspeichern von angstfreien Erinnerungen.
Stresshormone können gegen Höhenangst helfen. Betroffene, denen im Zuge einer Konfrontationstherapie auch Cortisol verabreicht wird, bekommen diese Angst besser in den Griff als solche, die nur eine Verhaltenstherapie erhalten. Dies berichtet ein internationales Wissenschafterteam in den "Proceedings" der US-Akademie der Wissenschaften.
Angststörungen
Die Forscher sind der Ansicht, dass Hormone und andere Medikamente eine gute Ergänzung zur Verhaltenstherapie zahlreicher Angststörungen sein können. Mitautor der Studie ist Professor Frank H. Wilhelm von der Abteilung Klinische Psychologie, Psychotherapie und Gesundheitspsychologie an der Universität Salzburg. In seinem Forschungslabor wurden die Versuche durchgeführt. Es sei die erste Studie, welche die klinische Effizienz von Stresshormonen bei Angstzuständen aufzeige, erläuterte der Professor im APA-Gespräch.
Mit Cortisol werden die Lernmechanismen im Gehirn modifiziert, so dass der Mensch die emotionalen Reaktionen auf früher Gelerntes weniger stark abruft. Zudem erleichtert das Stresshormon das Abspeichern von neuen, angstfreien, mit Entspannung, Kompetenz und Selbstsicherheit erfahrenen Erinnerungen während der Therapie. Schon Tierversuche hätten gezeigt, dass Cortisol dieses emotionale Umlernen begünstige, erklärte Wilhelm.
Extreme Angst
Menschen mit Höhenangst reagieren auf die Fahrt in einem gläsernen Aufzug mit Gefühlen extremer Angst und Beklemmung. Sie haben ein sogenanntes Angstgedächtnis gebildet, das aktiviert wird, sobald der angstauslösende Reiz auftritt. Bei einer Konfrontationstherapie wird versucht, dieses Angstgedächtnis zu überlagern. Die Betroffenen werden dazu in sicherer Umgebung immer wieder mit diesem angstauslösenden Reiz konfrontiert, bis eine neue Reaktion auf die vermeintliche Bedrohung möglich ist. Stresshormone wie das Cortisol beeinflussen diese Lern- und Gedächtnisprozesse.
Die Untersuchung
Die Forscher untersuchten 40 Menschen mit einer nachgewiesenen Höhenangst. Alle Probanden fuhren vor der Therapie in einem offenen Aufzug ein Gebäude hinauf - allerdings nur virtuell. In Wirklichkeit standen sie auf einer Holzplattform, die Fahrt im Aufzug wurde ihnen über einen Kopfmonitor vorgetäuscht. Innerhalb von drei therapeutischen Sitzungen konfrontierten sie die Probanden dann virtuell mit einer Reihe von angstauslösenden Situationen, wie etwa dem Überschreiten einer hohen und schmalen Brücke. Die Hälfte der Probanden bekam nun jeweils kurz vor der Konfrontationstherapie Cortisol verabreicht.
Einige Tage nach der Therapie wiederholten die Forscher die Liftfahrt. Es zeigte sich, dass die Cortisol-Probanden deutlich weniger Angst verspürten als die Kontrollprobanden. Das Nachlassen der Höhenangst zeigte sich auch in den Ergebnissen einer Befragung mit einem standardisierten Fragebogen. Es stieg auch die Hautleitfähigkeit der Probanden - ein weiteres Maß für die Angst - in den angstauslösenden Situationen weniger stark an als bei den Kontrollpersonen. Der Erfolg der medikamentös-unterstützten Verhaltenstherapie hielt an: Einen Monat nach dem ersten Experiment reagierten die Probanden immer noch gelassener auf eine neuerliche Aufzugsfahrt.