Bei Mäusen verbessert Wirkstoff Sildenafil die Immunabwehr.
Viagra gegen Melanomerkrankungen? Wissenschafter im Deutschen Krebsforschungszentrum und der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg zeigten jetzt in einem Modell an Mäusen, dass der Wirkstoff Sildenafil - besser bekannt unter dem Handelsnamen "Viagra" - die Hemmung der spezifischen Immunabwehr aufhebt. Krebskranke Mäuse, die mit dem Medikament behandelt wurden, überlebten mehr als doppelt so lange wie unbehandelte Artgenossen.
Immunreaktionen
An sich tritt das körpereigene Immunsystem fast bei jeder Krebserkrankung in Aktion - leider aber nicht unbedingt zugunsten des Patienten. "Wir unterscheiden zwei verschiedene Immunreaktionen", erklärte Viktor Umansky, Immunologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). "Auf der einen Seite greifen Zellen des Immunsystems Tumorzellen gezielt an. Auf der anderen Seite dagegen ruft fast jeder Krebsherd in seiner Umgebung eine chronische entzündliche Immunreaktion hervor, welche die gezielte krebsspezifische Immunabwehr unterdrückt", fügte er hinzu.
Bei entzündlichen Immunreaktionen wandern bestimmte Abwehrzellen in die Umgebung des Tumors und setzen charakteristische Immunbotenstoffe frei. "Unser Ziel ist es, die chronischen Entzündungen einzudämmen und damit das Immunsystem dabei zu unterstützen, den Krebs aktiv zu bekämpfen", erläuterte der Wissenschafter.
Schwarzer Hautkrebs
Die Experten untersuchten nun die chronische Entzündung, welche der schwarze Hautkrebs, das Melanom, hervorruft. Dazu arbeiteten sie mit Mäusen, die aufgrund einer genetischen Veränderung spontan Hautkrebs entwickeln, der dem Melanom des Menschen sehr ähnlich ist. In der Umgebung der Tumoren sowie in den von Metastasen befallenen Lymphknoten der Tiere wiesen die Forscher entzündliche Botenstoffe wie etwa Interleukin-1-Beta oder Interferon-Gamma nach. Die Immunbotenstoffe locken mds-Zellen ("myeloid derived suppressor cells") an. Diese Immunzellen sind dafür bekannt, dass sie die wichtigsten krebsspezifischen Akteure des Immunsystems, die T-Zellen, unterdrücken. Brachten die Wissenschafter mds-Zellen in der Kulturschale mit T-Zellen aus der Milz einer gesunden Maus in Kontakt, so stellten diese ihr Wachstum ein.
An hautkrebskranken Mäuse erprobten die Experten schließlich den Viagra-Wirkstoff Sildenafil. Diese Substanz hatte in experimentellen Tiermodellen schon mehrfach die Immunabwehr gegen Tumoren verbessert. Von den Mäusen, die den Wirkstoff mit dem Trinkwasser erhielten, lebten nach rund sieben Wochen mehr als doppelt so viele wie von ihren untherapierten Artgenossen. In den behandelten Tieren hatte sich tatsächlich sowohl die Anzahl der krebsspezifischen T-Zellen als auch deren Aktivierungsmechanismen wieder normalisiert. Sildenafil neutralisiert damit erfolgreich die chronische Entzündung in der Umgebung des Melanoms und bekämpft die immunsupprimierende Wirkung der mds-Zellen.
"Das Besondere an unserem Forschungsansatz ist, dass die Erkrankung der Mäuse klinisch sehr ähnlich verläuft wie das Melanom beim Menschen", erklärte Umansky die medizinische Relevanz seiner Ergebnisse. "Daher ist es sehr gut möglich, dass Sildenafil auch bei melanomkranken Menschen die immunsupprimierenden Effekte der Entzündung unterdrücken und so die Immunabwehr gegen den Krebs verbessern kann. So könnte das Medikament dazu beitragen, schwarzen Hautkrebs erfolgreicher zu behandeln."