Homestory 31
Ein Haus für zwei Familien
13.08.2007
Das Geschwister-Paar Schrattenecker leben jeweils mit ihren Familien gemeinsam in einem Wohnhaus – doch räumlich getrennt.
Es war für die Geschwister Bernhard und Inge Schrattenecker ein hoch gestecktes Ziel: Ein Wohnhaus für zwei Familien musste gefunden werden - zentral gelegen und noch dazu mit einem Garten für die Kinder. Der Wunsch der künftigen Bauherren war jedoch nicht ein modernes Doppelhaus in einer Neubausiedlung im Speckgürtel der Hauptstadt, sondern vielmehr der Umbau eines alten Stadthauses zu einem für alle Bewohner offenem Lebensraum mit klar getrennten Wohneinheiten. „Gemeinsam kann man einfach mehr erreichen“, meint Bernhard Schrattenecker, der sich als Architekt auch für die Planung verantwortlich zeigte. Mit einer großen Portion Glück wurde ein passendes Objekt in der Nähe des Naschmarktes im fünften Wiener Bezirk gefunden. Nach einer sechsmonatigen Planungsphase begann der eineinhalbjährige Umbau. „Als Architekt war es für mich sehr schwer für meine Familie ein Haus zu planen und zu bauen“, stellt Bernhard Schrattenecker fest. Warum? „Es ist schwer für sich selbst gestalterische Entscheidungen zu treffen.“ Nachsatz: Schließlich muss man ein Leben Lang in der eigenen Planung wohnen.
Das Traumobjekt der zwei Familien ist ein Biedermeierhaus aus dem 19. Jahrhundert. Ein Haus mit einer guten Grundsubstanz, aber auch großem Sanierungsbedarf. So mussten etwa die alten Flügeltüren und die Fenster komplett erneuert werden. Die Wohnphilosophie des Architekten: „Unser Ziel war es die alte Substanz nicht zu zerstören und trotzdem eine zeitgemäße Nutzung zu schaffen.“ Zwei 180 Quadratmeter große Wohnungen jeweils über zwei Stockwerke plus kleinere Garconnieren sind entstanden. Der großzügige Innenhof wurde zusätzlich zu den alten Bäumen neu begrünt und ist heute das verlängerte Wohnzimmer für alle Hausbewohner. „Zur Fußballsaison bauen wir sogar eine Leinwand mit Beamer auf“, erzählt der Architekt nicht ohne Stolz.
Nicht der Erhalt des Alten, sondern eine zeigemäße Adaption des Vorhanden stand beim Umbau im Vordergrund. „Die richtige Mischung aus Alt und neu“, bringt es Bernhard Schrattenecker auf den Punkt. Zur Straßenseite wurden die Fenster durch stilgetreue Kastenfenster ersetzt. Zur Innenhofseite jedoch geben große Glasflächen in moderner Optik den Ton an. „Es war uns sehr wichtig, viel Licht in die hohen Räume zu bekommen“, begründet der Architekt diese Entscheidung. Auch die alten Kassettentüren mussten erneuert werden. „Allerdings haben wir bewusst die Höhe beibehalten und die Türen daher maßanfertigen müssen.“Die eine der beiden Eigentumswohnungen erstreckt sich vom ersten in den zweiten Stock über eine moderne Treppe innerhalb der Wohnung. Die dafür notwendige Treppe wurde in den zentralen Wohnraum eingebaut, der gleichzeitig als Eingang dient. Im unteren Bereich befinden sich die sehr groß dimensionierte Küche mit Zugang auf eine Terrasse sowie die Kinderzimmer. Im oberen Geschoß sind das Arbeits- und Elternschlafzimmer. Ein besonderes Schmuckstück ist das Bad. Statt einer Wand zum Innenraum wurde bodenhohe Glastüren eingebau – viel natürliches Licht inklusive.
Neben den schweren, massiven Holzböden in allen Wohnbereichen fällt vor allem die spärliche Möbelierung auf. Die Küchen wurden von einem Tischler maßgefertigt. Zum Teil wurden Schränke selbst entworfen und generell findet sich nur ein Ausstattungsminimun in allen Wohnbereichen: Couchen, Tische, Regale und Sessel. Dieser Ausstattungsminimalismus hat seinen eigenen Reiz, weil er trotz aller Spärlichkeit für ein positives Ambiente sorgt
Die zweite Eigentümerwohnung befindet sich unter dem Dach des Hauses und fasziniert durch ihre großzügigen Flächen sowie die hübsche Dachterrasse. Auf eine Ebene wurden die Küche, der Ess- und Arbeitsbereich sowie das Wohnzimmer geplant.
Freilich: Der loftartige Charakter dieses Geschosses wird durch schmale Wände und planungsbedingte Säulen geschickt kaschiert und erzeugen gemütliche Ecken und Winkel. Auf einer zweiten Ebene befinden sich dann die Schlafräume und das Badezimmer. Auch wenn die beiden Wohnungen der Eigentümer in sich geschlossene Einheiten bilden, so wird das Haus dem geforderten Anspruch eines Familienhauses nicht nur durch schöne Worte gerecht. Die vorhanden Eingangstüren eines jeden Stockwerkes im Treppenhaus wurde nicht zugemauert und so gibt es für jede Wohnung mehr als nur einen Eingang. Überhaupt ist das Treppenhaus kein reiner Funktionsraum, sondern die belebte Verkehrsader aller Familienmitglieder.
Bernhard Schrattenecker über das Familienhaus: „Bei uns regt sich niemand auf, wenn Schuhe vor der Haustüre liegen“, sagt Bernhard Schrattenecker. Kein Wunder. In diesem Haus fängt schließlich der Wohnbereich nicht nach der Wohnungstür, sondern gleich nach der Haupteingangstür bei der Straße an. „Ein Altbau bietet keinen Platz für Spielereien“, sagt der Architekt zum Abschluss. „Die Kunst besteht darin, aus dem Gegebenen und seinen eigenen Vorstellungen eine optimale Verbindung zu schaffen ohne die Substanz zu vergewaltigen.“ Eine Herausforderung, die bei diesem Umbau beinahe perfekt gemeistert wurde.