Jede Pflanze hat einen eigenen Biorhythmus, der von Genen gesteuert wird.
Zeit zum Essen? Die Bauern mussten früher nur einen Blick auf das Feld werfen: Wenn der Wiesenbocksbart seine Blüten schloss, war es zwölf Uhr mittags. Für die krautige Pflanze ist der Tag vorbei, wenn die Sonne im Zenit steht. Die Landbevölkerung richtete früher ihren Tagesablauf nach dem Biorhythmus der Pflanzen aus.
Seerose
Blumenuhr
Im 18. Jahrhundert erkannte der schwedische Botaniker Carl von Linné, dass jede Blüte einen festen Tagesablauf hat, sich also nach dem Stand der Sonne richtet. Auf Basis dieser Naturbeobachtung entwickelte er eine Blumenuhr. Im botanischen Garten von Uppsala ließ er ein Beet in Form eines Ziffernblatts mit zwölf Unterteilungen für die jeweiligen Blühzeiten der Pflanzen anlegen – mit der Sonnenblume im Zentrum. Er war nicht der Erste, der versuchte, Pflanzen zur Zeitanzeige zu nutzen. Im Jahr 1641 schuf der Gelehrte Athanasius Kircher eine Sonnenblumenuhr, nachdem er bemerkt hatte, dass die Blume der Sonne folgte. Doch Linné ging weiter. Er beobachtete über mehrere Jahre hinweg, dass bestimmte Pflanzen ihre Blüten ständig zu bestimmten Tageszeiten öffneten und schlossen, wobei diese Zeiten von Art zu Art unterschiedlich waren. Daraus ließ sich die ungefähre Tageszeit ableiten, zu der die Arten ihre Blüten geöffnet oder geschlossen hatten. In der Reihenfolge der Blüte über den Tag verteilt bildeten sie eine Art Blumenuhr oder Horologium florae.
- Wegwarte um 5 Uhr
- Seerose um 7 Uhr
- Mittagsblume um 12 Uhr
- Federnelke um 13 Uhr
- Ringelblume um 14 Uhr
- Wunderblume um 16 Uhr
- Graslilie um 16 Uhr
- Isländischer Mohn um 18 Uhr
- Nachtkerze um 20 Uhr
- Sumpfdotterblume um 21 Uhr
Ringelblume
Blütezeiten
Schon um drei Uhr morgens erwacht der Wiesenbocksbart, um vier Uhr öffnet das Habichtskraut seine Blüten und eine Stunde später die Wegwarte. Zu den Frühaufblühern gehören auch Mohn und Seerose. Erst um zwölf Uhr mittags erwacht die Mittagsblume, während die Federnelke eine Stunde später ihre Blüten wieder schließt. Um 16 Uhr wird die Wunderblume wach, die bis zum nächsten Morgen blüht. Die Nachtkerze öffnet ihre duftenden Blüten erst um 20 Uhr.
Sumpfdotterblume
Biorhythmus
Heute wissen wir, dass Pflanzen eine innere Uhr besitzen. Der Blütezeitpunkt wird von zwei Genen gesteuert und ist an den Wechsel von Tag und Nacht und damit die Sonne als Taktgeber gebunden. Künstliche Beleuchtung kann diesen 24-Stunden-Rhythmus nicht verändern, wie Forschungen gezeigt haben. Die unterschiedlichen Blütezeiten sind keine Laune der Natur, sondern machen Sinn: Sie bieten Insekten ausreichend Nektar und gewährleisten eine Bestäubung rund um die Uhr. Die Blumenuhr ist von der jeweiligen Klimazone und Jahreszeit abhängig und berücksichtigt auch nicht die Sommerzeit. Auf die Minute genau geht sie daher nicht, den Rhythmus der Pflanzen zu beobachten, ist aber trotzdem interessant. Für die Anlage einer Blumenuhr im Garten kann Linnés Vorlage hilfreich sein.