Agent Provokateur
'Leute können billig sein, Kleider nicht!'
19.11.2010König Karl Lagerfeld im Talk über Mode, Erziehung und schlampige Intellektuelle.
Er ist das, was man unumwunden ein Genie nennt. Karl Lagerfeld, 77 Jahre alt und von Pensionistenlethargie so weit entfernt wie seine mollige Muse Beth Ditto von der Figur eines Topmodels. Genau dieser zollte er bei der Verleihung des TV-Preises Bambi in Deutschland mit einer seiner bekannt launigen Reden Tribut. Als „strammen Brummer“ bezeichnete der Modezar die Gossip-Sängerin und gratulierte ihr zu Authentizität und Frechheit. Denn auch 'König Karl' ist ein Freund der deutlichen Aussprache und nimmt, wenn es um Stilfragen geht, kein Blatt vor den Mund.
Lästermaul
Zu Heidi Klum fällt ihm nur ein, dass ihm nichts zu ihr einfällt („Ich kenne die Frau überhaupt nicht.“) und Ehemann Seal ließ er ausrichten: „Ich bin kein Dermatologe, aber seine Haut möchte ich auch nicht haben.“ Im aktuellen ZEITmagazin lästert der Design-Guru nun über das Outfit des deutschen Literaturnobelpreisträgers Günter Grass: „Er sollte sich mal Schlips und Kragen zulegen, er würde jünger wirken“ und lässt auch sonst kein gutes Haar an den Intellektuellen der Nation, die er schlichtweg als „Schlampen“ bezeichnet.
Bereits 1976 trugen Sie den Look mit dem hohen Hemdkragen. Wie kamen Sie dazu? Karl Lagerfeld: Das habe ich von meinem Patenonkel abgeschaut. Eine beeindruckende Erscheinung, er wurde 103 Jahre alt. Ich war als Kind einmal mit ihm in Münster spazieren. Dann kamen wir an der Freiligrath-Straße vorbei. Ich fragte ihn, wer denn Freiligrath gewesen sei. Da gab er mir eine Ohrfeige. Später sagte er zu meiner Mutter: „Dein Sohn ist ein Dummkopf, er weiß nicht, wer Freiligrath war.“ Da war ich zehn Jahre alt...
...und sollten einen Lyriker des 19. Jahrhunderts kennen? Klingt nicht danach, als habe man in Ihrer Jugend besondere Rücksicht auf kindliche Belange genommen.
Und das sagen Sie in Zeiten, in denen Eltern dazu animiert werden, möglichst viel gemeinsam mit ihren Kindern auf dem Spielplatz zu toben!
Ihre Mutter hat nie eine Ihrer Modeschauen gesehen – was würde Sie dazu sagen, was heute aus Ihnen geworden ist?
Was soll denn noch kommen?
Was wollen Sie sich denn modisch noch beweisen?
Zurzeit sind Sie omnipräsent: Sie haben eine Cola-Flasche gestaltet, Sie illustrieren Novellen, machen eine Kollektion für die Marke Hogan, arbeiten mit Swarovski zusammen – wird das nicht ein bisschen viel?
Und ab 2011 möchten Sie eine preiswerte Modekollektion online verkaufen…
Welche Freiheit hat Ihnen die Mode gegeben, die Sie in der Kunst nicht gehabt hätten?
Sind die Deutschen in den vergangen 40 Jahren modischer geworden?
Mancher würde Ihnen Oberflächlichkeit anlasten. |