Lacoste-Designer:
,Mode mag ich nicht!‘
31.08.2009Austro - Supermodel Cordula Reyer traf den Kreativ - Kopf von Lacoste, Christophe Lemaire, zum Talk über seine Arbeit, cooles Image und schlechte Shops.
(c) www.fashionpps.atVor 75 Jahren war Lacoste das erste Unternehmen, dessen Label nicht in, sondern auf einem Kleidungsstück prangte. Heute spiegelt der Werbeslogan „Un peu d’air sur terre“ gut den frischen Wind wieder, der durch das französische Traditionshaus weht. Denn man verpflichtete mit Richard Gasquet und Andy Roddick erstmalig wirklich imageträchtige Tennisspieler als Werbemodels, danach wagte man sich mit Kollektionen auf den Laufsteg, und auf einmal tragen auch Ikonen wie Prince oder Amy Winehouse das berühmte Krokodil zur Schau. Der Chefdesigner und Vater der Rundumerneuerung, Christophe Lemaire, hat soeben mit „Lemaire“ seine eigene Linie herausgebracht.
Have fun: Cordula Reyer und Lacoste-Designer Christophe Lemaire beim Interview. Das in L.A. lebende Top-Model Cordula Reyer interviewt für uns Persönlichkeiten. (c) privatChristophe, du arbeitest seit sieben Jahren als Chefdesigner für die französische Kult-Marke. Jetzt hast du dein eigenes Label gegründet. Hat dich deine Arbeit bei Lacoste dazu inspiriert, oder fühltest du dich dort zu eingeschränkt?
Christophe Lemaire: Ich bin sehr froh, für Lacoste zu arbeiten, auch wenn es am Anfang oft nicht leicht war. Mittlerweile hat sich aber ein Team gebildet und ich fühle mich sehr gut hier. Trotzdem ist die Arbeit dort natürlich niemals so stimulierend, wie wenn du deine eigene Sache machst.
Warum ist das so?
Lemaire: Ganz einfach weil bei einer eigenen Linie die Herausforderung größer ist. Natürlich will sich jeder selbst definieren. Ich will herausfinden, was meine Identität als Stylist ist und da muss man sich neue Grenzen setzen. Irgendwie ist es natürlich auch einfacher, für Lacoste zu designen. Da gibt es ein vorgegebenes Vokabular, eine definierte Sprache.
Also doch eine Art Rahmen, den man nicht sprengen darf?
Lemaire: Ja. So ein Rahmen macht die Arbeit aber auch leichter und bequemer. Für Lemaire musste ich meine eigene Sprache erfinden. Ich dachte mir: jetzt bist du 43 und noch immer nicht vollständig definiert.
Was war die größte Neuerung, die du bei Lacoste eingeführt hast?
Lemaire: Ich hab den Leuten dort von Anfang an versucht zu sagen, dass es sehr wohl möglich ist, eine traditionelle Marke zu sein, Mainstream zu sein und trotzdem „cool“ rüberzukommen. Wir haben dann begonnen, Fashion-Shows zu machen und eine vollkommen neue Werbelinie mit Fotografen wie Terry Richardson und Tom Munroe gestartet.
Dadurch hat Lacoste als Marke ein viel cooleres Image gewonnen. Das muss doch sehr befriedigend für dich sein ...
Lemaire: So zufrieden bin ich da gar nicht. Es besteht immer noch eine ziemliche Diskrepanz zwischen dem, was wir bei den Fashion Shows zeigen und was unsere Werbekampagne vermittelt einerseits, und was die Geschäfte bieten und wie sie gestylt sind, andererseits. Nach meiner Auffassung besteht da eine gefährliche Disharmonie.
Wieso gefährlich?
Lemaire: Weil die beste Publicity für eine Marke immer der Shop ist. Und wenn der nicht hält, was die Werbung verspricht, dann stimmt etwas nicht. Jeder Designer, jede Marke, braucht ein Konzept.
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Aber kann man die Kleider nicht für sich selbst sprechen lassen? Ich mag diese
Lacoste-Shops mit ihren nach Farb-Schattierungen geordneten Polos.
Lemaire: Ich glaube nicht, dass man die Kleider für sich selbst sprechen lassen kann. Natürlich kann man sich als Designer, als Label, für „low profile“ entscheiden. Dann darf man aber auch keine so aufwendigen Fashion-Shows und sensationellen Werbekampagnen machen. Ich selbst gehe nicht so gerne in eine Lacoste-Boutique.
Als Teenager trug ich ständig Lacoste. Bist du auch mit dem Krokodil aufgewachsen?
Lemaire: Väterlicherseits komme ich aus der klassischen, französischen Bourgeoisie. Mein Vater ist ein leidenschaftlicher Golfspieler. Also ja: Ich bin in so einem typisch französischen, sportlich-bourgeoisen Umfeld aufgewachsen.
Und du trugst Polos von Lacoste und Fred Perry?
Lemaire: Von Fred Perry nicht. Das war zu britisch und zu „punky“. Dafür habe ich mich erst später interessiert. Beim Tennisspielen trugen wir Lacoste, Fila oder Elesse. Dabei galt Elesse als besonders cool.
Du bist auch ein erfolgreicher DJ. War es die Musik, die dich aus diesem Milieu herausgeholt hat?
Lemaire: So stark war ich gar nicht drin, in diesem Milieu. Meine Familie mütterlicherseits war ganz anders. Das waren alles Künstler und Bohemiens. Aber natürlich haben Musiker einen instinktiven Zugang zu Stil, und damit drücken sie sehr viel Kraft aus. Ich habe auch schon mit zwei Musikgruppen zusammengearbeitet und mit ihnen gemeinsam meine letzten Kollektionen entwickelt.
Interessant, dass du schon von klein auf mit so einer doppelten Realität konfrontiert warst. Das ist ein wenig wie jetzt mit den zwei Labels, oder?
Lemaire: Dieser Dualismus spiegelt sich sogar in meiner eigenen Kollektion wieder. Auch hier bin ich auf der Suche nach einer Art zeitloser Eleganz, versuche aber ebenso Stilmittel aus der Zeit einfließen zu lassen, die ich mit meiner Mutter in Afrika verbrachte.
Könnte man sagen, du versuchst diesen klassischen französischen Stil – den man zum Beispiel aus den Truffaut-Filmen kennt – mit afrikanischen Stilmitteln zu verbinden?
Lemaire: Absolut. Filme im Allgemeinen und französische Filme im Speziellen, waren immer eine fruchtbare Inspirationsquelle für mich. Ich denke da an Truffaut, Eric Rohmer aber auch an Robert de Niro in Taxi Driver oder Harry Dean Stanton in Paris Texas.
Und deine ethnischen Inspirationen?
Lemaire: Afrika, wie gesagt. Ich habe dort einige Zeit gelebt. Der Rhythmus, die Farben, die Details und Accessoires der Nomaden-Völker haben mich sehr geprägt. Ältere, arabische Männer beeindrucken mich auch immer wieder. Die tragen sehr oft abgestimmte Farben und haben diese gewisse stilistische Würde. Ich schau mir aber auch gerne und viel vom Stil dieser bösen, japanischen Buben ab, den Rockern und Yakuzas.
Arabische Herren, japanische Lausbuben... Alter spielt also für Eleganz überhaupt keine Rolle?
Lemaire: Alter nicht, und Geld schon gar nicht. Eleganz entsteht durch Würde, Stolz und Aufrichtigkeit.
Du hast auch für Christian Lacroix gearbeitet. Hat dich das sehr geprägt?
Lemaire: Ich habe bei Lacroix viel gelernt. Auch was das Arbeiten mit Farben angeht, zum Beispiel. Aber eigentlich mag ich Mode ja gar nicht. Ich mag guten Stil, aber keine Mode, und irgendwann passten Lacroix und ich nicht mehr zusammen. Er macht sehr gute Mode, würde aber zum Beispiel niemals mit der U-Bahn fahren.
Ist das denn so wichtig?
Lemaire: Für mich schon. Man muss doch die Realität kennen. Und man muss wissen, für wen man eigentlich entwirft.