Punk-Mode-Queen

Westwood wird 75

05.04.2016

Provokationen sind ihr Leben (Von Uli Hesse/dpa)

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Provokationen sind ihr Leben: als Mode-Rebellin und Erfinderin der Punk-Uniform, mit Protesten gegen Umweltpolitik und Konsum - und selbst bei der Ordensverleihung durch die Queen: Die britische Designerin Vivienne Westwood feiert am Freitag (8. April) ihren 75. Geburtstag.

London zelebriert dieses Jahr die Punkbewegung - 40 Jahre sind seit dem Erscheinen der ersten Sex-Pistols-Single "Anarchy in the UK" vergangen. Mit Ausstellungen in der British Library und im Kulturbunker Barbican haben Irokesenfrisuren, Bondage-Kleider und Sicherheitsnadeln die Hochkultur erobert. Die Erfinderin der Punkmode hat sich schon lange auf andere Provokationen verlegt: Vivienne Westwood demonstrierte auf einem weißen Panzer vor Premier David Camerons Haus gegen die umstrittene Fracking-Methode zur Erdgas-Gewinnung und posierte nackt für Starfotograf Juergen Teller.

Ein bisschen exzentrisch war die Tochter einer Baumwollspinnerin und eines Kolonialwarenhändlers aus der englischen Grafschaft Derbyshire schon immer. Schriftstellerin wollte sie werden, entschloss sich dann aber für eine Ausbildung zur Volksschullehrerin und stimmte sogar für die Tories, die konservative Partei in Großbritannien. Mit 21 Jahren heiratete sie den Flugbegleiter Derek Westwood, der wie sie Rock 'n' Roll liebte, und bekam ihr erstes Kind. Ihr Leben schien vorgezeichnet.

Doch drei Jahre später verlor sie ihr Herz an den Kunststudenten Malcolm McLaren (1946-2010), den Gründer und Manager der Punk-Band Sex Pistols. Er inspirierte Vivienne Westwood, ihr kleinbürgerliches Hausfrauen-Dasein hinter sich zu lassen und Agitprop-Kleidung zu nähen. Zusammen mit McLaren eröffnete sie 1970 auf der Londoner King's Road ihre erste Boutique. Schnell entwickelte sich der Shop zum absoluten Trendsetter. Der Name wechselte wie die Mode: "Let it rock", "Too fast to live, too young to die", "SEX", "Seditionaries" (Aufwiegler) und schließlich "World's End".

Während sie ihre beiden Söhne großzog - Ben Westwood und Joseph Corre - schuf Westwood Sadomaso-Monturen für die Musiker der Sex Pistols und inspirierte die Punk-Mode wie keine Zweite. Auch nach der Trennung von McLaren blieb sie ihrer rebellischen Kreativität treu. Vor allem schräge Schottenkaros und verzerrte Elemente der exaltierten Mode des 18. und 19. Jahrhunderts wurden ihr Markenzeichen - Korsagen, Wespentaillen, Turnüren für voluminöse Hintern. Das schrille Stilrecycling ist Programm: Als Insignien für ihr Label hat die einstige Punk-Queen einen von einem Saturnring umzirkelten Reichsapfel auserkoren.

Anfang der 90er-Jahre legte Westwood auch als Geschäftsfrau richtig los. Schließlich gehörte sie zu den ganz Großen der Branche, ihre Catwalks zu den Höhepunkten der London Fashion Week. Die britische Königin ließ sich zwar nicht modisch von Westwood inspirieren, hielt ihr Werk aber dennoch in Ehren. 1992 wurde Vivienne Westwood in den "Order of the British Empire" aufgenommen. Klar, dass sich die ewige Provokateurin diese Gelegenheit nicht entgehen lassen konnte. Die Fotografen zumindest waren begeistert, als sich bei einem ungestümen Windstoß herausstellte, dass die Modemacherin auf einen Slip unter ihrem edlen Rock verzichtet hatte. So geschockt kann die Queen nicht gewesen sein - 14 Jahre später machte sie Westwood zur Dame.

Provokationen gehören zwar immer noch zu Vivienne Westwoods Repertoire, doch heute trägt sie ihre Überzeugungen lieber als Parolen auf T-Shirts zur Schau, von "I am not a terrorist, please don't arrest me" bis hin zu "Climate Revolution". Ihr Engagement reicht von Protesten gegen Fracking und Massentourismus auf Kreuzfahrtschiffen bis zu Klimawandel, den sie seit Jahrzehnten mit Leidenschaft versucht aufzuhalten. "Ich hoffe, dass die Menschen verstehen, dass der Klimawandel vor unserer Haustür steht - und dass wir alle bald Migranten sein werden. Vielleicht haben wir gerade noch die Möglichkeit, es zu stoppen", sagte sie der britischen Tageszeitung "The Guardian".

Einmal pro Monat besuche sie den umstrittenen Wikileaks-Aktivisten Julian Assange in der ecuadorianischen Botschaft: "Ich quetsche ihn nach neuen Ideen aus. Ich denke, er ist genial." Und der Botschafts-Kaffee sei wirklich gut. Natürlich ziert eines ihrer T-Shirts der Slogan "I'm Julian Assange."

Inzwischen hat ihr Ehemann und langjähriger Designpartner, der 25 Jahre jüngere Tiroler Andreas Kronthaler, die modischen Zügel übernommen. Im März zeigte er seine erste eigene Kollektion unter dem Namen "Andreas Kronthaler for Vivienne Westwood". Das Branchenblatt "Hollywood Reporter" war wenig beeindruckt und bemerkte trocken: "Genau was der Dalai Lama brauchen würde, falls er sich entscheidet, in einen Club abtanzen zu gehen." Andere gratulierten zu einem spektakulären Solo-Debüt.

Die Beifallsrunde auf dem Laufsteg legten die beiden Händchen haltend zurück: Vivienne Westwood neuerdings mit weißer statt flammend orangefarbener Haarpracht - doch wie immer mit ihrem Markenzeichen, dunkelrotem Lippenstift und orangefarbenem Lidstrich und Augenbrauen. Die ewige Rebellin.

(S E R V I C E - Vivienne Westwood, Label-Homepage: http://www.viviennewestwood.com/)

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