Ein Jahr nach ihrem Ausstieg aus der Politik wagte die ehemalige Landwirtschaftsministerin den Schritt in die Selbstständigkeit – samtBeteiligung an einer Plattform für Menschen aus dem ländlichen Raum.
Es ist ein aufregendes Jahr, das Elisabeth Köstinger (44) seit ihrem Rückzug aus der Politik hinter sich hat. Inzwischen sitzt die ehemalige ÖVP-Landwirtschaftsministerin und Mutter eines 5-jährigen Sohnes im Aufsichtsrat der Billigfluglinie RyanAir, hat sich mit ihrer Firma E+ Ventures selbstständig gemacht – und investiert in Hektar.com. Mit der Medienplattform will Köstinger zusammen mit Medienprofi Oliver Auspitz und Karl Royer Menschen aus dem ländlichen Raum eine moderne Netzwerkmöglichkeit bieten. Weil Netzwerke (berufs-)lebensentscheidend sein können, wie Elisabeth Köstinger weiß.
Im Mai 2022 gaben Sie Ihren Rückzug aus der Politik bekannt. Was war in dem letzten Jahr das Aufregendste für Sie?
Elisabeth Köstinger: Auf jeden Fall die Entscheidung, mich selbstständig zu machen. Ich habe immer großen Respekt vor Unternehmen und finde es großartig, was Unternehmer:innen in Österreich leisten. Es haben sich in den letzten Monaten viele Möglichkeiten und Angebote aufgetan. Damit habe ich diesen Schritt auch selbst gewagt und mein eigenes Unternehmen gegründet. Da bin ich gerade im Aufbau. Eine riesengroße Sache für mich war auch das Angebot, bei der RyanAir einzusteigen, was mich auch zurück in den Tourismus, den ich immer sehr gerne verantwortet habe, zurückbringt. Und spannend sind natürlich auch die eigenen Investments, die ich nun tätige und für die ich viel Herzblut habe.
Stichwort Respekt vor der Selbstständigkeit. SInd Sie schon an Hürden gestoßen, von denen Selbstständige oft sprechen?
Köstinger: Ich habe schon mit der entsprechenden Bürokratie gerechnet und die dann auch selbst erfahren. (lacht) Aber ansonsten ist dieses Selbstentscheiden und Dinge auf eigene Verantwortung machen etwas, das mir sehr nahe liegt und womit ich viel Freude habe.
Hektar.com ist ja eine Plattform, die sich mit dem Landleben beschäftigt. Warum muss denn dieses gefördert werden, Ihrer Meinung nach?
Köstinger: Es gibt de facto kein Medium oder keine Plattform, die sich auf das Leben am Land konzentriert und vor allem auch die Potenziale, Chancen und Möglichkeiten authentisch darstellt. Wenn über den ländlichen Raum geschrieben wird, wird dies oftmals romantisiert und mit Klischees behaftet. Das Gegenteil davon wollen wir mit Hektar.com machen. Wir wollen zeigen, wie viele tolle Erfolgsgeschichten dem Land quasi entspringen. Wie stark die Gemeinschaft und das Zusammentun, das Zusammenleben ist. Und einfach auch eine Plattform schaffen, auf der sich engagierte, motivierte Leute vernetzen und manch einer auch ein eigenes Business startet.
Stichwort Netzwerk: Sie selbst sind ja auch sehr gut vernetzt. Wie wichtig war das auch in Bezug auf Ihren Schritt in die Selbstständigkeit?
Köstinger: Ein Netzwerk ist natürlich immer ein sehr großer Vorteil. Das habe ich viele Jahrzehnte lang aufgebaut und habe mir eben auch einen Namen gemacht in vielerlei Hinsicht. Ich möchte da auch wirklich ein Beispiel für Frauen sein, Netzwerke zu nützen.
Sie sind ja Mama von einem bald 5-Jährigen, wie lässt sich das vereinbaren? Wahrscheinlich etwas besser als die Politik, nehme ich an...
Köstinger: Ja, jetzt ist es schon viel einfacher. Manchmal muss ich fast ein bisschen schmunzeln, wenn in Kommentaren geschrieben wird, ich hätte keine Zeit für meinen Sohn, weil ich doch viel unterwegs bin. Aber so viel Zeit und auch Möglichkeiten wie nun hatte ich wirklich noch nie. Da war die Politik schon um ein Vielfaches familienunfreundlicher, als es das eben jetzt ist. Und das genieße ich sehr.
Ihr Partner ging ja damals kurz nach der Geburt in Karenz ...
Köstinger: Ja, ich war ja innerhalb von wenigen Wochen wieder zurück und hatte die Ratspräsidentschaft ... Also rückblickend bin ich schon ein bisschen stolz, dass ich das alles geschafft habe.
Damals wurden Sie dafür auch kritisiert.
Köstinger: Die Bewertung durch die Öffentlichkeit ist teilweise schon etwas sehr Anstrengendes, das in meiner neuen Rolle bei Weitem nicht mehr einen so großen Stellenwert hat. Auch hier setze ich mich stark für Frauennetzwerke ein, denn ich weiß, wie beruflich aktive Frauen darunter leiden, wenn ihr Lebensmodell ständig in Frage gestellt wird. Ich möchte ein Beispiel dafür sein, dass man sich alles trauen kann und zutrauen soll.
Ihren Ausstieg aus der Politik könnte man Ihnen auch so auslegen, dass Ihnen das alles zu viel wurde ...
Köstinger: Nein, ich glaube nach 20 Jahren in der Politik musste ich niemandem mehr etwas beweisen. Für mich war das ein ganz bewusster Schritt mit ein bisschen über 40 noch einmal komplett neu zu starten. Ich habe fast 20 Jahre in der Politik, und fast 13 Jahre davon in der Spitzenpolitik verbracht, ich habe alles gesehen und erlebt. Ich habe einfach gespürt, dass Zeit ist, etwas Neues zu beginnen und ich freue mich auf alles, was da noch kommt.