Intimer Klavierabend mit Regina Spektor in Wien
17.12.2009Als Regina Spektor im Alter von neun Jahren mit ihren Eltern aus Russland auswanderte, war die erste Station Wien. "Alles, woran ich mich erinnere, sind die Blumen", gestand sie gestern, Mittwoch, Abend, mit einem scheuen Blick, der sich nur selten ins Publikum richtete.
Bei ihrer ersten Rückkehr als Erwachsene - "meine Version von Erwachsensein" - fand sie im Gasometer eine glühend lauschende Fangemeinde vor, die der eigenwilligen russisch-amerikanischen Pianistin, Sängerin und Songwriterin mit johlender Begeisterung durch einen intimen Klavierabend folgte.
Dass sie scheu und fragil wirkt, selbst noch, wenn sie für exzentrische klangliche Manöver kräftig in die Tasten greift und ihre über alle Höhen und Tiefen stets glasklare Stimme in kantige Vokalparcours lenkt, wenn sie in die Zeile "someone next door is fucking to one of my songs" ein leichtes Stöhnen mischt oder mit einer Hand am Klavier die Melodie vorgibt, während die andere mit Sticks am Hocker einen verschnörkelten Beat dazumischt, dabei aber natürlich gleichzeitig trällert und mit dem Fuß stampft, ist vielleicht ihr größtes Kunststück. Das zweitgrößte sind ihre Texte, auch auf dem neuen Album "Far" gespickt mit subtilem Witz, kecker Lautmalerei und nachdenklichen Kommentaren über Gott, über den wir niemals lachen können, und die Welt, die voller kleiner und großer Neurosen steckt.
Mit dem Vorgängeralbum "Begin to Hope" gelang Spektor der internationale Durchbruch, tauschte sie das sperrige Sprudeln ihres früheren Liedermachens gegen eingängiges Melodien-Handwerk. In eine Schublade passt sie trotzdem immer noch nicht. Zu viel russische Wehmut und "Soviet Kitsch" (so der Titel eines früheren Albums) ist da in ihrem Anti-Folk, zu viel unbekümmertes musikalisches Können in ihrer schlichten Bühnenpräsenz.
Wo sich zunächst noch Schlagzeug, Geige und Cello als indie-poppiges Kammermusik-Ensemble um den Flügel gruppieren, steht sie bald allein mit dem Mikrofon und liefert einen orpheischen Gesang als humorige Betrachtung über männliche Augenfarben. Schnallt sich dann eine Gitarre um und versteigt sich in eine freche Country-Satire "from America". Dann wendet sie sich, scheinbar weniger einer Konzertdramaturgie, als ihrem eigenen Gutdünken folgend, wieder dem Klavier zu, schließt ihre Augen und wiegt ihre atemanhaltenden Zuhörer in eine melancholische Hymne. 15 Prozent länger als im restlichen Europa klatsche man hier. "Das ist sehr nett", sagt sie. Aber es ist nicht nett gemeint. Hingerissen trifft es eher.