Das Leben voll zu leben, setzt „die Reise nach innen“ voraus. Warum es für den eigenen Lebensweg so wichtig ist, ins Spüren, Reflektieren und letztlich Tun zu kommen.
Der Heilige Abend steht vor der Türe – und damit auch ein paar besinnliche Tage. Wahrscheinlich die einzigen im Jahr, an denen sich die Menschheit erlaubt, in die Stille zu gehen. Viele von uns lassen das vergangene Jahr Revue passieren und stecken ihre Ziele fürs neue Jahr fest. Die Sehnsucht ist am Ende des Tages meist dieselbe: bei sich selbst anzukommen, das eigene Potenzial zu entfalten, die eigene Berufung zu finden und das Leben in Hülle und Fülle – wie auch immer man es möchte – zu leben.
Ins Tun kommen
Doch was, wenn die Altlasten so schwer und die (Versagens-)Ängste so groß sind, dass es einfach nicht gelingt, in die Gänge zu kommen? Was wenn Veränderungsprozesse stagnieren und die Energie fehlt, sich aus alten Mustern zu befreien? Diese Fragen (und noch einige mehr) haben wir Christiane Trimmel, Expertin für Hochsensibilität, Business-Mentorin und Visionärin gestellt.
Liebe Frau Trimmel, Sie helfen Menschen dabei, ihren Weg zu gehen. Was hat Sie dazu bewogen?
Christiane Trimmel: Da muss ich ein wenig weiter ausholen (lacht). Nach meinem Wirtschaftsstudium habe ich einige Ausbildungen im Gesundheitsbereich (Yoga, Ayurveda, Traumasensitives Training, Business-Coaching etc.) gemacht. Schon immer wollte ich in die Tiefe gehen und den Menschen besser verstehen. Prägend war außerdem die Begegnung mit meinem Mann, einem Maori Tohunga – das bedeutet Hohepriester und Hüter des Alten Wissens – aus Neuseeland. Er hat mich gelehrt, meine Medialität und Hellfühligkeit sinnvoll zu nutzen und anderen Menschen damit zu helfen. Vor drei Jahren ist mein Mann verstorben. Durch seinen Tod wurde mir umso bewusster, dass das Leben Höhen und Tiefen hat, dass jeder Moment und jeder Atemzug ein Geschenk ist. Ich habe gelernt, dass selbst der tiefster Trauer Dankbarkeit, Antrieb und Kraft innewohnen. Ich sehe es als meine Berufung, meine Lebenserkenntnisse anderen Menschen weiterzugeben.
Wie gelingt es, bei sich selbst an- und in die Eigenverantwortung zu kommen – gerade in einer Zeit, geprägt von Hektik?
Trimmel: Für mich bedeutet Ankommen, sich auf Reise nach innen zu begeben und damit aufzuhören, sich im Kreis zu drehen. Viele Menschen fühlen sich heutzutage entwurzelt oder verloren. Sie versuchen, im Außen das verlorene Puzzleteil zu finden, laufen von einem Trend zum nächsten, suchen in einem „Quick-Fix“ die Lösung ihrer Probleme. Dabei vermeiden sie oft die Reise nach innen, da diese oft mit alten Verletzungen verbunden ist. Auf lange Frist verschwenden wir nur unnötig Energie, wenn wir augenscheinlich unangenehme Gefühle wie Trauer, Einsamkeit oder Wut nicht fühlen wollen. Wir stagnieren. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen, Ängsten und Mustern ist das stabile Fundament für Weiterentwicklung und Fortschritt. Ganz nach dem Motto: „Kenne deine Wurzeln und du wirst in den Himmeln wachsen.“ Hektik, Chaos, Reizüberflutung und Krieg wird es übrigens immer geben. Gerade deswegen ist die Einladung, nach innen zu gehen, noch stärker. Es ist letztlich der einzige Weg, all das auszuhalten.
Was bedeutet Durchstarten für Sie?
Trimmel: Durchstarten impliziert die Bereitschaft, sich den eigenen Themen, Limitierungen, Hemmungen und Gefühlen zu stellen. Diese richtig zu kanalisieren, setzt eine unglaubliche Kraft frei. Schon mal einen Wutausbruch gehabt? Da steckt doch Energie dahinter, oder nicht? (lacht) Zusätzlich ist es wichtig, sich an Menschen/ Mentoren/ Coaches zu orientieren, die bereits dort sind, wo man selber hinmöchte. Das ist sehr inspirierend und gibt Kraft. Der Weg entsteht übrigens im Gehen – Schritt für Schritt geht man vorwärts. Erfolg im Business und persönliche Weiterentwicklung entstehen im „Tuniversum“.
Inwiefern kann Hochsensibilität dabei helfen?
Trimmel: Hochsensibilität bezeichnet eine erhöhte Wahrnehmungsfähigkeit und Empfindsamkeit gegenüber inneren und äußeren Reizen. Daher kommt es schneller zu einer Reizüberflutung und Überforderung. Hochsensibilität ist aber keine Krankheit, sondern ein Persönlichkeitsmerkmal und, wie ich es nenne: ein Erfolgsgarant, denn man hat das weltbeste interne Navigationssystem. Die Frage ist, nutzt man diese Gabe auch entsprechend? Oder fühlt man sich dadurch überfordert? Dann empfindet man Hochsensibilität eher als Fluch. Wenn man aber gelernt hat, diese Gabe gewinnbringend einzusetzen, dann erlebt man Erfüllung auf allen Ebenen. Man versteht Zusammenhänge besser, kann „zwischen den Zeilen lesen“, aus innerem Antrieb heraus handeln und fühlt sich mit dem großen Ganzen verbunden. Personen, die das gelernt haben, erheben sich aus der klassischen Opferrolle, Sie sind in der Eigenmacht und absoluten Eigenverantwortung und leben in Vertrauen auf das das Höhere/das Göttliche, das sie im Inneren spüren.
Worauf sollte man als hochsensibler Mensch achten?
Trimmel: Auf die eigenen Bedürfnisse, die man davor natürlich erst mal kennen muss. Jeder fünfte Mensch ist hochsensibel, doch 90 Prozent wissen es gar nicht und meinen, es wäre etwas falsch mit ihnen. Sie haben gelernt, sich anzupassen, nicht zu „viel zu sagen“. Das hat mit der Kindheit, Jugend zu tun. Da wollen wir nun mal dazugehören und lernen, uns anzupassen. Es gibt kein Schulfach für Hochsensibilität. Doch wenn man etwa Schwimmen lernen möchte, hat man auch jemanden, der einem das zeigt. Genauso ist es mit der Hochsensibilität. Es ist mir wichtig, hochsensiblen Menschen mit auf den Weg zu geben, dass sie besonders sind, weil sie anders sind! Anpassung hingegen führt oft zu einer Entfremdung, Entwurzelung. Diese Anpassung geht vielleicht eine zeitlang gut, aber irgendwann hat man sich so von seiner eigenen Essenz entfernt, dass man sich gar nicht mehr spürt. Wendepunkte oder Schicksalsschläge fungieren dann oft als Weckrufe, die man ernst nehmen sollte. Wir lernen entweder aus Krisen oder durch Reflexion. Das passt doch eigentlich sehr gut zum Jahresende.
Ihre Take-home-Message fürs erfolgreiche Ankommen und anschließende Durchstarten?
Trimmel: Wir haben nur dieses eine Leben und sollten wirklich das Beste für uns herausholen. Das bedeutet auch, Dinge und Gefühle anzunehmen, wie sie eben sind. Auch wenn das natürlich nicht immer leicht ist, je mehr wir annehmen und fühlen, umso bunter, tiefgründiger und facettenreicher wird das Leben. Ich spreche mit einer gewissen Dringlichkeit und unbändigen Leidenschaft, weil ich weiß, wie kostbar jeder Tag, jede Stunde, jede Sekunde ist. Noch etwas liegt mir sehr am Herzen: Wir sollten uns bewusstmachen, dass wir alles, was wir nicht verändern, wählen. Absolut man selbst zu sein, zur eigenen Einzigartigkeit zu stehen, diese zu leben und zu teilen, das Innerste nach außen zu bringen, das bedeutet Freude, Erfüllung – und letztlich Freiheit.