Diversity, Body Positivity & das Patriarchat
''Barbie'': Sensations-Film mit feministischem Blick
19.07.2023Wenige Tage vor dem Filmstart ist der Barbie-Hype riesengroß. In Greta Gerwigs pinkem Blockbuster startet Ken - der ungeliebte Boyfriend der Plastikpuppe - eine Revolution und Schauspieler Ryan Gosling stiehlt Barbie-Darstellerin Margot Robbie die Show.
Viele werden mit einer Barbie-Puppe in ihrer Kindheit gespielt haben, aber wer brauchte schon Ken? In Greta Gerwigs "Barbie"-Film muss Margot Robbies titelgebendes Plastikgirl ihre Heimat Barbieland vor dem Patriarchat retten: denn Ryan Goslings Strandbeau Ken will nicht länger wie ein Objekt behandelt werden. Kein Megacoup für den Feminismus, aber ein pinker Traum von einem Sommerblockbuster. Ab Donnerstag ist der Film auch hierzulande im Kino.
"Barbie"-Film: Ken entdeckt das Patriarchat
Eigentlich sollte die charmante Comedy von Greta Gerwig nicht "Barbie", sondern "Ken" heißen, benannt nach dem oft verschmähten Freund der Puppe, der 1961, zwei Jahre nach ihr, geschaffen wurde. Denn nachdem Kenneth Sean Carson Jahrzehnte lang im sehr pinken Schatten seiner Angebeteten Barbara Millicent Roberts gelebt hat, entdeckt er das Patriarchat für sich.
Ryan Goslings "Ken" startet als idealer Boyfriend
Unser "Haupt"-Ken, famos gespielt von Ryan Gosling, ist zunächst der ideale Boyfriend. Er ist treu, ehrlich und liebevoll. Er hat nur einen guten Tag, wenn Margot Robbies Barbie ihn ansieht und stürzt sich für sie in eine Strandwelle aus Plastik. Wenn er vorschlägt, die Nacht bei Barbie zu verbringen, weist sie ihn verdutzt zurecht: "Girls only!" Kein Problem für Ken. Er drängt sie zu nichts (ganz abgesehen davon, dass die beiden keine Geschlechtsteile besitzen).
Diversity und Body Positivity als großes Thema
In der pinken Welt aus Plastik sind die Kens mit ihren Waschbrettbäuchen nur Augenschmaus. Sie haben keine Autos, keine Häuser, keine Jobs. Jede Barbie hat im Gegensatz dazu einen Beruf: es gibt Barbie-Astronautinnen, eine Barbie-Präsidentin, Barbie-Pilotinnen (u.a. gespielt von Issa Rae, Nicola Coughlan und Sharon Rooney) und so weiter. Es gibt dünne Barbies, dicke Barbies, braune, weiße, schwarze. Wenn man es nicht besser wüsste, dann könnte man die Comedy von Warner Bros. für einen Disney-Film halten. Mattel, die Spielzeugfirma hinter dem Film, legt inzwischen großen Wert auf Diversity und Body Positivity, und das soll sich auch in "Barbie" widerspiegeln. Manch einer erkennt möglicherweise auch sein altes Barbie-Cabriolet oder Traumhaus mit Rutsche aus der eigenen Kindheit wieder. Das mehrheitlich rosarote Produktionsdesign in Barbieland, das sich hier ausgedacht wurde, ist atemberaubend. Alles besteht aus Plastik, vom Swimmingpool bis hin zum Frühstück.
Barbie muss sich in die echte Welt wagen
Die Welt ist jedenfalls heil und harmonisch. Doch dann beginnt Robbies "stereotype" Barbie, wie sie genannt wird, über den Tod nachzudenken. Diese gewölbten Füße, die perfekt in High Heels passen, werden zur Abscheu aller flach. An ihrem Oberschenkel tritt Cellulite auf. Um das alles rückgängig zu machen, muss sich Barbie in die echte Welt wagen und sich Birkenstocks anziehen (es ist eine großartige Werbung für den deutschen Schuhhersteller). Aber während Barbie damit beschäftigt ist, das Mädchen zu finden, das mit ihrer Puppe spielt, muss Ken, der ihr gefolgt ist, erkennen, dass Männer - und nicht Frauen - in der echten Welt das Sagen haben. Und dann wird der Film erst richtig interessant. Ken verwandelt Barbieland in "Kendom" und startet eine urkomische Revolution unter den männlichen Puppen, die sich die Barbies unterwerfen und die Verfassung ändern wollen.
Es gibt eine Boyband-artige Musiknummer mit dem Titel "I'm just Ken", die von "Grease" inspiriert zu sein scheint, einen Running Gag über Sylvester Stallones Vorliebe für Nerzmäntel und eine unschlagbare Lagerfeuer-Version von Matchbox Twentys Hit "Push". Und das passiert alles, bevor die Dinge sehr philosophisch werden und die Comedy beginnt, über den Sinn des Lebens nachzudenken und in Rührseligkeit abzurutschen, während Billy Eilishs zugegebenermaßen wirklich schönen Powerballade "What Was I Made For?" erklingt.
Warmherzige Interpretation der beliebten Puppe
Greta Gerwig, die charmante Regisseurin der Oscar-nominierten Coming-of-Age-Geschichten "Lady Bird" und "Little Women", die den Film gemeinsam mit ihrem Partner Noah Baumbach ("White Noise") geschrieben hat, wollte eine eigenwillige, warmherzige Interpretation der beliebten Puppe machen - das ist ihr mit "Barbie" auch gelungen. Er wird die Sache des Feminismus nicht wirklich vorantreiben, aber vielleicht den Verkauf von ein paar Ken-Puppen ankurbeln. Es sei ihm vergönnt.