Aufregerstudie

Macht Botox dumm?

31.05.2010

Arme Stars: Ein US-Forscher will entdeckt haben, dass Botox die Denkkraft mindert und das Sprachvermögen beeinträchtigt.

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© FilmMagic.com/Getty, Photo Press Service, www.photopress.at
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Aufregerstudie behauptet: Botox hat Nebenwirkungen
Dass Botox nicht immer jünger oder schöner, sondern ab und an einfach nur anders und vielleicht sogar ein wenig gruselig macht, zeigen die maskenhaften Gesichter mancher Hollywood-Stars. Doch das beliebte Nervengift soll auch dumm machen! Das zumindest behauptet eine neue Aufregerstudie aus den USA. Forscher David Havas von der US-Universität Wisconsin-Madison unterzog 40 Frauen vor und nach einer Botox-Behandlung einem Sprachtest und fand heraus, dass sich nach einer Botox-Therapie die Leistung des Gehirns um eine Sekunde verlangsamte.

Böses, böses Botox?
MADONNA befragte zu dem brandaktuellen Thema Top-Mediziner unterschiedlichster Fachrichtungen, Frauen, die seit Jahren auf das Nervengift schwören, sowie Botox-Gegnerinnen. Beauty-Ärztin Dr. Doris Grablowitz analysiert, was hinter der neuen Studie steckt: „Eine Untersuchung mit der EMG (Anm.: Elektromyografie; Messung der Muskelaktivität)“, so die Medizinerin, „hat ergeben, dass sich beim Lesen trauriger oder ­aggressiver Nachrichten, die Zornesfaltenmuskulatur zusammenzieht. Havas hat diese Untersuchung als Basis für die These genommen, dass unter anderem bei ärgerlichen, traurigen oder lustigen Emotionen ein Feedback-Mechanismus zwischen dem Hirn und der Gesichtsmuskulatur stattfindet.“ Ist die Mimik durch Botox eingeschränkt, sei der Mechanismus verlangsamt und damit auch die Gehirnleistung. Um das zu beweisen, haben die Wissenschafter 40 weiblichen Testpersonen aggressive und traurige Nachrichten (z.B.: „Du rufst zum Geburtstag deine Mails ab, aber keiner hat dir geschrieben“) am Bildschirm lesen lassen und die Erkennungszeit getestet. Nach jedem Satz mussten die Freiwilligen einen Knopf drücken, als Zeichen, dass sie verstanden haben. „Nach dem Ausschalten der Zornesfaltenmuskulatur durch Botox“, so Grablowitz, „mussten die Testpersonen erneut traurige oder aggressive Nachricht lesen. Dabei wurde festgestellt, dass die Testpersonen ohne Zusammenziehen der Zornesfaltenmuskulatur einen Bruchteil länger zum Erkennen aggressiver, trauriger Nachrichten brauchten als mit funktionierenden.“ Die Forscher stellten somit erstmals die Behauptung auf, dass Botox verhindert, den emotionalen Zusammenhang der Sprache zu erkennen. „Das Hirn“, sagt US-Forscher und Havas-Mentor Arthur Glenberg, „sendet Signale zum Stirnrunzeln nach außen, das Stirnrunzeln sendet Signale zurück an das Gehirn. Ist dieser Kreislauf unterbrochen, kommt es zu Störungen.“

Wahr oder falsch?
„Diese Studie“, so Grablowitz, „wurde von den Wissenschaftlern fehlinterpretiert. Genauso gut könnte man behaupten, dass lebhafte Menschen mit viel Mimik klüger, und phlegmatische Personen mit weniger Mimik, die längere Anlaufzeit zum Erkennen emotioneller Situationen brauchen, dümmer sind.“ Entwarnung kommt auch aus der renommierten „Botox-Abteilung“ der Universitäts-Klinik Wien. „Botuli—numtoxin, dazu gehört auch Botox, macht nicht dumm!“, so Dr. Gottfried Kranz, Facharzt für Neurologie. Der Experte relativiert allerdings: „Diese Studie wurde zu weitreichend interpretiert. Denn es geht nicht um das Botox an sich, sondern um die Region und die Muskeln, in die Botox injiziert wird. Stimmt die Theorie des mimischen Feedbacks, ist es möglich, dass es zu einer Verzögerung kommt.“ Die Frage ist, wie sich das im Alltag auswirkt? „Wir haben“, so Kranz, „langjährige Studien gemacht, die bezeugen, dass Patienten, denen Botox in die Region um die Zornesmuskeln injiziert wurden, im Alltag keine Probleme im emotionalen Umgang mit anderen haben und auch nicht unter kognitiven Fehlinterpretationen leiden.“

Heilmittel
Beauty-Ärztin Doris Wallentin propagiert sogar die Vorteile von Botox. „Es wird seit Jahren für medizinische Zwecke eingesetzt, um schwerste Spasmen auszuschalten. Ich habe vor zehn Jahren begonnen, Botox zu spritzen – anfangs nur, um meine Migräne zu lindern. Ich lasse es mir alle sechs Monate spritzen, und ich bin noch nicht verblödet – zumindest habe ich noch nichts gemerkt.“ Kollegin Dr. Eva Wegrostek spritzt sich bereits seit 15 Jahren Botox: „Wenn ich etwas Negatives finden will, kann ich das überall. Man kann Studien in alle Richtungen manipulieren. Ich halte einen Test mit 40 Frauen nicht für aussagekräftig.“

Botox & Business
Fakt ist, dass das Geschäft mit dem Gift ein lukratives ist. Gegner kommen mehrheitlich aus dem Bereich der ganzheitlichen Medizin. „Das Ergebnis dieser Studie“, so Dr. Ruediger Dahlke, „wundert mich keineswegs. Wer sich schon zu Lebzeiten mittels Botox eine Art Totenmaske mit der entsprechenden Starre zurechtspritzen lässt, tut sich sicher keinen guten Dienst. Denn natürlich ist unsere Mimik wichtig, und wo sie ausfällt, wird das Leben ärmer. Das kann auch die Reaktionszeit im Gespräch verändern und zu Missverständnissen führen.“ Botox polarisiert. Dumm macht es definitiv nicht, es macht ein Gesicht höchstens „anders“ und im Fall von Meg Ryan, Carla Bruni & Co. sogar ein wenig seltsam.

Experten & Stars über die Aufregerstudie

Macht uns Botox wirklich dumm?

  • Dagmar Koller
    Bühnendiva

© Inge Prader

Bild: (c) Prader
„Dass ich gegen Schönheitsoperationen bin, ist ja hinlänglich bekannt. Und Shirley MacLaine hat schon vor 20 Jahren zu mir gesagt, dass man von dem Nervengift Rheuma bekommt. Sie hat es am eigenen Körper erlebt.

 

  • Dr. Eva Wegrostek
    Ästhetische Medizinerin

© TZ Österreich Stemmer Susanne

Bild: (c) Stemmer
"Ich spritze mir seit fünfzehn Jahren regelmäßig Botox und habe noch nie eine Verlang­samung meiner geistigen Leistung bemerkt. Die US-Studie wurde medial aufgebauscht, ich halte die Ergebnisse nicht für relevant.“

 

  • Dr. Doris Wallentin
    Schönheitsmedizinerin

© Inge Prader

Bild: (c) Prader
„Botox wird seit Jahren für medizinische Zwecke eingesetzt. Ich habe vor zehn Jahren begonnen, alle sechs Monate Botox zu spritzen. Anfangs, um meine starken Migräne zu lindern. Ich bin noch nicht verblödet.“

 

  • Dr. Andrea Kdolsky
    Gesundheitsmanagerin

© TZ Österreich Ferrigato

Bild: (c) Ferrigato
„Um eine These zu einer evidenzgesicherten wissenschaftlich bestätigten Aussage zu machen, erfordert es mehr als nur eine Studie einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Versuchspersonen durch einen Wissenschafter.“

 

  • Dr. Gottfried Kranz
    Facharzt für Neurologie

© Privat

Bild: (c) Privat
„Die Studie wurde zu weitreichend interpretiert. Botox macht definitiv nicht dumm. Es geht nicht um das Toxin an sich, sondern um die Region und die Muskeln, in die Botox initiiert wird. Das ist ein Unterschied.“

 

  • Dr. Ruediger Dahlke
    Ganzheitlicher Mediziner

© Privat

Bild: (c) Privat
„Natürlich ist unsere Mimik wichtig, und wo sie ausfällt wird das Leben ärmer. Das kann die Reaktionszeit im Gespräch verändern und zu Missverständnissen führen. Wer Mundbewegungen nicht sieht, ist beim Verständnis behindert.“

 

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Dr. Doris Grablowitz im Interview: "Viel Blödsinn um Botox"

Viel Blödsinn um Botox
Was hinter der Aufregerstudie steckt...

Worum dreht sich die Aufregerstudie des US-Forschers David Havas?
Doris Grablowitz:
Eine Untersuchung hat ergeben, dass sich beim Lesen trauriger oder aggressiver Nachrichten, die Zornesfaltenmuskulatur zusammenzieht. Havas hat diese Untersuchung als Basis für die These genommen, dass u. a. bei ärgerlichen, traurigen, oder lustigen Emotionen ein Feedback-Mechanismus zwischen dem Hirn und der Gesichtsmuskulatur stattfindet. Es wurde festgestellt, dass die Testpersonen nach Ausschalten der Zornesfaltenmuskulatur durch Botox einen Bruchteil länger zum Erkennen von Nachrichten brauchten.

Ergo macht Botox langsam?
Grablowitz:
Die Studie wurde aufgebauscht und fehlinterpretiert. Genauso gut könnte man nach dieser Studie behaupten, dass lebhafte Menschen mit viel Mimik klüger, und phlegmatische Personen, die längere Anlaufzeit zum Erkennen emotioneller Situationen brauchen, dümmer sind.

Wie sicher ist Botox?
Grablowitz:
Seit 31 Jahren werden in über 75 Ländern Millionen von Menschen damit behandelt. Sowohl Patienten, als auch über 3.000 klinische Untersuchungen beweisen die Harmlosigkeit des Heilmittels – vorausgesetzt, es wird medizinisch korrekt, mit erfahrener Hand eingesetzt.

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