Als Göttin Justitia inszeniert, fungiert Topmodel und Unternehmerin Kiera Chaplin als Gesicht der Vienna Awards 2024. Die Enkelin des legendären Charlie Chaplin im Interview über Licht und Schatten in unserer Zeit.
Licht und Schatten, Yin und Yang, die scheinbar so entgegengesetzten Kräfte, die einander jedoch anziehen und ergänzen, faszinieren sie, seit sie denken kann. Umso passender, dass Kiera Chaplin als Testimonial der diesjährigen Vienna Awards for Fashion & Lifestyle zwei riesige Ballons in Schwarz und Weiß balanciert. Die Harmonisierung gegensätzlicher Welten beschäftigt die 42-jährige Enkelin von Sir Charles Spencer Chaplin (1889–1977) auch in ihren vielen Projekten. Erfolgreiches Topmodel, Schauspielerin, TV-Produzentin, aber auch engagierte Aktivistin, die sich u.a. gegen die Genitalverstümmelung von Frauen einsetzt, und innovative Unternehmerin einer nachhaltigen Beauty-Brand sowie einer exklusiven Spirituosen-Kollektion, die Kiera zusammen mit ihrem Bruder Spencer lanciert. Es gibt also kaum etwas, das es im Leben der Powerfrau nicht gibt.
Das Interview über Neugierde und Visionen ganz im Chaplin-Style.
Kiera, herzliche Gratulation – Sie sind nicht nur das Gesicht der Vienna Awards 2024, sondern auch für einen Preis in der Kategorie „Business Woman“ nominiert – was macht Sie aus Ihrer Sicht zu einer ausgezeichneten Business Woman?
Kiera Chaplin: Danke! Ich denke, es braucht viel Entschlossenheit und Leidenschaft für das, was man tut. Und auch einen kreativen Geist zu bewahren, um über den Tellerrand hinauszublicken und innovativ zu sein. Unternehmen zu gründen, ist eine neue Phase in meinem Leben und ich liebe es wirklich. Es ist sehr aufregend, eine Vision in die Welt zu bringen.
Ihr Großvater kam 1931 nach Wien, um ein wenig Ruhe von der Weltpresse zu haben – er wurde jedoch sofort erkannt. Welchen Bezug haben Sie zu Österreich und Wien, wo Sie am 16. Oktober bei den Vienna Awards zu Gast sind?
Chaplin: Ich habe eine tolle Verbindung zu Wien, ich war jetzt schon viele Male hier, zum Life Ball, zur Fashion Week und auch zu den Vienna Awards, als ich meinen „Fashion Icon Award“ erhielt. Ich liebe es hier, weil es so reich an Geschichte ist und eine fantastische Kunstszene hat.
Sie haben lange in den USA gelebt, jetzt wohnen Sie wieder in der Schweiz – ist Europa inzwischen ein besserer Ort zu leben als die USA?
Chaplin: Für mich ist es jetzt besser, weil ich oft nach Asien fahre, um an den Chaplin Awards und den Golden Cane Awards teilzunehmen, die ich dort ins Leben gerufen habe. Außerdem ist es schön, näher bei meiner Familie zu sein, die ja in Europa lebt. Insgesamt ist es zentraler, was das Reisen angeht. Und jetzt, wo ich etwas älter bin, ziehe ich den ruhigeren Lebensstil dem Leben in einer geschäftigen Stadt vor. (lacht)
Zurück zu Ihren vielen Business-Projekten: Topmodel, Schauspielerin, Produzentin, Aktivistin, Beauty-Brand-Entrepreneur ... War es immer Ihr Ziel, sich auf verschiedenen Gebieten auszuprobieren?
Chaplin: Ich bin ein sehr neugieriger Mensch, der gerne neue Dinge ausprobiert. Ich schätze, das ist einfach so passiert. Ich bin auch jemand, der mit dem Herzen handelt. Das sind alles Dinge, die ich liebe. Ich habe gerade auch mit meinem Bruder Spencer meine eigene Alkoholmarke auf den Markt gebracht, denn wir leben dafür, Menschen zu unterhalten. Sie heißt „Generation“ und wir machen Wodka, Whiskey und einen Aperitif.
Welcher Ihrer vielen Karrierewege war der herausforderndste – und wie haben Sie Hürden überwunden?
Chaplin: Sie alle haben ihre Herausforderungen, aber das macht es ja gerade interessant. Ich habe eine Fernsehshow, an der ich seit zehn Jahren arbeite. Jeder Schritt dauert ewig, von dem Moment an, in dem man es im Kopf hat, bis man es herausbringt. Die Leute wissen gar nicht, wie lange es dauern kann, die richtigen Partner zu finden usw. Wenn alles gut läuft, kann ich das Projekt im nächsten Jahr endlich ankündigen. Da kann man von Geduld reden! (lacht)
Die Filmbranche ist ja immer noch eine Art Männerdomäne. Wie sehen Sie die Entwicklung der Rolle von Frauen hinter der Kamera und in den Führungsetagen von Hollywood? Ist hier eine Emanzipation zu spüren?
Chaplin: Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Heutzutage sind viel mehr Frauen am Tisch, was großartig ist, und es gibt ein riesiges Publikum für Filme, die von Frauen geprägt sind. Frauen aus aller Welt und aus vielen Altersgruppen haben unglaubliche Geschichten zu erzählen.
Als Enkelin des berühmten Charlie Chaplin werden Sie natürlich immer wieder auf Ihren Nachnamen angesprochen – ist ein derart berühmter Name Fluch oder Segen? Wann hat er geholfen? Wann vielleicht aber Druck auf Sie ausgeübt?
Chaplin: Alles hat seine positiven und negativen Seiten. Sie bekommen vielleicht Aufmerksamkeit, aber umgekehrt werden Sie oft auch doppelt so viel kritisiert. Am Anfang hat man einfach weniger Spielraum für Fehler. Es kann auch frustrierend sein, im Schatten von jemandem zu stehen, aber es gibt schlimmere Dinge im Leben. Man muss einfach seine eigene Berufung finden und alles andere ignorieren. Ich persönlich fühle mich sehr glücklich, jemanden so Großartigen zu haben, zu dem ich aufschauen kann, und das hat mich zu vielen Dingen inspiriert.
Gibt es etwas, das Sie ihm gerne sagen würden?
Chaplin: Das ist eine schwierige Frage. (überlegt) Ich würde ihn fragen, was seine schönsten Erinnerungen sind und warum.
Charlie Chaplin ist bis heute eine Ikone der Nächstenliebe – Sie engagieren sich ebenfalls karitativ, vor allem für Frauenrechte in der ganzen Welt. Was hat Sie dazu besonders inspiriert?
Chaplin: Ich hasse Ungerechtigkeit und wenn ich ein bisschen helfen kann, warum nicht? Ich bin eine Frau, die in einem „guten“ Teil der Welt geboren wurde und überall um mich herum Chancen hatte. Es ist herzzerreißend zu wissen, was in manchen Teilen der Welt vor sich geht, und wenn man es einmal weiß, ist es unmöglich, nicht zu helfen.
Sie unterstützen u.a. die Desert Flower Foundation von Waris Dirie – immer noch werden Tausende Frauen täglich genitalverstümmelt. Inwiefern kann die Stiftung helfen und woran fehlt es aus Ihrer Sicht noch an internationaler Unterstützung?
Chaplin: DFF liegt mir sehr am Herzen, denn solange FGM noch praktiziert wird, sind wir weit von Gleichberechtigung entfernt. Die Verstümmelung junger Mädchen ist einfach entsetzlich. Bildung ist der beste Weg, dies zu bekämpfen – und dafür setzt sich die Foundation ein. Bildung ist der Schlüssel, um diesen Familien eine bessere Zukunft zu ermöglichen und den Kreislauf aus Armut, FGM und Verheiratung junger Mädchen zu durchbrechen. Aber leider kommt es immer wieder vor – sogar in Europa – und es ist schwer, dagegen anzukämpfen, weil die Praxis sehr versteckt, geheim und tabu ist. Ich denke, es ist unsere Pflicht, auf der ganzen Welt Licht darauf zu werfen und zu sagen, dass wir alle zusammenstehen, um der Ausübung dieses grauenvollen Rituals, wodurch jährlich viele, viele Mädchen sterben, endlich ein jähes Ende zu setzen.
Abgesehen von Ihrem karitativen Engagement, haben Sie auch ein eigenes, nachhaltiges Beauty-Label. Was war Ihnen wichtig bei der Produktion der Produkte und sind diese auch Ihr Schönheitsgeheimnis?
Chaplin: Tatsächlich ist mein Schönheitsgeheimnis „Bufarma“. Alle Cremes werden aus Büffelmilch hergestellt, die reich an Lipiden ist. Lipide sind Proteine, die für die Haut wichtig sind. Bei „Bufarma“ sind die Produkte außerdem biologisch und die Verpackung nachhaltig. Was mich an dieser Kosmetikmarke so angezogen hat, war, dass es ein neues Produkt ist, das es noch nie zuvor gegeben hat, und dass es meinen Prinzipien entspricht. Und natürlich, dass es sich auf meiner Haut unglaublich gut anfühlt. Ich habe schon viele Produkte in meinem Leben verwendet, aber diese ist bei Weitem meine absolute Lieblingscreme.
Stichwort Beauty: Sie haben viele Jahre als Model gearbeitet – wie wichtig ist Ihnen Ihr Aussehen und was tun Sie dafür?
Chaplin: Klar, ich möchte gut aussehen und mich gut fühlen, aber ich versuche, nicht zu sehr darauf fixiert zu sein. Ich liebe es, Sport zu treiben und Schönheitsbehandlungen zu machen, aber es macht mir nichts aus, wenn ich durch zu viel Lachen eine Falte bekomme. Und ich genieße gerne ein gutes Essen! Das Leben ist kurz und man muss es auch genießen.
Sie sind 42 Jahre alt – viele Frauen über 40 sagen, sie fühlen sich schöner denn je, weil sie über mehr Inner Beauty verfügen. Wie sehen Sie das?
Chaplin: Dem könnte ich nicht mehr zustimmen! (lacht)
Welches Vorbild hat Sie für Ihr Leben am meisten geprägt, würden Sie sagen?
Chaplin: Natürlich mein Großvater, denn er hat bewiesen, dass man alles erreichen kann, wenn man sich etwas vornimmt.
Das ganze Interview finden Sie in der MADONNA-Premium Ausgabe vom 5.10.24