Altern sollte neu gedacht werden, fordert Desirée Nick in ihrem neuen Buch „Der Lack bleibt dran!“. Wir sprachen mit der 63-Jährigen über ihre Best-Ager-Visionen und wie sie die Corona-Krise meistert.
Für ihr unverblümtes Mundwerk ist die Entertainerin über die deutschen Landesgrenzen hinaus bekannt und hat, wie man vielleicht bei „Promis unter Palmen“ feststellen konnte, mit 63 Jahren auch längst noch nicht genug davon, ihren – oft sehr pikanten Senf – abzugeben. Nun hat Desirée Nick ihr neuestes Buch veröffentlicht, in dem sie ein unterhaltsames Plädoyer für das Altern hält – fortgeschrittene Lebensphasen seien gerade für Frauen eine wunderbare Zeit, um sich zu persönlich zu entfalten. Was sie von Altersangaben hält, wie jung sie sich selbst fühlt und was Wodka damit zu tun haben könnte, lesen Sie im MADONNA-Talk.
„Der Lack bleibt dran“ soll ein Anti-Anti-Aging-Buch sein. Haben wir es denn selbst in der Hand, wie alt wir uns fühlen?
Desirée Nick: Absolut. Zumal wir heute doppelt so alt werden wie früher und ab 40 noch 60 glorreiche Jahre vor uns liegen. Die wollen gefüllt sein und dafür hat die Generation der Best Ager gar keinen Plan. Mutter sind wir doch nur 20 Jahre, danach werden wir Golden Girls und sind attraktiver denn je. Schlecht kann es einem auch mit 25 gehen. Niemand will jung sterben, aber keiner will alt sein – da stimmt doch was nicht in unserer Wahrnehmung. Hier setzt mein Buch an.
Sollte man von Altersangaben ablassen?
Nick: Nun ja, ich sage immer, ich bin 39 plus Mehrwertsteuer. Wenn man in Hollywood 35 wird, ist man älter als die meisten Gebäude dort. Leider gibt es für ein ganzes Menschenleben nur zwei Kategorien, nämlich jung und alt. Und ab 30 ist keiner mehr jung. Ich finde, die verschiedenen Altersphasen eines ganzen Menschenlebens sollten so viele Nuancen haben wie die Eskimos für Schnee, nämlich 37. Das alles rührt von mittelalterlichen Zeiten her, in denen man kaum älter werden konnte als 40.
Ab wann ist ein Mensch alt?
Nick: Den Medien zufolge ab 39, numerisch betrachtet ist ab 30 keiner mehr jung. Für viele Frauen endet die Wahrnehmung als attraktive Frau ab 40 und in den Köpfen herrscht das Klischee, dass der 50. Geburtstag eine Katastrophe ist. All dies sind sehr falsche Gedanken, ein sehr schlechter Spirit, der darauf abzielt zu isolieren, zu diskriminieren und letztlich sexistisch ist. Schauen sie sich andererseits die Ikonen von heute an: Meryl Streep. Helen Mirren, Glenn Close, Jane Fonda, Susan Sarandon, Bette Midler, Cher, Judi Dench … Die meisten von denen sind nicht etwa 60, sondern gehen auf die 80 zu und werden mehr denn je gefeiert. Hier ist dringend eine neue Attitüde vonnöten, und diesen Esprit und Geist liefere ich im Instantverfahren mit meinem Buch.
Wie alt sind Sie denn – gefühlt?
Nick: Wenn ich auf der Bühne stehe, bin ich 38, wenn ich mein Leergut zum Altglascontainer schleppe, bin ich 105. Solange die Kerzen auf meiner Geburtstagstorte nicht mehr gekostet haben als der ganze Kuchen, fühle ich mich blutjung.
Hatten Sie also nie ein Problem mit Geburtstagen?
Nick: Doch! Ich trage manchmal kostengünstige Polyesterblusen und ich hatte am 30. Geburtstag echt Angst, dass meine Bluse beim Ausblasen der Kerzen Feuer fängt und in Flammen aufgeht. Bislang bin ich ohne Verbrennungen davongekommen. In unserer Familie sind die Frauen ab 40 konserviert und sehen bis 95 unverändert aus: Dies ist der Vorteil des Typus Marlene Dietrich, das kommt durch die guten Proportionen. Alte Kerle sehen aus der Distanz nur die tollen Beine und den fitten Körper. Man darf natürlich nicht mit der Lupe schauen.
Sie sind eine der gefragtesten Frauen im Showbusiness, und das, obwohl Sie schon im höheren Alter sind und sich in Ihrer Meinung nie zurückgehalten haben. Ein Positivbeispiel, dass es doch geht?
Nick: Hallo, ich bitte Sie, ich bin nach 20 Jahren von Triumphen auf deutschen Bühnen erst ab 45 durch den Dschungel medial bekannt geworden. Das heißt, ich habe in einem Alter losgelegt, in dem viele Kolleginnen abtreten, weil sie als zu alt gelten. Da ich vom Typ her eine Diva bin, ausgestattet mit einem breiten Spektrum künstlerischer Talente, und da ich niemals jemanden kopiert habe, beginnt meine beste Zeit gerade erst. Ich konnte in Ruhe reifen und lege den Beweis ab, wie 60 heutzutage auszusehen hat. Allerdings sind der Kopf und der richtige Spirit das Geheimnis. Nichts stärkt das Immunsystem mehr als ein gesunder Geist.
Haben Sie eigentlich zu allem eine Meinung oder kann es sein, dass Ihnen auch mal was egal ist?
Nick: Also Naturwissenschaft und Technik, Maschinenbau etc. sind für mich schwarze Löcher im Universum. Ich muss ja quasi einen Handwerker bestellen, um eine Glühbirne einzuschrauben. Ich bin eine Inselbegabung, wenn es um Kreativität und Kunst geht, bin ich aber intuitiv immer eine Nasenlänge voraus, und dazu gehört auch das Schreiben. Es geht ja dabei nicht nur darum, was man vermittelt, sondern, wie man es vermittelt. Sich auf der Bühne die Hose runterzuziehen kann Bauerntheater und Karneval sein, aber im richtigen Moment eben doch ganz große Kunst. 40 Jahre Schweiß und Pailletten haben mir in diesen Bereichen traumwandlerische Sicherheit verliehen. Ich atme sozusagen mit dem Publikum, und zwar, ohne mich anzubiedern.
Wie geht es Ihnen denn mit der Krise aktuell? Immerhin gehören Sie theoretisch einer Altersgruppe an, die besonders auf sich achten muss …
Nick: Das ist absoluter, inzwischen lange widerlegter Bullshit. Mein Immunsystem hat mich schließlich Rinderwahn, Vogelgrippe, Schweinepest und die 90er mit HIV überstehen lassen. 3 Schuss Wodka pro Tag kurieren alles. Isoliert habe ich mich sowieso permanent, da ich Bücher schreibe, Rollen lerne und meine Shows selber schreibe, ja sogar in Operetten an Staatstheatern auftrete. Was glauben Sie, wie viel man da im Alleingang erarbeiten muss, wenn man alleine am Flügel sitzt und Koloraturen studiert? Für mich hat sich in dieser Quarantäne nichts geändert, außer, dass die sonstige Hektik wegfällt …
„Der Lack bleibt dran!“ von Desirée Nick ist erschienen bei Gräfe und Unzer und erhältlich um 14,99 Euro.