Der Prozess im Fall Pelicot bewegt die Welt. Im Missbrauchsprozess von Avignon ist der Hauptangeklagte Dominique Pelicot nun der schweren Vergewaltigung schuldig gesprochen und zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Doch Gisèle Pelicot will sich nicht als Opfer zeigen, sondern als starke Überlebende.
"Wir sind alle Gisèle!" Mit diesen und anderen Mitgefühlsbekundungen gingen Frauen zu Tausenden seit Monaten auf Frankreichs Straßen. Sie wollten sich mit der Frau, über die seit Monaten die ganze Welt spricht und den Hut vor ihrer Stärke im Prozess gegen ihren Ehemann zieht, solidarisieren - und ganz so, wie es sich die 72-Jährige wünscht, gegen sexualisierte Gewalt jeglicher Form auflehnen.
Genau dies bezweckte Gisèle Pelicot mit ihren öffentlichen, völlig unscheuen Auftritten rund um das Gerichtsverfahren, dem sich ihr Ex-Ehemann und 50 Mitangeklagte in Avignon stellen mussten. "Die Scham soll die Seite wechseln", so Gisèle Pelicot. Nicht als Opfer dürfe man sich schämen, vielmehr müssen es die Täter tun. Weshalb sie seit Anfang September dem Prozess persönlich beiwohnte - und die Abscheulichkeiten, die ihr über zehn Jahre lang an der Seite des inzwischen als "Monster von Avignon" bezeichneten Mannes widerfahren sein sollen, förmlich erneut durchleben musste.
Alle 51 Täter wurden für schuldig erklärt, der Hauptangeklagte erhielt die Maximalstrafe.
51 Männer schuldig gesprochen
Am Donnerstag zeigte sich der Hauptangeklagte Dominique Pelicot geständig. Er wurde wegen schwerer Vergewaltigung zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er sei in allen Punkten der Anklage schuldig, befanden die Richter. Auch für alle weiteren 50 angeklagten Männer gab es Schuldsprüche.
Gisèle Pelicot vor dem Gerichtsgebäude am Tag des Urteils gegen ihre Peiniger.
Fassungslos machen die Details des Verbrechens. Mit Betäubungsmitteln soll Dominique Pelicot seine Ehefrau jahrelang sediert, selbst brutal missbraucht und anderen Männern zur Vergewaltigung angeboten haben. Tausende Fotos und Videos, die der Franzose machte, zeugen von den abscheulichen Taten. Diese gestand der 72-Jährige übrigens kurz nach Prozessbeginn. "Ich bekenne mich aller Taten schuldig. Ich bin ein Vergewaltiger, genau wie alle anderen, die hier angeklagt sind. Sie wussten alle Bescheid." Er habe seine Frau geliebt, liebe sie immer noch, doch er sei süchtig nach ihr gewesen und habe immer schlimmere Fantasien gehabt. Auch von seiner Tochter und seiner Schwiegertochter soll der Familienvater heimlich intime Fotos gemacht haben.
Die Heldin von Avignon
Öffentlich wurden auch die Beweisaufnahmen im Prozess gezeigt. Wogegen sich die Richter eigentlich vorab entschieden hatten, setzte Gisèle Pelicot selbst durch. Die 72-Jährige bestand darauf, dass alle sehen, was ihr angetan wurde.
Die Bewegung, die Pelicot mit ihrem öffentlichen Umgang mit dem Thema lostrat, wird Geschichte schreiben.
"Sie will nur, dass das alles nicht umsonst war, und sie will, dass diese Debatten es ermöglichen, die Rohheit und den Schrecken einer Vergewaltigung zu sehen", erklärte Gisèles Anwalt Antoine Camus vor Prozessbeginn. Inzwischen gilt seine Mandantin als Symbolfigur im Kampf gegen sexuelle Gewalt. "In Frankreich wurde mehr als jede zweite Frau, 53 Prozent, mindestens einmal in ihrem Leben Opfer sexueller Belästigung oder Übergriffe", so die Demonstrantinnen von Avignon. "Das muss aufhören!" Und genau dafür steht Gisèle Pelicot. "Sie ist eine unvergleichliche Persönlichkeit", beschreibt sie ihr Anwalt. "Eine außergewöhnliche Frau." Wie wahr.