Aktivistin Greta Thunberg hat ihr Leben dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben: Ein neues, ganz persönliches Buch lässt verstehen, wie die Schwedin zu der Hoffnungsgestalt wurde, die sie heute ist.
Das hier ist ein Buch über das Klima, und es muss traurig sein. Das müssen sie aushalten“, erklärt Greta Thunberg ihrem Vater, als er im Familienrat den Wunsch des Verlegers äußert, in Szene 41 weniger schwermütig zu sein. Das besagte Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt der Familie Thunberg-Ernman, eine Annäherung daran, wie das 2003 geborene Mädchen Greta bereits mit jungen Jahren zu einer Ikone des Klimaaktivismus wurde. In dem aktuell erschienenen Buch Szenen eines Herzens schildert Mutter Malena Ernman ganz persönlich das Aufwachsen ihrer beiden Mädchen bis hin zu Gretas erstem Klimastreik, der mittlerweile zur globalen Bewegung wurde. Kritiker behaupten immer wieder, Greta sei von ihren Eltern dazu instrumentalisiert worden, werden dafür attackiert, ein Kind mit der Diagnose Asperger-Syndrom in die Medien und aus der Schule zu drängen. Doch Vater Svante Thunberg hält in einem Interview mit der Financial Times dagegen: Nicht nur sei seine Tochter „eine der Besten“ ihrer Klasse, sie hätten sich als ihre Erziehungsberechtigten sehr wohl auch gegen ihre Streikabsichten gewehrt. Doch da sich Greta das Thema in den Kopf gesetzt habe, wolle man nun damit umgehen. Immerhin hätte es ihr geholfen, ihre Depression zu überwinden.
Überleben. Sehr offen beschreibt Malena Ernman die Zeit, als Greta mit elf Jahre der Krankheit verfällt, dabei eine gravierende Essstörung entwickelt und sie und ihr Mann Svante sich und vor allem ihr nicht wirklich zu helfen wissen. Zahlreiche Arztbesuche bringen die Familie nicht weiter, Gretas Verhalten wird auf „frühe Pubertät“ geschoben. Währenddessen notieren Ernman, wie von einer Ernährungswissenschafterin empfohlen, auf einem großen A3-Blatt in der Küche Gretas Nahrungsprotokoll: 1/3 Banane, 53 Minuten; 5 Gnocchi, 2 Stunden, 10 Minuten. Die Eltern geben nicht auf, recherchieren selbst weiter, ziehen immer neue Spezialisten zur Rate. Irgendwann folgt die Diagnose Asperger – es hilft, das Familienleben wieder in halbwegs geregelte Bahnen zu bringen. Doch Malena Ernman resümiert den harten Weg dorthin sehr nüchtern: „Dass Greta (…) diese Rehabilitierung erhalten hat, verdanken wir vor allem unserem eigenen Kampf, einem Zusammenspiel aus Geduld, Zeit, Glück sowie der Tatsache, dass eine Reihe von Menschen etwas getan haben, was sie nicht durften, aber von dem sie wussten, dass es richtig war. Eine Gesellschaft kann sich nicht auf Glück oder zivilen Ungehorsam verlassen. Die meisten Eltern haben nicht 250.000 Follower in den sozialen Medien. Die meisten Eltern können nicht Vollzeit zu Hause bleiben, ohne sich krankzumelden. Die meisten Eltern verfügen nicht über den notwendigen Status.“
Aufgewacht. Parallel zu ihrer Diagnose sieht Greta eines Tages in der Schule einen Film über die Verschmutzung der Weltmeere. Während die meisten anderen Kinder kurz nach der Stunde ihre Betroffenheit ablegen, kann sie nicht mehr aufhören, zu weinen. Seither gibt es für sie nur noch ein Thema: die Klimakrise. Zu verstehen, dass man etwas dagegen tun könne, gab ihr Kraft, aus der Depression aufzutauchen. Greta überzeugt ihre Eltern dazu ein Elektroauto zu kaufen, auf Tierprodukte und das Fliegen zu verzichten – letztere Bitte zieht einen Schlussstrich unter die internationale Opernkarriere ihrer Mutter. Ein Preis, den sie für die neu gefundene Verve ihrer Tochter mehr als bereit ist zu zahlen, wie Malena Ernman feststellt. Gretas Diagnose ist ein wichtiger Teil ihrer Persönlichkeit, sie selbst bezeichnet ihr Syndrom als „Geschenk“. „Wäre ich normal wie jeder andere, könnte ich auch weitermachen wie jeder andere. Aber ich sehe die Welt aus einer anderen Perspektive, ich sehe die Dinge schwarz und weiß.“ Anders als andere Umweltsprecher glaubt Thunberg nicht an hoffnungsvolle Rezepte auf Veränderung. Die Welt, die sie sieht, ist dunkel, und Greta möchte, dass auch andere das fühlen. „Ich rede oft mit Menschen, die meinen, dass man nicht zu viele negative Dinge sagen kann …, denn nein, wir müssen es so sagen. Denn wenn es keine positiven Dinge zu erzählen gibt, sollen wir dann falsche Hoffnung verbreiten? Wir können das nicht machen, wir müssen die Wahrheit sagen“, erklärt Greta bestimmt in einem Interview.
Offenes Ende. Passend zur 2018 europaweit herrschenden Dürre- und Hitzewelle beginnt die damals 15-Jährige im Sommer vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm ihren Protest. Sowohl ihre Lehrer als auch ihre Eltern kritisieren dieses Verhalten anfangs, doch unterbinden es nicht. Nach und nach berichten Medien über das Mädchen mit dem handgeschriebenen Protestschild, und Greta Thunberg steht bald nicht mehr alleine da. Unter dem Hashtag #FridaysForFuture organisieren sich auch Jugendliche in anderen Ländern. Ohne es zu wollen, steht Greta an der Spitze einer Bewegung, die die Politik aufruft, aufzuwachen und Veränderungen einzuleiten. An ihr liegt es nun, ob die Geschichte wirklich ein trauriges Ende hat.
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Lesestoff. In Co-Autorenschaft mit ihren Eltern und ihrer Schwester Beata erzählt die junge Klimaaktivistin in „Szenen aus dem Herzen“ ihre ganz persönliche Geschichte, die untrennbar mit jener verbunden ist, die auch alle anderen Weltbürger betrifft: jene des Klimawandels. Erfahren Sie, wie Greta erstmals vom Klimawandel hörte und seitdem nicht mehr aufhören konnte, darüber nachzudenken. Sprachgewandt und literarisch anspruchsvoll, aber dennoch leicht verständlich, inspiriert sie darin zu einem nachhaltigeren Leben.