Der Polit-Popstar hatte neben seinen Schattenseiten auch eine Überdosis Charme. Seine Ehefrau Claudia übermittelte uns ein bewegendes Dokument ihrer Liebe. Plus: Die Schwester des Neo-BZÖ-Chefs Stefan Petzner im offenen MADONNA-Interview: „Mein Bruder liebte den Jörg.“
(c) AP Christiane Petzner über ihren Bruder Stefan und Jörg Haider: 'Auf ihre Art und Weise haben sie sich geliebt' (c) APA
In der Nacht zum 11. Oktober ist Jörg Haider mit über 140 Stundenkilometern und 1,8 Promille Alkohol im Blut in den Tod gerast. Ein kompromissloser Tod. So wie sein Leben war. Immer mit dem Fuß auf Vollgas, zu absolutem Risiko bereit, immer am Limit. In der Nacht zum 11. Oktober hat der ewige Grenzgänger dieses Limit überschritten. Er war auf dem Weg zu seiner Familie. Seiner Frau, seinen Töchtern, seiner Schwester. Und zu seiner geliebten Mutter, mit der er den 90. Geburtstag feiern wollte. Er ist nie angekommen...
Denn immer die Frauen haben den umstrittenen Charismatiker besonders geprägt. Auch seine wichtigsten Politfreunde waren Frauen. Er machte Susanne Riess-Passer zur Vizekanzlerin und Parteichefin, Monika Forstinger zur Infrastrukturministerin und Karin Gastinger zur Justizministerin. Und er sorgte auch wieder für ihren Ausstieg. Claudia Haider über ihren Ehemann: ,Der Jörg war meine grosse Liebe‘ (c) APA Doch sie alle haben sich mit dem Polit-Popstar ausgesöhnt. Und so wird Haider – auch posthum – einen wichtigen Platz in ihren Lebenserinnerungen haben.
EHEFRAU CLAUDIA
32 Jahre glücklich
Vor allem aber bei Ehefrau Claudia (52), die dem Kärntner Landesvater 32 Jahre lang die Treue hielt, hinterlässt der Tod eine Wunde, die nie mehr heilen wird. Haiders Ehe basierte auf den Grundfesten von Loyalität und Freundschaft. In diesen war sie unumstößlich. Jörg Haider wusste sich von Ehefrau Claudia, die im Bärental das 1.600 Hektar große Forstgut (Wert ca. 15 Millionen Euro) managte, immer liebevoll unterstützt. Sie machte ihn stark für sein politisches Engagement, dass er – zuletzt im Wahlkampf – mit unerschöpfbarer Energie bewies. Doch die starke Frau an Jörg Haiders Seite wirkte auch nach über 30 Jahren noch verliebt und schaffte es, einen Platz an seiner Seite und nicht im Schatten seiner Omnipräsenz einzunehmen.
Wenige Tage vor der Nationalratswahl gab Claudia Haider MADONNA ein Interview, in dem sie überraschende Details aus ihrer Ehe preisgab. „Ich blicke nur froh und heiter auf die letzten 32 Jahre zurück. Mein Mann hat eine facettenreiche Persönlichkeit, die es schafft, aus den misslichsten Situationen immer wieder aufzustehen. Ich bewundere, dass er immer ohne Gram und Verbitterung den Weg zurück schafft. Jeder Tiefschlag hat ihn für mich als Mann eigentlich noch weicher und attraktiver gemacht. Sein inneres Kind hat ihm die Kraft gegeben, immer wieder hoffnungsfroh in die Zukunft zu schauen“, gab Claudia Haider drei Wochen vor seinem Tod zu Protokoll.
Starkes Team
Und noch eines liebte die ausgebildete Waldpädagogin besonders an dem charismatischen Politiker: Dass er ein Mensch mit Tiefgang war. Nicht oberflächlich, wie man es von Politikern gewöhnt ist – sein Interesse, sagte Claudia Haider zu MADONNA, sei stets echt. „Er kann gut zuhören, weil er wirklich an den Menschen und an dem Leben seines Gegenübers interessiert ist. Unsere Gespräche sind immer sehr intensiv und Jörg ist ein sehr aufmerksamer Zuhörer.“
Bewundernswert, wie zwei Menschen, die in jungen Jahren heirateten – Claudia war 20 und Jörg 26 Jahre alt – auch mit 50+ ein derart harmonisches Team bildeten. Wie genau das Ehepaar Haider funktionierte, beschreibt die Witwe in einer Rede zum 28. Hochzeitstag (die sie uns ungekürzt übermittelte) so: „Rudern zwei ein Boot, der eine kundig der Sterne, der andere kundig der Winde, führt der eine durch die Nacht, führt der andere durch die Stürme und am Ende, ganz am Ende wird das Meer in der Erinnerung blau sein. Möge es gelingen!“
Die Erinnerungen sind es, die Claudia Haider bleiben. Vor allem die ersten Jahre der Ehe schweißten die beiden zusammen. „Unsere Anfangserlebnisse haben mein Leben geprägt, und ich erinnere mich immer wieder gerne“, erzählt Haider. „Ich werde nie das Bild von Jörg vergessen, als unsere erste Tochter zu Welt kam. Die Ärzte schickten ihn wieder zur Arbeit, weil die Geburt noch länger dauern würde. Aber Ulrike hatte es eilig und Jörg kam eigentlich unverschuldet zu spät. Fast zwei Stunden nach der Geburt besuchte er uns mit mindestens 50 roten, langstieligen Rosen. Damals hatten wir noch sehr wenig Geld und der Strauß hat ein Vermögen gekostet. Aber so ist Jörg.“
Haiders Witwe als neue Landesmutter Kärntens?
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SUSANNE RIESS-PASSER
„Wollte geliebt werden“
Auch Susanne Riess-Passer, für deren rasante Polit-Karriere wie den ebenso raschen Ausstieg nach der Knittelfeld-Affäre Jörg Haider gesorgt hatte, betont die emotionale Seite des immer volksnahen Rechtspopulisten. „Jörg war einer, der immer geliebt werden wollte“, beschreibt die Wüstenrot-Chefin gegenüber MADONNA seine Sehnsucht. Obwohl im Bruch auseinander gegangen, haben sich Riess-Passer und Haider ausgesöhnt. „Wir hatten eigentlich immer Kontakt. Noch kurz vor seinem Tod haben wir das letzte Mal miteinander gesprochen“, bestätigt die Ex-Vizekanzlerin tief betroffen.
MONIKA FORSTINGER
„Jörg Haider war Macho-Gehabe fremd“, bescheinigt auch Monika Forstinger, ehemalige glücklose Infrastrukturministerin. „Was Jörg wirklich hatte, war soziale Kompetenz. Er war offenherzig und vielen ein Vorbild. Und er hat in den letzten Jahren dazugewonnen.“
KARIN GASTINGER
Geliebte Gegner
Umso tragischer, dass Jörg Haider wahrscheinlich auf dem Zenit seines politischen Erfolgs selbstverschuldet durch Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit in den Tod raste. „Er hat seinem Gegenüber immer das Gefühl gegeben, ganz bei der Sache und zu 100 Prozent interessiert zu sein“, streut Karin Gastinger (Justizministerin von 2004–2006) dem verstorbenen BZÖ-Gründer Rosen. „Jörg hat nicht die Ja-Sager – wie viele meinen – um sich versammelt. Er hat vor allem jene geschätzt, die ihm Kontra gegeben haben.“ Heute erfolgreich als Unternehmensberaterin tätig, hat Gastinger vor allem eines am kompromisslosen Polit-Strategen bewundert. „Jörg war nie nachtragend und nie beleidigt.“ Eine Tugend, die er auch bei Parteifreunden – wiewohl Polit-Gegnern – voraussetzte.
URSULA HAUBNER
Volksnah, beliebt
Unermüdlich bis zum Tod war der Polit-Popstar um Volksnähe bemüht. Zeit mit der Familie war ein rares Gut. Ironie des Schicksals vielleicht, dass er justament auf der Fahrt zum Geburtstagsfest seiner Mutter Dorothea tödlich verunglückte. „Dieser jähe Tod ist nach wie vor unfassbar“, versucht BZÖ-Landesobfrau Ursula Haubner das Unaussprechliche in Worte zu fassen. „Mein Bruder war ein wundervoller Mensch.“ Zusatz: „Was ihn von anderen Politikern unterscheidet: Er wurde von vielen Menschen geliebt.“
Und so ist Jörg Haiders Tod einmal mehr Metapher seines Lebens: Er starb auf der Überholspur. Den Mut zum absoluten Risiko im Gepäck.