Kaffee ist nicht mehr, was er einmal war: Nach einer Karriere als wichtiges Grundnahrungsmittel und Luxusgut für die Elite fristet das Heißgetränk mittlerweile einen Platz als unauffälliger Alltagsbegleiter. Kaffeekränzchen als gesellschaftliches Ereignis oder die Freizeitbeschäftigung stundenlanger Kaffeehaus-Besuche gehören der Vergangenheit an.
Stattdessen hat sich laut Roman Sandgruber vom Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Johannes Kepler Universität in Linz der Pappbecher zum Mitnehmen etabliert und die Konkurrenz durch Energydrinks nimmt zu. Vor Jahrzehnten hat das koffeinhaltige Bohnengetränk das Leben der Menschen noch maßgeblich beeinflusst: Im 18. Jahrhundert machte Kaffee Alkohol die Stellung streitig und verdrängte diesen vom Frühstückstisch, erklärte Sandgruber. In einem Linzer Internat wurde den Zöglingen laut historischen Dokumenten beispielsweise ein Seiterl kredenzt.
Als Nahrungsmittel hat Kaffee seinen Siegeszug aber schon vor etlichen Jahren beendet: Erzeugnisse aus Malz galten neben Kartoffeln und Branntwein als das Hauptnahrungsmittel der Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert. "Diese Art Kaffee war ja weniger ein Genussmittel", so Sandgruber. Getrunken wurde die Brühe mit viel Milch aber auch pur und somit ohne Nährwert. "Aber das hat Hungergefühl überdeckt", erklärte der Universitätsprofessor.
"Eine Tasse fegt körperliche Müdigkeit weg und sorgt für einen klaren Kopf" - Dieser Leitsatz verschaffte dem Koffein-Lieferanten ein Image als "Getränk der Intellektuellen", das unter diesem Motto noch heute gerne bei Sitzungen konsumiert wird. "Kaffee hat diese Zuschreibung noch immer", so Sandgruber. "Dieser Diskurs ist heute aber nicht mehr ganz so präsent." Die anregende Wirkung sei im 17. und 18. Jahrhundert noch stärker betont worden als heute und machte Kaffee zu einem Statussymbol der Städter und der gehobenen Schicht. Als belebendes Elixier würden sich nun Energydrinks mit dem Ruf, jung und dynamisch zu sein, immer mehr durchsetzen.
Das gesellschaftliche Kaffee-Trinken selbst hat laut Sandgruber zwei Entwicklungsstränge: Besuche im Kaffeehaus und das Kaffee-Kränzchen zu Hause, beide erfüllten vor allem eine Kommunikations- und Repräsentationsfunktion. "Das ist heutzutage nicht mehr vorhanden", betonte Sandgruber. Im häuslichen Bereich werde Kaffee hauptsächlich zum Frühstück getrunken oder rasch zwischendurch und ohne Gesellschaft. In der Öffentlichkeit habe sich der Espresso mit dazugehöriger Kaffeebar - auch als Zeichen der Hektik der Zeit - etabliert.
"Es ist schwer abzuschätzen, was als neue Konkurrenz noch auftauchen wird", so Sandgruber über eine mögliche Zukunftsrolle für das Traditions-Getränk. "Wer hat vor 20 Jahren gedacht, dass es Energydrinks geben wird?" Hoffnungsschimmer für den Kaffee: Österreich gilt mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 8 Kilo oder 160 Liter nach wie vor als Land der Kaffeeliebhaber. So werden die Österreicher auch den Tag des Kaffees am ersten Oktober mit einem Tässchen Kaffee begehen.