Endspurt

Kamala Harris: So soll der Wahlsieg noch gelingen

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Der Countdown zur US-Präsidentschaftswahl am 5. November läuft und der Druck auf Kamala Harris erhöht sich. Wie sie jetzt – um weibliche und junge – Stimmen kämpft.

„Plötzlich staatsfrauisch“ titelte die „Süddeutsche Zeitung“ letzte Woche als „Vogue“ ganz stolz das neue Digital-Cover präsentierte. Darauf zu sehen: Kamala Harris, von – der einst gerne mutigen – Star-Fotografin Annie Leibovitz und unter der Ägide von „Vogue“-Chefin Anna Wintour betont konservativ inszeniert und mit dem Titel „Vice President“ versehen. Dabei geht es für die 59-Jährige Noch-Vize von Joe Biden (81) dieser Tage doch um hehre Ziele. Die Powerlady, die letzten Sonntag ihren 60. Geburtstag feierte, will am 5. November gegen Donald Trump (78) siegen – und damit die Weichen für eine „bessere Zukunft der USA und damit der Welt“ stellen.

Sieg für Harris?

...sagt zumindest der als „Nostradamus der US-Wahlen“ bezeichnete Historiker Allan Lichtman voraus. Der 77-jährige „Polit-Prophet“ errechnet seit Jahrzehnten mittels seiner „13 Schlüssel zum Weißen Haus“ die Siegeschancen von Präsidentschaftskandidaten – und lag damit beachtenswerte neun von zehn Mal richtig. „Die Nomination von Harris wirkte sich positiv auf zwei Schlüssel aus“, erklärt Lichtman im „NZZ“-Interview. „Mit Harris im Rennen müssen die Wähler sich nicht mehr zwischen zwei alten weißen Männern entscheiden.“ Dass es auch in diesem Wahlkampf wieder eine sogenannte „Oktober-Überraschung“, sprich eine durch etwaige Skandale geprägte Wende im Endspurt gibt, lässt Lichtman keinen Millimeter von seiner Berechnung und der Siegesprognose für Harris abrücken: „Die Oktober-Überraschung ist einer der großen Mythen in der amerikanischen politischen Analyse. Was im Oktober passiert, hat meine Prognose noch nie verändert. Meine Vorhersagen zeichnen das große Bild. Meine Schlüssel basieren auf der Geschichte und sind sehr zuverlässig. Ich spreche nicht mit dem Allmächtigen oder einer Glaskugel.“

Vollgas gibt Kamala Harris noch in diesen letzten beiden Wochen vor der Präsidentschaftswahl.   

Vollgas gibt Kamala Harris noch in diesen letzten beiden Wochen vor der Präsidentschaftswahl.   

© Getty Images
× Vollgas gibt Kamala Harris noch in diesen letzten beiden Wochen vor der Präsidentschaftswahl.   

„Sein Wort in Gottes Ohr“, wird Kamala dieser Tage wohl denken – schließlich sind die Umfrageergebnisse der letzten Woche nicht unbedingt erfreulich, konnte Trump nun doch wieder aufholen. Und: ausgerechnet aus Österreich hagelte es Plagiatsvorwürfe. Der Wiener Kommunikationswissenschaftler Stefan Weber sorgte mit seinem Vorwurf, Harris habe in ihrem 2009 erschienenen Buch „Smart on Crime“ mehrere abgekupferte Passagen verwendet, für Schlagzeilen. Die Präsidentschaftskandidatin gibt sich freilich dennoch gewohnt cool – und setzt voll Power zum Endspurt in der spannendsten Entscheidung ihres Lebens an.

Gen Z im Fokus

Entscheidend könnten hierbei die 41 Millionen Mitglieder der US-amerikanischen Generation Z, sprich ab 1995 geborene Wahlberechtigte, sein. Und an diese appelliert Kamala Harris zusammen mit ihrem Team seit Wochen via Social Media. Auf Instagram richtete Harris‘ Team für die junge Wählerschicht neben Kamalas offiziellem Vice President-Account extra einen eigenen Kanal unter dem Usernamen „kamalahhq“ ein – und auch auf Tiktok ist die Demokratin freilich unterwegs.

 

@kamalahq

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Junge Frauen hat insbesondere Podcasterin Alexandra Cooper zur Zielgruppe. Die 30-jährige Powerlady lädt seit 2021 auf Spotify regelmäßig zu ihrem Erfolgstalk „Call Her Daddy“. Einen Jahresumsatz von rund 20 Millionen Dollar und den „Time Magazine“-Titel „erfolgreichste Frau in der Podcast-Welt“ bescheren ihr die offenherzigen Gespräche mit Stars wie Kate Hudson, Katy Perry, Paris Hilton & Co. – vor allem zum Thema Sex und Dating. Umso mehr überraschte kürzlich die Ankündigung, dass Kamala Harris in ihrem Kampf um das höchste Amt im Staate im Studio der frechen Blondine im Hoody Platz nehmen wird. „Ich habe lange überlegt, ob ich einem politischen Interview hier Raum geben möchte“, erklärte Alex Cooper am Anfang der Sendung. Denn aus der Politik halte sie sich sonst lieber heraus. In diesem Fall jedoch wollte die Top-Influencerin – wenig überraschend – eine Ausnahme machen: „Mein Ziel heute ist nicht, eure politische Zugehörigkeit zu ändern. Ich hoffe, dass ihr einem Gespräch zuhören könnt, das sich nicht allzu sehr von den Gesprächen unterscheidet, die wir hier jede Woche führen“, so Cooper, die jedoch letztlich einige Fans ihrer amüsanten Bettgespräche enttäuschen musste. Denn Kamala Harris kam zwar, talkte sympathisch mit ihr – blieb aber naturgemäß bei ernsten Frauenthemen, wie ihre klare Haltung zum Thema Abtreibungsgesetz.

 

 

Swing State-Talk

Dass die Präsidentschaftskandidatin – neben vielen anderen Plattformen wie den traditionellen Interviews bei CNN und „60 Minutes“ bei CBS – „Call Her Daddy“ für Wahlwerbung nutzte, verdankte Cooper einem Drittel ihrer Zuhörer:innen. Diese stammen nämlich aus dem Süden der USA und somit jenem Gebiet mit den in den Wahlen so wichtigen Swing States. „Ich denke, gerade jetzt ist ein Moment im Land und im Leben, in dem die Menschen wirklich wissen wollen, dass sie gesehen und gehört werden und dass sie Teil einer Gemeinschaft sind, dass sie da draußen nicht allein sind“, sagt Kamala Harris, die sich im Gespräch mit Alex Cooper zweifelsohne etwas persönlicher als sonst zeigen wollte – ohne dabei die Grenzen für konservative Wähler:innen zu überschreiten.

Ebendiese dürfte man mit dem eingangs erwähnten „Vogue“-Digital-Cover erreichen wollen. Während Kamala vor drei Jahren als frischgekürte Vizepräsidentin noch lässig in Jeans und Turnschuhen auf dem Cover der Stilbibel ihrer Freude Ausdruck verlieh – sitzt sie nun betont ordentlich vor einer burgunderfarbenen Tapete mit goldenen Sternchen. Ihr Gesicht wurde von Annie Leibovitz so weichgezeichnet, dass Filter-Kritik nicht lange auf sich warten ließ. Die Unterzeile „The Candidate for Our Times“, „Die Kandidatin unserer Zeit“, zum Foto so unpassend wie das verzwickte Lachen, das man von Kamala Harris nur dann zu erwarten hat, wenn Allan Lichtman am 5. November nicht Recht behält.

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