Herausforderung für die Psyche

Selbst-Isolation: Wie man mit Ängsten umgehen kann

10.04.2020

Auch wenn häusliche Isolation bei der Eindämmung der Corona-Ausbreitung förderlich ist, bleibt sie für viele nicht ohne psychische Konsequenzen. Wie man mit aufkeimenden Ängsten umgehen kann und wie es Österreichs
Singles derzeit geht.  

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Die Corona-Krise mit all ihren Konsequenzen bereitet wohl den meisten Menschen derzeit in irgendeiner Form Sorgen und Ängste. Angst vor der Krankheit selbst, Angst vor der Ungewissheit, Angst vor der Einsamkeit in der Selbst-Isolation, Angst vor der Zeit nach der Pandemie, und, und, und. Doch wie kann man damit umgehen, ohne darin zu vergehen?       

Splendid Isolation
Menschen würden auf unterschiedlichste Art und Weise mit diesen Ängsten fertig werden, wie Psychotherapeutin Johanna Böhm-Schöller im MADONNA-Gespräch erklärt. So gebe es zum Beispiel auch diese Gruppe, für die der soziale Druck zuvor ohnehin groß war, und die es als anstrengend erlebt haben, Kontakte zu halten, weshalb sie im Home­office nun sogar Gefühle wie „große Erleichterung“ erleben könnten. „Daheim bleiben, selber kochen in einer im günstigen Fall schönen großen Wohnung mit Balkon und Garten kann nun durchaus als Privileg genossen werden, im Sinne einer ‚Splendid Isolation‘.“ Diese Menschen hätten keine allzu großen Ängste, was die Zukunft betrifft. Im Gegensatz dazu gäbe es aber sehr wohl viele andere, die massiv unter den Corona-bedingten Einschränkungen leiden würden.   

Isolierte Singles
Allen voran natürlich jene, die alleine leben. So kann die Situation gerade für Alleinstehende sehr belastend sein.  Wer Single ist,  hat derzeit nicht die Möglichkeit, neue Menschen Face-to-Face kennenzulernen, oder wer am Kontakten interessiert ist, ist dabei vornehmlich auf den virtuellen Raum oder telefonischen Austausch beschränkt.  Die Dating-App Jaumo veröffentlichte vergangene Woche die Ergebnisse einer Befragung, die besagt, dass bis zu 47 Prozent der österreichischen Singles in der ersten Isolations-Woche tatsächlich ihre Verabredungen vertagten und zu Hause blieben. Jaumo verzeichnete bei den Österreicherinnen auch eine starke Zurückhaltung beim Küssen: Vom 22. März auf den 23. März stieg die Anzahl derjenigen, die bereits aufs Küssen verzichteten, von 33 Prozent auf 60 Prozent. Auch bei den Männern war ein deutlicher Sprung zu beobachten (23 Prozent auf 36 Prozent). Darüber hinaus verzichteten im Untersuchungszeitraum zwischen dem 17. und dem 24. März durchschnittlich 32 Prozent der Männer und 53 Prozent Frauen aufgrund des Coronavirus auf intime Kontakte. „Es ist spannend, wie Singles mit der neuen Situation umgehen. (...) Möglicherweise weicht auch ein Teil der User auf digitale Begegnungen aus, beispielsweise Videochats oder ein klassisches Telefonat. Überdauert ein solcher Flirt die Corona-Krise, schafft man ganz besondere Erinnerungen, über die man beim ersten Date im ‚analogen‘ Leben reden und lachen kann“, resümierte Jaumo-CEO Jens Kammerer die Erhebung. 

Traumatisch
Doch abgesehen von den Singles, gibt es eine weitere Gruppe, die laut Psychotherapeutin Johanna Böhm-Schöller von belastender Einsamkeit geprägt sein kann, nämlich jene der Älteren und die der durch Vorerkrankungen definierten Risikogruppe. So würden ältere Menschen möglicherweise „an Zeiten mit massiven Einschränkungen erinnert“, weiters könnte es eventuell zu einer „Retraumatisierung“, ergo einem „erneuten Auftreten eines belastenden Erlebens aus der Vergangenheit“ kommen. Johanna Böhm-Schöller: „So schildert etwa eine ältere Dame , dass Erinnerungen an das Jahr 1945 hochkommen, wenn sie Fotos sieht, die eine ‚Menschenschlange‘ vor der Apotheke zeigen. Damals gab es Lebensmittelmarken und sie musste ständig anstehen, um Essen kaufen zu können.“ Selbstverständlich seien auch hier die Bewältigungsmechanismen von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Jene, die auch schon vor der Krise technisch auf dem neuesten Stand waren, genießen es vielleicht per Social Media, mit ihren Liebsten verbunden sein zu können. Diejenigen, die aber zum Beispiel auf Pensionistenklubs  oder ähnliches angewiesen waren, um Gesellschaft zu haben, hätten es nun besonders schwer. In erster Linie müsse man sich aber bewusst werden, dass „Ängste vor allem in dieser Krisenzeit jetzt normal sind und auch da sein dürfen“. Dementsprechend solle man nicht dagegen ankämpfen, sondern diese viel mehr „annehmen. Wir sind nicht verrückt oder falsch, sondern die Welt ist nicht mehr so, wie sie gerade vor einigen Wochen war“, so Böhm-Schöller. Ebenfalls wichtig sei es, laut Böhm-Schöller, nun pro Tag „nicht zu viele Informationen aufzunehmen, weil diese unsere Ängste verstärken könnten“. Weitere Tipps der Psychotherapeutin, um mit der aktuellen Situation zurechtzukommen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Bewusst atmen
Eine Übung, die Böhm-Schöller ihren Klienten gern nahelegt, funktioniert wie folgt: Suchen Sie sich einen ruhigen Platz, setzen Sie sich hin und schließen Sie die Augen. Legen Sie die Hände auf die Oberschenkel oder nehmen Sie die Schmetterlingshaltung ein, denn es ist wichtig, auch physisch mit seinem Körper in Kontakt zu sein. Konzentrieren Sie sich auf den Atem. Atmen Sie ein und wieder aus – visualisieren Sie dies wie bei Ebbe und Flut. Lassen Sie die Angst zu und atmen Sie ein. Halten Sie kurz inne, bewerten Sie Ihre Gefühle nicht und atmen Sie wieder aus.

In Kontakt bleiben

Kontakt mit anderen Menschen zu halten, ist gerade in einer solchen Krise sehr wichtig, wie die Psychotherapeutin erklärt. Dies könne man über neue Medien, aber auch ganz „oldschool“ über das Telefon machen. Führen Sie sich darüber hinaus auch die positiven Auswirkungen des Shutdowns vor Augen: das Klima, die Natur und die Tiere kommen zur Ruhe und auch man selber kann es sich eventuell gemütlich machen, ein gutes Buch lesen, abschalten und die Stille genießen lernen.

Gehen Sie an die frische Luft!
Wichtig ist, wie Johanna Böhm-Schöller erklärt, dass man auch weiterhin nach draußen geht. „Das Spazierengehen ist erlaubt und sehr wichtig, denn draußen werden Sie spüren, was Sie rasch aus dem Fokus verlieren, wenn Sie verängstigt drinnen sitzen. Viele Menschen laufen jetzt vermehrt an der frischen Luft am Morgen. Das Leben ist schön und lebenswert, ja auch jetzt!“

Psychotherapeutin Mag. Johanna Böhm-Schöller diente uns in dieser Story als Expertin. Infos zu ihrem therapeutischen Angebot finden Sie unter boehm-schoeller.at.

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