Berührender Talk
Sie verlor ihre Familie
01.09.2009Im März 2008 raste ein Zug in den Bus, in dem ihr Mann und ihre Kinder saßen. In MADONNA spricht Barbara Pachl-Eberhart über ihren Abschied vom „alten Leben“ – und erstmals über ihr neues Leben mit TV-Star Ulrich Reinthaller.
Was Barbara Pachl-Eberhart (35) vor 15 Monaten widerfuhr, ist der Albtraum
jeder Mutter, jeder Ehefrau, jedes Menschen. Am 20. März 2008 raste ein Zug
in den Kleinbus des in der Künstlerszene als Clown bekannten Helmut „Heli“
Eberhart. Der 38-Jährige war sofort tot. Die beiden Kinder, Thimo (†6) und
Valentina, genannt Fini (†2), die ebenfalls in dem bunten Wagen saßen,
erlagen in den darauf folgenden Tagen ihren Verletzungen.
Lebensmut
Barbara
Pachl-Eberhart hat trotzdem ihr Lächeln nicht verloren, hat den Schmerz
„zumindest im Griff“. Dass die Wienerin vor wenigen Monaten den Schritt in
eine neue Beziehung, mit TV-Star Ulrich Reinthaller (44), wagte, hat wohl so
manchen irritiert, viele jedoch von Herzen gefreut. Im tief berührenden
Gespräch mit MADONNA erzählt die Künstlerin, die für die Roten Nasen als
Clown arbeitet – zurzeit schreibt sie an einem Buch –, erstmals von ihrem
neuen Glück. Sie spricht von der Kunst, den Glauben nicht zu verlieren, und
über ihre Gedanken, wieder Kinder zu bekommen.
Wie
geht es Ihnen heute?
Barbara Pachl-Eberhart: Sagen wir so:
Ich lasse es mir so gut gehen, wie es nur geht. Ich lebe in einer
wunderbaren Partnerschaft. Es ist Frühling, und ich habe das Gefühl, dass
sich jetzt, nach einem Jahr, die Dinge langsam zu setzen beginnen, nach
einer Phase, in der alles aufgewühlt war. Zwischendurch hat mein Hirn wie
wahnsinnig gearbeitet, bis der Kopf „Aus“ sagte. Das war eine sehr
überraschende und schmerzhafte Erfahrung.
Man spricht
ja von einem „Trauerjahr“, in dem man verschiedene Phasen durchlebt
Pachl-Eberhart:
Ich glaube, dass man Trauer nicht in Jahren bemessen kann. Wenn man über
Aufarbeitung und Trauerarbeit spricht, ist für mich vielleicht erst das
Jahr, das jetzt begonnen hat, mein „Trauerjahr“. Das erste war für mich eher
ein „Jahr des Schocks“. Alles ist neu, alle Gefühle, jeder Schritt. Ich
hatte manchmal das Gefühl, mir, dieser Frau, die gerade noch Mann und Kinder
hatte, von außen zuzusehen. Erst nach und nach wurde mir bewusst, was all
das für mein Leben bedeutet. Nach einer Umstrukturierung im Innen und im
Außen habe ich zu einem Punkt gefunden, an dem ich wieder ganz bewusst
Verantwortung übernehmen will – für dieses unfreiwillig neue Leben, das mir
auch wunderbare, neue Chancen bietet. „Dein neues Leben“ – zuerst wollte ich
diesen Begriff nicht hören. Jetzt beginnt er, Realität zu werden.
Eine
traurige, aber wohl auch schöne Entwicklung
Pachl-Eberhart: Ich
tu’ mir immer schwer, Situationen zu bewerten. Die Zeit, in denen ich meine
Kinder im Spital bis zu ihrem Tod begleitet habe, war rückblickend gesehen
eine der schönsten Erfahrungen in meinem Leben. Dass ich bei diesen reinen
Geschöpfen, die da irgendwo zwischen Himmel und Erde waren, sein und so viel
Liebe empfinden durfte. Nichts anderes zählte mehr. Nichts. Das war wirklich
schön, neben all dem Schmerz.
Haben Sie in diesen
Stunden nie Ihren Glauben verloren?
Pachl-Eberhart: Nein.
Es war eher andersrum. Durch den Unfall wurde ich in meinem Glauben
bestärkt, dass es da viel mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als wir uns
vorstellen können, und dass man vertrauen darf in größere Zusammenhänge, die
wir oft erst viel später oder erst nach unserem Tod verstehen. Als ich mein
Online-Tagebuch verfasst habe, in dem ich die Verabschiedung von meiner
Familie beschrieben habe, haben mir die Reaktionen darauf klargemacht, dass
dieser Text, der durch mich geschrieben werden wollte, anderen die Augen
über das Leben, seine Werte und was wirklich zählt, öffnen sollte. Wenn man
sich irgendjemanden aussuchen müsste, der so etwas zu verkraften hat und
darüber auch noch sprechen soll, dann wurde ich vielleicht ganz gut
ausgewählt. Ich habe schon immer Situationen gern so akzeptiert, wie sie
sind, und habe nicht zuletzt durch meine Arbeit gelernt, alles auch von
seiner ungewöhnlichen Seite zu betrachten. Sogar den Unfall selbst könnte
man auch so beschreiben: Ein Clown fährt mit einem großen Knall direkt in
den Himmel. Und ich höre meinen Mann heute oft noch lachen und sagen „Hey,
cool! Jetzt bin ich da oben! Nehmt es doch nicht so tragisch!“
Haben
Sie an Unbeschwertheit verloren oder gewonnen?
Pachl-Eberhart: Ich
habe vielleicht nicht mehr die naive Einstellung, die etwa meine zweijährige
Tochter hatte: Ich gehe fröhlich durch die Welt, und nichts Schlimmes wird
mir je geschehen. Was ich aber gewonnen habe, ist eine unglaubliche
Wertschätzung für alles, was da ist. Ich lache vielleicht nicht mehr über
jeden Blödsinn, aber wenn ich heute lachen kann, dann bin ich dafür umso
dankbarer.
Gab es Menschen, die Ihnen Ihre Fröhlichkeit
manchmal sogar vorgeworfen haben?
Pachl-Eberhart: Die
Leute, mit denen ich in engem Kontakt bin, haben jeden Schritt mitgekriegt,
die guten und die schlechten Zeiten. Aber es gibt auch Menschen, die mich
lange nicht gesehen haben. Für sie ist es vielleicht schwieriger, meinen Weg
nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass meine Tränen meist dann kommen, wenn ich
alleine bin. Jemandem, dem Schlimmes widerfahren ist, will man helfen, für
ihn da sein, wenn er weint. Ich hatte das Gefühl, viele fast enttäuscht zu
haben, weil ich in ihrem Beisein nicht weinte.
Wie oft
weinen Sie heute?
Pachl-Eberhart: Gestern habe ich
geweint. Ich habe die Tränen als Freunde akzeptiert, weil sie mich durch
Entwicklungsschritte begleiten und mir zeigen, an welchen Punkten ich noch
nicht „fertig“ bin.
Sie leben nun in einer
neuen Partnerschaft. Wie schwer war es, sich wieder zu verlieben?
Pachl-Eberhart:
Irgendetwas in mir hat sich schon bald auf die Möglichkeit, eine
neue Beziehung einzugehen, vorbereitet. Zunächst aus dem Wunsch heraus,
wieder Kinder zu haben. Und auch, weil ich dachte, ich schaffe es nicht,
alleine zurechtzukommen. Ich habe nach dem Unfall viele Briefe an Heli
geschrieben und auch dieses Thema nicht ausgelassen: „Heli, es tut mir leid,
aber ich bin noch auf der Erde, und irgendwann werde ich wieder einen
Partner brauchen
“ Aber gleichzeitig dachte ich: Niemand kann meinen Mann
ersetzen! Dann hat mir eine Freundin Ulrich vorgestellt, und nun darf ich
erfahren, dass mir in dieser neuen Partnerschaft tausendmal mehr geschenkt
wird, als ich jemals noch zu hoffen wagte.
Stellte Sie die
neue Liebe nicht vor eine Gewissensfrage?
Pachl-Eberhart: Da
muss man klären: Wem gegenüber wäre ein schlechtes Gewissen angebracht?
Meinem Mann gegenüber, der sich auf seiner Wolke bestimmt nichts mehr
wünscht, als dass ich glücklich bin? Oder Leuten gegenüber, die bestimmte
Vorstellungen haben, wie „man“ sich zu verhalten hat nach einer Tragödie,
die sie – hoffentlich – nie erleben müssen? Bei mir ist es oft so, dass ich
zuerst Dinge tue, die mir richtig erscheinen, und dann erst darüber
nachdenke (lacht). Konkret haben Ulrich und ich nach unserem Kennenlernen
drei wundervolle Tage miteinander verbracht, und danach hatte ich eine
schlaflose Nacht. Nicht aus schlechtem Gewissen, sondern weil meine selbst
gebaute Sicht der Dinge ins Wanken kam. Weil ich dachte: Ich habe doch eine
Familie! Die ist zwar unsichtbar, aber sie ist da. Und jetzt ist da noch ein
Mann! Mir wurde klar, das geht nur, wenn sich das Dreieck schließt und auch
Ulrich Heli auf seine Art liebt. Und irgendwie hat das funktioniert, ganz
von selbst.
Sie sagten, Sie hätten gerne wieder Kinder. Wie
schnell kann der Wunsch konkret werden?
Pachl-Eberhart: Ich
bin mir bewusst, dass mein Kinderwunsch zum Teil aus dem Impuls entsteht:
„Ich will das wiederhaben, was ich hatte!“ Das könnte problematisch sein für
ein Kind, das sicher nicht als Stellvertreter für seine verstorbenen
Geschwister herhalten soll. Ich muss schauen, aus welchem Grund ich wirklich
ein Kind will. Jetzt ein Baby zu bekommen, wäre eine tolle Abkürzung auf der
Suche nach dem Sinn des Lebens, eine schöne Aufgabe, von der ich schon weiß,
dass ich sie gut meistern kann. Aber welche Aufgaben habe ich sonst? Diese
Frage bringt mich zurzeit an den Punkt, mich beruflich zu erweitern.
Momentan ist das Buch, an dem ich schreibe, mein nächstes „Kind“, das mir
sehr am Herzen liegt.
Am 10. Mai ist Muttertag. Ein
schwerer Tag für Sie?
Pachl-Eberhart: Es waren ja
schon ein paar solcher Jahrestage, und bei mir war das immer antizyklisch.
Der Heilige Abend war kein Problem. Dann kam Silvester, und es hat mich
„zusammengeprackt“. Oder zu Ostern stellte mir ein Freund ein Nesterl auf
den Tisch, und es war vorbei. Ich war Ostereier einkaufen für die Kinder,
als ich den Anruf bekam, dass meine Familie verunglückt ist
Was
kann Sie noch erschüttern?
Pachl-Eberhart: Mir ist
die Fähigkeit, zu fühlen, nicht abhandengekommen. Aber vor dem Unfall hatte
ich manchmal ein vages Angstgefühl: Ich habe so viel Glück, das kann sich
nicht für ein ganzes Leben ausgehen, da kommt noch etwas. Jetzt ist es
gekommen. Und ich habe überlebt. Deshalb: Ja, ich lasse mich erschüttern,
lasse mich bewegen. Aber ich habe keine Angst mehr.