Über Rassismuskritik und ihren Debütroman
Skandal-Kabarettistin Lisa Eckhart im Interview
21.08.2020
Provokation ist ihr Geschäft – doch wer Lisa Eckhart reine Polarisierung unterstellt, tut der 27-Jährigen schwer Unrecht. Die Künstlerin im Talk über ihren fulminanten Familienroman und den aktuellen Auftrittsskandal.
Lisa Eckharts schlechteste und zugleich beste Eigenschaft als Kabarettistin ist, dass ihr Tun und Schaffen für Irritationen sorgt. Kaum ein Kabarettist, kaum eine Kabarettistin bewegt sich in ihren Pointen auf so schmalem Grade und bietet diese gleichzeitig in so elaborierter Sprache und Manier dar. Ihr extravaganter Look sucht ihresgleichen, ihr Selbstbewusstsein erst recht. Während Eckhart, die eigentlich Lasselsberger mit Nachnamen heißt, mit schwärzestem Humor, den die österreichische Zyniker-Natur jemals hervorgebracht hat, Gott und die Welt entblößt, passt es nur ins Bild, dass sie schon in ihrer Universitätszeit ein Faible für den Teufel, genauer Goethes Mephisto, an den Tag legte. Eckharts eigentliches Element scheint ganz wie die des literarischen Teufels „alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt“. So kam die gebürtige Leobenerin im Frühjahr diesen Jahres in Verruf, als sie den Weinstein-Skandal mit vermeintlich antisemitischen Untertönen garnierte. Und erst letzte Woche wurde die 27-Jährige, die der Poetry-Slam-Community entsprungen ist, von einem Hamburger Literaturfestival ausgeladen, bei dem sie aus ihrem Debütroman „Omama“ lesen sollte. Begründung der Veranstalter: Es soll im Vorfeld Drohungen des „Schwarzen Blocks“ gegenüber der Künstlerin gegeben haben. Als die Debatte unter dem Stichwort „Cancel Culture“ hochkochte, viele Stimmen sich gegen, aber noch viel mehr für Eckhart aussprachen, ruderte die Festival-Organisation zurück, erklärte die Drohungen lediglich zu Warnungen, und bot Eckhart erneut eine Auftrittsmöglichkeit – diesmal jedoch online. Die Künstlerin lehnte – wenig verwunderlich – ab.
Nachgefragt. Warum die sonst so auf Brisanz pochende Künstlerin auf diesen Skandal gut und gerne verzichtet hätte, sie die Rassismusvorwürfe teilweise tatsächlich für berechtigt erklärt und was für sie eine gute Geschichte ausmacht, lesen Sie im MADONNA-Talk.
Kommt Ihnen der Skandal, der in der letzten Woche um die Ausladung Ihrer Person vom „Harbour Front“ und pünktlich zur Veröffentlichung des Buches entstanden ist, eventuell in irgendeiner Form gelegen?
Lisa Eckhart: Für die Buchverkäufe definitiv, mich persönlich freut es nicht. Ich hätte lieber, dass sich der Roman aufgrund des Romans verkauft. Und ich hätte zwar gerne, dass das, was ich mache, als brisant erachtet wird, aber nicht aus den falschen Gründen.
Ist das „Harbour Front“ als Festival jetzt in Ihrem Ansehen gesunken?
Eckhart: Das Festival hat in meinem Ansehen nie existiert. Ich möchte es aber auch nicht kleinreden, doch es war eine gewisse Feigheit, die ich ihnen jetzt zum zweiten Mal ersparen wollte. Deswegen habe ich abgesagt. Sie sind vor einem digitalen Mob eingeknickt, der gegen mich war, ich möchte aber auch nicht, dass sie, aufgrund eines digitalen Mobs, der für mich ist, wieder einknicken. So nett die mediale Fürsprache auch war, die dann folgte. Aber die ganze Aktion zeugt von wenig Rückgrat, wodurch ich letztlich gar nicht weiß, was denn nun die Einstellung der Festivalorganisatoren wirklich ist. Daher sage ich, lassen wir es lieber sein, bewahrt euch doch ein bisschen Würde und bitte ladet mich nicht noch mal ein.
Sie sind in der Branche nicht unumstritten, weil es in Ihren Programmen und nun auch im Buch eigentlich keine Gruppierung gibt, der sie keine scharfzüngige, oder wie viele meinen, auch grenzwertige Pointe widmen – könnte man das als Eckhart’sche Version von Inklusion beschreiben?
Eckhart: In der Tat. Natürlich hinterfragt man sich selbst kritisch. Und eines der ersten Dinge war, eine Liste anzufertigen, der Ethnien, die ich in meinen Programmen erwähnt habe. Dabei bin ich draufgekommen – und da wäre es völlig okay, wenn man mir Rassismus unterstellt –, ich habe jemals weder skandinavische noch baltische Staaten erwähnt. Wer mir unterstellt, dass ich diese Nationen als des Kabaretts nicht würdig erachte – ich verspreche dem alsbald nachzukommen.
Können Sie uns sagen, wie es zu „Omama“ kam und inwiefern sich der Prozess unterscheidet, für die Bühne oder eben das Buch zu schreiben?
Eckhart: Geschrieben habe ich zwei Sommer lang, weil es sich für mich nicht mit dem Auftreten vereinbaren lässt. Multitasking liegt mir fern, ich kann weder Lesen und Schreiben gleichzeitig, noch Auftreten und Schreiben. Deswegen musste ich das auf die Sommer beschränken, aber da schrieb ich pausenlos. Ich bin zum Glück von Hobbys verschont und konnte mich rein im Schreiben ergehen. Das war für mich eine große Erfüllung, weil es weitaus leichter von der Hand geht, als für die Bühne zu schreiben. Ich muss diese Texte nicht inkarnieren, nichts davon muss immediat verstanden werden. Auf der Bühne muss alles eine Prét-â-porter-Botschaft enthalten, weil mir das Publikum sonst davonläuft. Und zu Recht. Im Kabarett verdient man ein Ad-hoc-Verständnis. Da kann man sich nicht fünf Minuten um den Verstand interpretieren, wenn ich schon zehn Pointen weiter bin. Beim Buch konnte ich mich völlig zurücknehmen, habe keine Rolle mehr gespielt, ich war höchstens diese zehn Finger. Obwohl ich gestehe, ich schreibe mit zweien.
„Omama“ von Lisa Eckhart ist erschienen im Zsolnay Verlag und erhältlich um 24,70 Euro.
Haben Sie den Roman während des Schreibens auch mal umgekrempelt, oder ihn tatsächlich so verfasst, wie er auch veröffentlich wurde?
Eckhart: Jeder, der das Buch gelesen hat, weiß, dass es kein Krimi ist, bei dem es am Ende eine Auflösung gibt. Es ist schon sehr fragmentarisch, was jetzt nicht meiner mangelnden Unzurechnungsfähigkeit oder meiner mangelnden Konzentration zuzuschreiben ist – (hält inne) oder vielleicht doch? Ich bin als Leser nämlich sehr schnell gelangweilt, deswegen kann ich einer Geschichte nur schwer folgen und wollte das auch dem Leser nicht zumuten, sondern eher einen Bastard aus Geschichte, kleinen Essays und Sprachspielereien erschaffen.
Was macht eine gute Geschichte für Sie aus?
Eckhart: Möglichst viel Sprache, möglichst wenig Leben. Deswegen lese ich keine Romane, weil mir immer zu viel Leben in den Figuren, in der Geschichte ist. Wenn ich leben will, geh ich raus, da lese ich keine Bücher. Ich konnte mich noch nie in Figuren hineinversetzen. Ich wollte immer die Welt fliehen, aber nicht in eine zweite, sondern einfach nur weg. Als ich jung war, war Harry Potter populär und ich habe es versucht, es aber nicht geschafft, darin einen Reiz zu sehen. Mein Harry Potter, den ich als Jugendliche noch halbwegs genossen habe, war „Zögling Törleß“ von Musil. Der spielt auch in einem Internat, aber da gab’s statt Zauberstäben immer nur den Rohrstock. So soll ein Jugendbuch sein. Da taucht selbst der grantigste Frotz dankbar wieder in die Realität auf, weil das Buch weit schlimmer ist, als seine ach so schreckliche Jugend.
Bei „Omama“ bewegen wir uns auch zwischen Fiktion und Wahrheit, aber wie ging es denn der Großmutter damit, dass Sie Ihr ein Buch gewidmet haben?
Eckhart: Ich glaube, dass die Großmutter bis zu diesen Tagen nicht damit gerechnet hat, dass dieser Roman wirklich gedruckt wird. Großmutter hält von dem Konzept Literatur sehr wenig. Meine Großmutter ist skeptisch gegenüber Romanen, die auf wahren Begebenheiten beruhen, es erzürnt sie, weil es ihr, wie auch mir anfangs, wie ein Plagiat der Realität erscheint. Da denkt man sich schon mal – was ist jetzt deine Arbeit Autor, lass dir doch was einfallen. Sie ist aber genauso empört von rein erfundenen Geschichten, weil sie sich dann fragt, wo der Weltbezug ist. Was den Roman betrifft, sind es weder die realen Begebenheiten, noch die fiktionalen Elemente, die sie mir übel nehmen könnte, sondern wenn ich ihr halbes, viertel, achtel Leben – wir wissen ja nicht, wie viel drinnensteckt (schmunzelt) – zu einem Ladenhüter machen würde. Insofern hat die Leserschaft sehr viel in der Hand. Ihre Kaufkraft entscheidet über das Schicksal unserer schon 27 Jahre alten, bislang sehr guten Beziehung.
Können Sie sich vorstellen, dass das Buch irgendwann mal verfilmt wird? Beim Lesen kam schon mal die eine oder andere Schalko-Assoziation auf …
Eckhart: Mir kam auch der Gedanke, dass es dem Schalko gefallen könnte. Ich würde es auch sofort wollen. Das Einzige, worauf ich bestehen würde, wäre selbst ein bisschen beim Soundtrack mitreden zu können. Weil ich bei gewissen Szenen schon sehr die Musik hab nebenher laufen lassen. Die Paris-Szenen, die Russland-Szenen, das war für mich schon alles sehr musikalisch. Ganz abgesehen vom Titel, der natürlich nicht nur eine Hommage an die meine, sondern auch an die „Omama“ vom Ludwig Hirsch ist.
Ist die Musik ein wesentlicher Bestandteil Ihres kreativen Schaffens oder auch generell Ihres Alltags?
Eckhart: Definitiv, obgleich ich ein musikalisches Untalent bin. Das wurde mir in der Schule von den Klavier- und Schlagzeuglehrern attestiert, dass sie noch nie jemanden mit so wenig Taktgefühl erlebt haben, was amüsant ist, weil mir das Kritiker heute in einem anderen Kontext auch unterstellen würden. Was aber nicht bedeutet, dass es für mich nicht sehr wichtig ist. Ich würde mich nur auf der Bühne niemals musikalisch betätigen, da ich kein Verfechter des öffentlichen Dilettantismus bin.
Julia Lewandowski