Auf die Emos und VSCO-Girls folgen die Soft-Girls. Sie sind niedlich und rosa, benutzen TikTok und Glitzer. Ein oberflächlicher Jugendtrend? Oder steckt da mehr dahinter?
Sie tragen Pastellfarben, meistens rosa. Ihre Nägel sind pink lackiert, die Wangen zieren ein zartes Rouge. Sie duften nach Pfirsich oder Vanille und ihre Haare fallen wie ein langer, blonder, brauner, welliger oder glatter Wasserfall den Rücken hinab. Verspielte Schmetterlingsspangen zieren die Haarpracht, auf den bauchfreien Shirts stehen Wörter wie „Angel“ oder „Honey.“ Spielerisch bewegen sich die jungen Frauen im Online-Universum, wischen durch TikTok und skippen durch Instagram-Stories: Die Soft-Girls, ein neuer Jugendtrend, ist da.
Von Emo über Vsco, hin zu E-Boys
Jugendtrends sind so flüchtig wie ein TikTok-Video, so schnelllebig wie eine Instagram-Story. Der dicke Eyeliner und die melancholisch-traurige Musik der Emos sind wohl jedem bekannt. Die VSCO-Girls, waren der erste Teenager-Hype, der sich rasant über die sozialen Medien verbreitete. Sie verschreiben sich ganz bestimmten optischen Codes, tragen Vans und Birkenstocks und manchmal auch Crocs. Ironisch natürlich. Männliches Pendant dazu sind die E-Boys, sie skaten und erinnern ein bisschen an die Boys von „Tokio Hotel“. Bei all diesen Jugendkulturen geht es darum, sich einer Identität zugehörig zu fühlen, diese zu gestalten und auf den Sozialen Medien zu inszenieren.
Was sind Soft Girls?
Das Urbandictionary beschreibt neu entstandene, englische Slang-Wörter. Den neuen Jugendtrend definiert das Lexikon wie folgt: „ „Ein Soft-Girl liebt Haarspangen und Haarbänder, süße Halsketten und Pfirsiche. Sie lieben rosa Rouge, sind außerdem süchtig nach Lipgloss und malen gern Herzchen oder Wolken in ihr Gesicht. Ihre Kleidung ist oft super-oversized, weil sie das noch kleiner und niedlicher erscheinen lässt."
Natürlich kann jedes Mädchen ganz ungezwungen den Hashtag #softgirls verwenden. Wie bei jedem Jugendtrend sind auch hier die Grenzen fließend. Jede kann ein Soft Girl sein! Die oft negative und abwertende Verwendung des Begriffs „Softie“ wird hier umgedreht. „Soft“ steht für süß und liebenswert und bezieht sich auf all die Dinge, die landläufig auch als „kindisch“ oder „altersunpassend“ bezeichnet werden. Das Soft Girl liebt Dinge, die – stereotypisch gesehen – kleine Mädchen gut finden: Kuscheltiere und Zeichentrickfiguren, niedliche Accessoires, Herzchen und Haarspangen.
Girlie-Trend
Süß wie Zuckerwatte, lieb wie eine Zeichentrickserie. Schmetterlingshaarspangen haben die meisten wohl zuletzt in der Grundschule getragen. Damals sammelten wir ja auch noch Diddl-Blätter und hatten Lipgloss, der nach Erdbeer-Vanille duftete. Die Soft Girls unserer Zeit gehören der Generation Z an. Sie jonglieren parallel verschiedenste Social Media Accounts und sind in der Welt von TikTok und Co zu Hause. Berühmtes Vorbild ist unter anderem die Sängerin Ariana Grande.
Challenge
Wer auf Social Media nur ein bisschen bewandert ist, weiß: Challenges sind das große Ding. Auch die Soft Girls machen davor nicht halt, seit einer Weile läuft auf TikTok die #softgirlchallenge mit Millionen von Beiträgen. Die Zuschauer sind in Transformationsvideos live dabei wie sich Mädchen von einem melancholischen Emo in ein gut gelauntes und pinkes Soft-Girl verwandelt.
Online ist nicht gleich offline
Jeans und Shirt im Alltag, pinker Rock und Schmetterlinge auf Instagram. Spannend an dem Soft-Girl-Trend ist, dass es eine Kluft zwischen den Personen gibt. Im „echten“ Leben, in der Offline-Welt sind es meist ganz normale Mädchen, die sich dem Mainstream entsprechend kleiden und schminken. Auf Instagram und TikTok sieht die Sache jedoch ganz anderes aus. Der rosarote Lipgloss-Charakter ist wie eine Kunstfigur, die mit anderen Kunstfiguren in dieser Parallelwelt der Zuckerwatte und Schmetterlinge in einen Dialog tritt.
Mehr als nur süß
Was auf den ersten Blick aber wieder wie eine Realitätsflucht in eine schmetterlingsbevölkerte rosarote Welt aussieht, ist jedoch viel mehr. Die Soft Girls spielen mit diesen Klischees. Süß wirkenden, kleinen Mädchen traut man(n) nichts zu. Die Soft Girls parodieren und übertreiben weiblichen Stereotype: lange Haare, Lipgloss, pinkes Kleidchen, lächeln immer vor sich hin und erheben niemals die Stimme.
Die Mädchen der Generation Z experimentieren mit ihrem Aussehen und ihrer Persönlichkeit und stellen weibliche Stereotype überspitzt dar.
Rosa Emanzipation
Vielleicht findet dadurch ja eine Art Emanzipation statt. Die Soft Girls zeigen auf, wie sehr das Schubladen-Denken immer noch in unseren Köpfen verhaftet ist. Frauen in Machtpositionen tragen Hosenanzüge und Blazer, um in ihrer Kleiderwahl an die Männer in Anzügen heranzukommen. Über Generationen hinweg wurde Frauen ein Faible für Rosa zugeschrieben. Sie wurden wegen ihrer Röcke und Accessoires belächelt und nicht ernst genommen. Soft Girls zeigen: Frauen können alles sein. Rosa gekleidet und intelligent; Selbstbewusstsein und Schmetterlingsspangen, Bildung, Pfirsichrouge und Lipgloss gehen Hand in Hand.
Protest oder Trend?
Steht dahinter also ein feministisches Manifest? Ist es eine Bewegung oder ein Trend? Rennen die Soft Girls blind einer Masse hinterher oder steckt wirklich ein Gedanke dahinter? Ist es ein Protest? Oder einfach nur hübsch anzusehen? Darauf gibt es keine Antwort. Und so bleibt jeder Einzelne etwas ratlos zurück und schämt sich, wie sehr er doch immer noch in oberflächlichen (rosarot und babyblau) Stereotypen denkt…
© Getty Images
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