Mein perfekter Tag
Wieder alltägliche Sorgen teilen
01.09.2009"Geschafft"! Wer mit diesem Resümee ein kulinarisches Abenteuer in derMole West am Neusiedlersee beendet, gefährdet sich selbst.
- sollte dieseNachricht bis in die Küche vordringen.
Widerwillig und mit einem Ausdruck der Verachtung schob sie den Teller beiseite. Jeder Biss ein Würgen. Sabine, meine beste Freundin und mein 40. Geburtstag. Wir wechselten zu Rotwein, hüllten uns in Decken, genossen den maritimen Geruch des Wassers, den der Wind an Land wehte und waren glücklich. Bis tief in die Nacht plauderten wir über alltägliche Sorgen, von Schule, Zahnspangen und Kinderbetreuung, nichtsahnend dass dies das letzte schöne Ereignis für ungewisse Zeit war.
Ein Monat später schleppte ich sie durch die Gänge des AKH. Ebene für Ebene. Jede gleicht der anderen, unterscheiden sich nur durch die Bilder an den Wänden und den verschiedenen Gesichtern beim Empfang diverser Ambulanzen. Dreieinhalb Wochen später waren wir nach zahlreichen Untersuchungen und histologischen Befunden um eine niederschmetternde Diagnose weiser und sämtlicher künftiger Illusionen beraubt. Magenkrebs.
Es macht keinen Sinn die folgenden Monate der Chemotherapie zu erläutern. Man muß Zeuge sein, um nachvollziehen zu können, was diese aggressive Chemie mit dem Körper anstellt, die ihn gnadenlos aufbäumen läßt um ihn dann wieder in Apathie fallen zu lassen.
Was blieb sind Erinnerungen an Gespräche in der Endlosschleife, die keine Lösung liefern konnten.
"Er zerschneidet sie", dachte ich, während der Chirurg mit seinen Zeigefingern zwanzig Zentimeter zeigte, je zwei Schnitte die er setzen mußte um Magen, Teile der Speiseröhre und des Zwerchfells und die Milz zu entfernen. Mit angehockten Beinen saß sie im Krankenbett, während der Arzt auf einem Blatt Papier skizzierte. Sie unterschrieb.
So bedacht die Worte des Chirurgen auch gewählt waren, die Brutalität des Inhaltes konnten sie nicht lindern.
Ich fühlte mich wie Blei. Wir waren wieder alleine. Angst hatte den Raum eingenommen. Eine Angst, erdrückend und allmächtig, die mit dem Mediziner gekommen war, allerdings das Zimmer nicht mehr verlassen hatte.
Ich schaute in ihr Gesicht. Tränen rollten unaufhörlich über ihre Wangen und ich weinte mit...
Weihnachten war anders, aber Weinnachten war. Wie im Spiegelbild der Jahreszeiten veränderte sich ihr körperlicher Zustand nach der Operation. Mit dem Auszug des Winters ließen die Schmerzen nach, ihre Haare begannen, wie die Knospen an den Bäumen, wieder zu wachsen. Mit den Sonnenstrahlen kehrte auch Lachen in ihr Gesicht zurück.
Ein perfekter Tag? Wenn wir es wieder ins Kino schaffen, uns am Fußballplatz die Seele aus dem Leib schreien, zu spät am Elternabend eintreffen,... wenn...wir wieder ganz alltägliche Sorgen teilen können.