Jubiläum einer Revolution

Sexuelle Befreiung auf Rezept

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Vor 50 Jahren wurde die Pille erfunden. Prominente Frauen verraten, wie sie ihr Leben veränderte.

Ich werde diese Zeit nie vergessen“, erzählt Chris Lohner (67) über das Jahr 1960. „Als wir hörten, dass es nun endlich eine sichere Verhütungsmethode geben soll, war das nahezu unglaublich für uns alle. Es war ganz ähnlich wie bei der Mondlandung neun Jahre später.“ 17 Jahre jung war Lohner, später Model, TV-Ikone, Autorin und Schauspielerin, als am 18. August 1960 mit „Envoid“ die erste Antibaby-Pille in Amerika auf den Markt gebracht – und damit das Leben von Frauen für immer verändert wurde. Wenige Monate später war in Europa die wesentlich geringer dosierte „Anovlar“ erhältlich. „Die Pille hat wahrhaft eine sexuelle Revolution eingeleitet und einen ganz wesentlichen Beitrag zu einem selbstbestimmten Leben der Frauen geleistet“, so Lohner, der Bühnen-Star Dagmar Koller (71) und Schauspielerin Christine Schuberth (66) nur beipflichten können. Auch sie erlebten die – durchaus umstrittene – Einführung des ersten oral einzunehmenden Hormonpräparats, das von dem österreichischen Forscher Ludwig Haberland erfunden wurde (bereits 1919 bewies der Innsbrucker, dass eine Verhütung mittels Hormonen möglich ist!). „Die Pille damals war natürlich ein ziemlicher Hormonbomber“, erklärt die Grazer Gynäkologin Dr. Monika Schaffer die medizinischen Bedenken, die – abseits von ethischen Diskussionen – damals oft geäußert wurden. „Daher hatte das Präparat damals recht starke Nebenwirkungen.“ Bühnen-Star Chris Lohner (sie ist zurzeit mit „Nein! Ich will keinen Seniorenteller“ im Wiener Metropol zu sehen): „Ich habe die Pille zum Beispiel damals nicht vertragen. Heute wäre das ganz bestimmt anders.“

Vielfalt
Jahrzehntelanger, intensiver Forschung ist es zu verdanken, dass die heute angebotenen Produkte besser verträglich sind denn je. „Es gibt über 50 Antibabypillen“, so Expertin Dr. Monika Schaffer, „sodass nahezu jede Frau das für sie am besten geeignete Produkt finden kann.“ Ob Microgynon, Gynovin, Yaz, Yasmin, Neogynon,... – die Palette an Antibabypillen ist vielfältiger denn je. „Und“, so Schaffer weiter, „heute hat die Pille längst nicht mehr nur den Effekt der Verhütung – man kann aus der Einnahme auch Zusatznutzen ziehen, wie etwa eine Verbesserung der Haut oder zum Beispiel eine Verminderung der Symptome prämenstrueller Depressionen.“

Befürworter & Kritiker
Freilich gibt es nicht nur Befürworter der Pille als Verhütungsmethode. Immer wieder wird heftig darüber diskutiert, ob dieses Hormonpräparat krebsfördernd wirken könnte. „Es gibt Studien, die solche Ergebnisse aufweisen – aber genau so viele Studien, dass kein Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und der Einnahme der Pille besteht“, kontert Gynäkologin Dr. Monika Schaffer. „Ich bin der Meinung, dass es wesentlich schädlicher für den Körper ist, fett zu essen oder keine Bewegung zu machen.“ Zudem werde laufend an der Verbesserung der Produkte gearbeitet. „Im letzten Jahr wurde etwa die erste Pille mit einem Östrogen, das im weiblichen Körper auch auf natürliche Weise vorkommt, auf den Markt gebracht – mit einem völlig neuen Dosierungsschema.“ Dabei werden dem Körper bei der Einnahme innerhalb von 4 Wochen, angepasst an den natürlichen Zyklus der Frau, 28 Tabletten in vier unterschiedlichen, aber immer möglichst geringen Hormondosierungen zugeführt. „Ich freue mich für die Frauen, dass die Entwicklung schon so weit fortgeschritten ist, dass wirklich niemand mehr bangen muss, ungewollt schwanger zu werden“, stellt Dagmar Koller fest. Man könnte auch sagen: ein kleiner Schritt für Ludwig Haberland, aber ein großer für die Frauenwelt.

So verhüten Österreichs Frauen

Verhütung Österreich Frauen Graphik
© MADONNA

Der Großteil jener Frauen, die aktiv verhüten, haben sich für die Antibaby-Pille entschieden. „Weil es die einfachste und sicherste Methode ist“, erklärt Dr. Monika Schaffer.

 

Gynäkologin Dr. Monika Schaffer im Talk: "Pille ist mehr als nur Verhütung."

Frau Dr. Schaffer, wieso hat die Pille das Leben der Frauen tatsächlich revolutioniert?
Dr. Monika Schaffer
: Zum einen, weil Frauen erstmals die Möglichkeit bekommen haben, selbst zu entscheiden, wann und ob sie Kinder bekommen möchten – und so ein viel selbstbestimmteres Sexualleben möglich war. Andererseits aber auch, weil Frauen durch die Pille ein neues Körperbewusstsein bekommen haben. Allein schon, weil sie regelmäßig zum Arzt gingen.

Wie groß ist der Unterschied zwischen der Pille von damals und den Produkten von heute?
Dr. Schaffer:
Das Prinzip, dass es durch das Gelbkörperhormon nicht zum Eisprung kommt, ist gleich geblieben. Aber die Dosis hat sich natürlich stark reduziert und  man hat auch neue Gelbkörperhormone entwickelt. Deshalb sind die Pillen von heute sehr gut verträglich und man kann sie auch gezielt einsetzen, sodass Frauen auch andere Benefits, wie etwa die Verbesserung von Haut und Haar, haben.  

Es gibt heute über 50 Pillen am Markt – wie findet frau das für sie am besten geeignete Produkt?
Dr. Schaffer:
Indem sie sie ausprobiert. Als Ärztin schaue ich mir die Patientin ganz genau an und danach entscheide ich, welche am besten zu ihr passen könnte. Deshalb ist es auch ganz, ganz wichtig, dass die Voraussetzung zur Verschreibung der Pille eine Untersuchung ist.

Wie entwicklungsfähig ist die Pille von heute noch?
Dr. Schaffer: Es wird natürlich laufend weiter geforscht. Im letzten Jahr etwa wurde die erste Pille mit einem naturidenten Östrogen entwickelt. Wieder eine tolle Errungenschaft.

Für welche Frauen ist dieses Produkt am besten geeignet?
Dr. Schaffer:
Ich verschreibe die „Qlaira“ gerne jungen Mädchen, die noch nicht sehr lange die Mens­truation haben. Aber auch Frauen über vierzig, da man von dieser Pille später gut zur Hormonersatztherapie überleiten kann. Aber natürlich muss man, wie bei jedem Produkt, schauen, wie gut es die Patientin verträgt.



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