Besserer Sex

Tipps der Sex-Expertin: So bleibt die Langzeitbeziehung sexy

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Dass Sex in Langzeitpartnerschaften in den Hintergrund gerät, ist völlig normal. Sex-Expertin Emily Nagoski verrät in ihrem brandneuen Buch, worauf es im Bett nach vielen Jahren wirklich ankommt.  

Haben Sie sich auch schonmal gefragt, ob Sex eigentlich wirklich so, so, so wichtig ist? Ob es okay ist, über längere Zeit hinweg auch mal keine Lust zu haben? Und ob Sie in Ihrer langjährigen Partnerschaft wohl generell genug Sex haben? Vor allem jetzt, wo die Stimmung an den lauen Sommerabenden doch besonders ausgelassen ist... Die amerikanische Sexualpädagogin und -wissenschaftlerin Emily Nagoski hat folgende wichtige und durchaus beruhigende Erkenntnis: „Weniger ist mehr! In der Liebe zählt nicht, wie oft wir Sex haben. Vielmehr geht es darum, wie sehr wir den Sex, den wir haben, in vollen Zügen genießen können.“

Den Druck rausnehmen. Zu hohe Erwartungen, Druck und Pflichtgefühle in puncto Zwei- oder Mehrsamkeit seien jedoch insbesondere in langjährigen Beziehungen Gang und Gäbe. „Die meisten Paare haben irgendwann Mühe, ihre sexuelle Beziehung befriedigend aufrechtzuerhalten. Ratschläge zum Thema Sex sind allerdings oft nicht hilfreich und von Annahmen, veralteten gesellschaftlichen Normen, Konventionen und Erwartungen geprägt, die uns im Grunde nur schaden.“ In ihrem brandneuen Buch „Kommt zusammen! Die Kunst (und Wissenschaft) sexuell erfüllter Beziehungen“, das in deutscher Sprache am 2. September 2024 erscheint, betont die Sexualtherapeutin daher: „Das meiste, was uns über Sex beigebracht wurde, ist falsch.“ Wie befreiend, (ent-)spannend und im positiven Sinne herausfordernd zugleich, finden Sie nicht auch?

Für Sie haben wir schon vorab einen Blick ins Buch geworfen und nachgeforscht, wie Ihr Sexualleben auch nach vielen Jahren glücklich, erfüllt und vor allem frei und entspannt bleibt.

No Pressure: Zeit miteinander ist genauso wichtig!

No Pressure: Zeit miteinander ist genauso wichtig!

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× No Pressure: Zeit miteinander ist genauso wichtig!

Was zählt, ist das Vergnügen

Das Wichtigste gleich zu Beginn: Sex muss nicht auf eine bestimmte Art und Weise oder in einer bestimmten Häufigkeit stattfinden, um befriedigend zu sein. Nagoski rät Paaren: „Stellen Sie das Vergnügen am Sex in den Mittelpunkt, statt sich ständig Gedanken darüber zu machen, ob Sie sich genug danach sehnen oder es oft genug miteinander tun.“

Ihre Aufgabe als Paar besteht darin, Wege zu erkunden, um einen gemeinsamen Kontext zu erschaffen – ein gemeinsames Leben, eine Verbindung, einen Seelenzustand, eine Form des Zusammenseins –, der Vergnügen und in weiterer Folge Begehren leicht zugänglich macht. Die Kernfragen: Was machen Sie und Ihre Langzeitbeziehung in der Zeit, die Sie zusammen verbringen möchten? Was bringt Sie einander näher? Was schafft Verbundenheit? Was entspannt Sie beide? Nigoski: „Auch wenn es sich dabei nicht um sexuelles Begehren per se handelt, wie wir es gewohnt sind, geht es um Interesse aneinander, um Zweisamkeit. Das ist der Nährboden für ein nachhaltig erfülltes Sexleben.“ Zu wissen, was in einem selbst und im Partner Vergnügen und Begehren auslöst, ist demnach ein wesentlicher Bestandteil zum Aufbau einer befriedigenden sexuellen Verbindung, die das Zeug dazu hat, Jahrzehnte zu halten.

Nicht immer Lust zu haben, ist völlig okay

Ob Sex nun als wichtig oder unwichtig empfunden wird, ist übrigens höchst individuell. Niemand ist krank oder dysfunktional, wenn Sex für sie oder ihn mehr Last als Lust ist, genauso wie niemand krank oder dysfunktional ist, wenn sie oder er Sex tagein, tagaus als absolut wichtig empfindet. Fakt ist jedoch: Niemand wird sterben, erkranken oder sich verletzen, wenn sie oder er keinen Sex hat. Und glühende Dauerbegierde existiert sowieso nur am Anfang einer Beziehung.

Nagoski betont: „Egal ob Sex wichtig erscheint oder nicht – ein Tag hat nun einmal nur vierundzwanzig Stunden und eine Woche lediglich sieben Tage. Keiner bekommt mehr. Und in dieser Zeit haben wir eine Menge zu erledigen. Und vielleicht, Gott bewahre, wollen wir einfach auch mal ein bisschen fernsehen oder einen Mittagsschlaf halten, anstatt Sex zu haben. Das ist okay.“

Der Nährboden für erfüllten Sex: gemeinsame schöne Momente, die Nähe schaffen. 

Der Nährboden für erfüllten Sex: gemeinsame schöne Momente, die Nähe schaffen. 

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× Der Nährboden für erfüllten Sex: gemeinsame schöne Momente, die Nähe schaffen. 

Wissen, warum Sie Sex wollen

Interessant zu ergründen ist übrigens generell auch, warum wir Menschen überhaupt Sex haben. Schon klar, manche von uns möchten sich fortpflanzen, wünschen und erhoffen sich aber natürlich ganz viel mehr vom Sex. Die Frage, die insbesondere in langjährigen Partnerschaften relevant ist: Was wollen Sie, wenn Sie Sex mit Ihrem Partner wollen?

Nagoski hilft auf die Sprünge: „Die Antwort lautet grundsätzlich nicht ‚einen Orgasmus‘. Wenn Sie einen Orgasmus wollen, dann gönnen Sie sich einen. Das kriegen Sie allein hin. Aber was wollen Sie, wenn Sie Sex mit der Partnerperson haben wollen, mit der Sie auf absehbare Zeit eine sexuelle Verbindung aufrechterhalten möchten?“ Fragen, die bei der Antwortfindung helfen können, sind etwa: Was am Sex mit dieser anderen Person motiviert und inspiriert Sie? Was gibt Ihre Partnerperson Ihnen, wenn sie Ihnen erotische Aufmerksamkeit schenkt? Was bekommen Sie, wenn sie berührt werden? Was die meisten Menschen wollen, wenn sie Sex miteinander haben, lässt sich laut Nagoski unter „The Big Four“ zusammenfassen: Verbindung, gemeinsames Vergnügen, begehrt werden und Freiheit.

Den Grundriss des eigenen Empfindens kennen

Um sexuelle Lust zu empfinden, ist es auch ganz besonders wichtig, sich mit den eigenen, oft tiefliegenden Bedürfnissen und Emotionen auseinanderzusetzen. Der Grund, warum wir uns in Langzeitbeziehungen im Alltag manchmal nicht zu Sex „aufraffen“ können, ist nämlich oft nicht die mangelnde Lust am Sex an sich. Es sind die vielen To-dos, die wir zu erledigen, die Rollen, die wir zu erfüllen und die Erwartungen, denen wir, wie wir glauben, zu entsprechen haben, die uns den Zugang zu erotischem Empfinden und Lust verwehren. Erschöpfung, Stress, vielleicht sogar Depressionen, Ängste oder unterdrückte Wut kennen wir im Alltag wohl alle zur Genüge. Dann ist es kein Wunder, wenn Sie keinen Sex wollen.

Emily Nagoski schreibt: „Um mich zu befreien, habe ich gelernt, einen ‚Grundriss meines Empfindens‘ zu zeichnen. So verstehe ich, wie ich von dort, wo ich mich befinde – körperlich erschöpft, besorgt, frustriert – in einen Zustand mit Lust auf Sex kommen kann.“

Die psychologisch-wissenschaftliche Grundlage dafür ist, dass unser emotionales Gehirn über vergnügungsfreundliche – Lust, Spiel, Suche und Zuwendung – sowie vergnügungsfeindliche Bereiche – Panik/Kummer, Furcht und Wut – verfügt. Abgesehen von diesen Emotionsbereichen verfügen wir auch über unseren denkenden Geist, unseren Körper und die beobachtende Distanz, also die weise, achtsame Gepflogenheit, einen Schritt beiseitezutreten, um unser inneres Erleben zu betrachten. Für Paare in einer längerfristigen sexuellen Beziehung ist es von essenzieller Bedeutung, ihre Emotionsbereiche zu verstehen. Sie sollten wissen, woran sie erkennen, in welchem emotionalen Bereich sie sich gerade befinden, was sie in den jeweiligen Bereich hinein- oder aus ihm heraustreibt und wie sie zu jedem dieser Bereiche stehen.

Fragen, die behilflich sein können: Wie fühlen sich vergnügungsfreundliche bzw. -feindliche Bereiche an? Was zieht Sie hinein? Was vertreibt Sie bzw. holt Sie wieder heraus? Wie können Sie wissen, in welchem Bereich sich Ihr Partner gerade befindet? Und wie können Sie effektiv miteinander kommunizieren, um einander entsprechend zu unterstützen, wenn sich einer von Ihnen (über längere Zeit hinweg) in einem vergnügungsfeindlichen Bereich befindet, – wichtig – ohne dabei selbst hineinzukippen?

Feuerwerk der Gefühle: Beim erfüllten Sex in Langzeitbeziehungen steht das Vergnügen, nicht die Häufigkeit im Mittelpunkt.

Feuerwerk der Gefühle: Beim erfüllten Sex in Langzeitbeziehungen steht das Vergnügen, nicht die Häufigkeit im Mittelpunkt.

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× Feuerwerk der Gefühle: Beim erfüllten Sex in Langzeitbeziehungen steht das Vergnügen, nicht die Häufigkeit im Mittelpunkt.

Vertrauen und Freude haben

Gerade wenn es um Beziehungen und Sex geht, wachsen viele von uns mit der Überzeugung auf, dass „normal“ der Zugang zu „perfekt“ ist und dass „perfekt“ erstrebenswert ist. Zugleich wissen wir jedoch alle, dass wir niemals perfekt sein können. Und abgesehen davon: Wer hat eigentlich das Recht, zu definieren, was „normaler“ oder „perfekter“ Sex ist? Dennoch vergleichen wir uns mit anderen, nehmen uns Bewertungen oft zu sehr zu Herzen und optimieren uns und unsere Körper ständig selbst. Das Problem ist allerdings, dass dabei oft Selbstvertrauen, Vertrauen und Freude am Sex verloren gehen. Diese Qualitäten sind jedoch essenzielle Bestandteile einer positiven Einstellung zu Sex.

Vertrauen bedeutet in diesem Zusammenhang zu wissen, was in Bezug auf Ihren Körper, Ihre Sexualität, Ihre Beziehung, Ihre Lebensgeschichte und Kultur für Sie selbst wahr und damit individuell gut und richtig ist. „Freude ist der schwierigere Teil, denn es bedeutet zu lieben, was in Bezug auf all die genannten Aspekte wirklich wahr ist. Und zwar selbst dann, wenn es nicht dem entspricht, was man Ihnen als wahr oder erstrebenswert beigebracht und eingeredet hat. Selbst wenn es nicht ist, was Sie sich als wahr wünschen würden“, so Nigoski. Es gilt also: Offenheit und Toleranz der eigenen und der Sexualität das Partners gegenüber. Generell ist es wichtig, offen über Sex, Wünsche, Bedürfnisse, aber auch Unsicherheiten zu sprechen. Selbst wenn es schwerfällt und vielleicht mehrere Anläufe braucht, bringt es Sie am Ende des Tages näher zueinander.

Emotional zugänglich bleiben

Genauso wichtig, wie offene Gespräche über Sex ist die bewusste Entscheidung, sich aufeinander einzulassen und auch nach vielen Jahren emotional für den anderen verfügbar zu bleiben. Denn gerade in Langzeitbeziehungen kann es passieren, dass sich Paare emotional voneinander entfernen: Der überfordernde Alltag, die Arbeit, die Kinder, die Familien, die Welt im Allgemeinen lassen vielleicht wenig Zeit für die Partnerschaft.

„Oder wir stecken so sehr in den vergnügungsfeindlichen Emotionsbereichen Panik/Kummer, Furcht oder Wut fest, dass wir keinen Weg sehen, in die emotionale Präsenz mit unserer Partnerperson zu wechseln“, weiß Nagoski. Was Sie dagegen tun können? Sie müssen Ihrem Langzeitpartner nicht unbedingt und immer leidenschaftlich und voller Hingabe begegnen, aber Sie müssen diesen Menschen sehr wohl mögen, bewundern und davon überzeugt sein, dass er es Wert ist, dass Sie sich Mühe geben. Nehmen Sie sich Zeit, emotional anwesend zu sein, vor allem in schwierigen Gefühlsphasen und Sie werden die grundlegende Kraft der Beziehung verbessern. Kurzum: Seien Sie füreinander da, das beflügelt auch das Miteinander im Schlafzimmer.

Lustbremsen und sexuelle Gaspedale kennen und aktivieren

Das Gehirn reagiert auf sexuelle Stimulation je nach Befindlichkeit anders. Wenn es gestresst ist, interpretieren wir beinahe jede Empfindung als potenzielle Bedrohung. „Befindet sich das Gehirn allerdings in einem neugierigen, geschützten und entspannten Wohlfühlmodus, fühlt sich fast alles angenehm an. Deshalb hilft es, genau herauszufinden, welche Lustbremsen uns im Weg stehen“, so Nagoski.

Umgekehrt sei es ebenfalls hilfreich, zu wissen, was unser sexuelles Gaspedal aktiviert. Meist ist das eine Kombination aus äußeren Umständen und innerer Verfasstheit: Alles, was wir sehen, hören, riechen, fühlen, denken und glauben, trägt dazu bei, ob wir sexuelle Lust empfinden oder nicht. Kennen wir also die Gegebenheiten, die das eigene sexuelle Gaspedal und jenes des Partners aktivieren, können wir natürlich leicht vorab die idealen Bedingungen schaffen, um den gemeinsamen Sex in die Wege zu leiten und letztlich in vollen Zügen zu genießen.

Lachen, rumalbern und kuscheln: ein unterschätzter, langfristig aber erfolgreicher Weg.

Lachen, rumalbern und kuscheln: ein unterschätzter, langfristig aber erfolgreicher Weg.

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× Lachen, rumalbern und kuscheln: ein unterschätzter, langfristig aber erfolgreicher Weg.

Planen, planen, planen!

Falls Sie gerade denken, dass es sich nach ganz schon viel Planung anfühlt, schon vorab geeignete Bedingungen für entspannten Sex zu schaffen, so liegen Sie: genau richtig! „Sex zu planen, fühlt sich für viele von uns immer noch unnatürlich und verkrampft an. Weil wir denken, dass das unser Verlangen ausbremst. Aber mit unserem langjährigen Partner im Strudel des Alltags zu planen, ist mindestens genauso wichtig, wie über unsere sexuellen Vorlieben und Wünsche zu reden. Es ist ein wichtiger Teil unserer erotischen Verbundenheit“, erklärt Nagoski. Der Planungsaufwand sei es eindeutig wert, wenn einem Sex in der Langzeitbeziehung wichtig ist. „Und zu glauben, dass spontane Begierde das Zeichen schlechthin für ein großartiges Sexleben ist, ist sowieso ein totaler Mythos.“

Veränderungen akzeptieren

„In guten wie in schlechten Zeiten...“, heißt es doch so treffend. Haben Sie schon einmal genauer über dieses Bekenntnis nachgedacht? Eine Langzeitbeziehung mit jemandem zu führen, bedeutet, sowohl Zeiten des Wohlbefindens und der Glücklichkeit, als auch Zeiten der Gebrechlichkeit und körperlichen wie seelischen Verletzlichkeit gemeinsam zu verbringen. Die Schlüsselwörter für ein nachhaltig erfüllte Miteinander: Akzeptanz, Rücksicht, Toleranz, Empathie und bloß keine negativen oder verletzenden Bewertungen – schon gar nicht in Bezug auf körperliche Veränderungen. Denn vor allem unsere Körper verändern sich und variieren im Laufe der Zeit: Im Zuge von Alter, Krankheit, hormonellen Veränderungen oder etwaigen Verletzungen entwickeln unsere Körper vielleicht neue Bedürfnisse, die eventuell verändern, wie Partnerpersonen in einer Beziehung Zuwendung schenken und empfangen. „Solange Sie Ihre Partnerperson als sie selbst sehen, losgelöst von ihren Bedürfnissen, erhalten Sie eine Bindung aufrecht, die Körper akzeptiert, wie sie sind“, betont Nagoski.

Humorvoll und locker bleiben

„Sex ist von Natur aus eine lustige und komische Angelegenheit, mal abgesehen vom Wunsch der Fortpflanzung“, so Nagoski. Insbesondere Humor hat die große Kraft, Lustkiller wie Stress und Scham sowie diverse Peinlichkeiten in etwas Positives zu verwandeln. „Gemeinsam lachen, rumalbern, Spaß haben und kuscheln halte ich für einen unterschätzten, aber zweifelsohne sehr erfolgreichen Weg zu einem langfristig erfüllten Sexleben.“

Am gemeinsamen Vergnügen arbeiten

Nagoski betont zusammenfassend: „Paare, die eine lange und starke sexuelle Verbindung aufrechterhalten, unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander, aber in einem ganz besonderen Punkt sind sie gleich: Sie arbeiten gemeinsam daran, einen Kontext zu schaffen, der den Zugang zum Vergnügen erleichtert, nicht zuletzt, indem sie sich dem ganzen, authentischen Ich des anderen mit Zuversicht, Freude und gelassener, liebevoller Neugier und Offenheit widmen.“ Daher die Empfehlung der Sex-Expertin: „Seien Sie, wer Sie wirklich sind, sicher in einer Verbindung, in der alles an Ihnen willkommen ist. Lieben Sie, wen Sie lieben. Lieben Sie, wie Sie lieben.“

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