Alles neu beim „Jedermann“ 2017: Am 21. Juli feiert Stefanie Reinsperger ihr Debüt als Buhlschaft. Gemeinsam mit Sunnyi Melles diskutiert sie die Relevanz des Stücks, Tobias Morettis Qualitäten als Spielpartner und ihr Verständnis von Heimat.
Eigentlich ist die Buhlschaft nur eine kleine Nebenrolle, dennoch gilt der Part an der Seite des Jedermann als eine der meistbeachteten Figuren der Theaterkultur. Vor allem wenn es um die Inszenierung im Rahmen der Salzburger Festspiele geht. Und so darf sich heuer die 29-jährige Stefanie Reinsperger an der Seite und als ausdrückliche Wunschkandidatin von Tobias Moretti als sein verführerisches Pendant präsentieren. Das prestigeträchtige Engagement ist für die Wienerin gleichzeitig ein schönes Abschiedsgeschenk. Denn als aktuell Österreichs bemerkenswertester Bühnen-Star macht sie sich ab Herbst auf nach Berlin, um auch das Publikum im Ausland in ihren Bann zu ziehen.
Doppel-Talk. Im Rahmen des großen Buhlschafts-Talks stieß auch Schauspielerin Sunnyi Melles dazu, die in den 90ern selbst schon diese Rolle verkörpern durfte, als Jedermann-Lolita sogar „entdeckt“ wurde, wie sie sich erinnert. In Melles Reminiszenz an die guten, alten Zeiten, wie auch Reinspergers mutigem Blick in die Zukunft wird subtil klar, welche Bedeutung die Salzburger Festspiele Jahr für Jahr haben und was diese so unterschiedlichen Frauen vielleicht doch ein wenig verbindet.
Tobias Moretti persönlich hat sich dafür eingesetzt, dass Sie heuer als Buhlschaft an seiner Seite spielen sollen. Wie ging es Ihnen, als Sie die Anfrage bekamen ?
Stefanie Reinsperger: Erst mal war ich ungläubig – und ich weiß, dass meine Knie gezittert haben. Ich sagte dann, dass ich noch einen Kaffee trinken möchte, bevor ich zurückrufe. Auf das war ich richtig stolz (lacht). Dann habe ich zuallererst meinem Freund davon erzählt. Alles, was jetzt kommt, ist ein bisschen wie ein Traum...
Wie bedeutsam ist die Rolle der Buhlschaft, wenn man sie rückblickend betrachtet?
Sunnyi Melles: Man merkt eigentlich erst später, wie großartig dieser Moment ist. Anfangs war ich als Buhlschaft bei den Proben mit meinem Jedermann Helmut Lohner beseelt. Als die vielen Aufführungen dazukamen, wurde die Rolle so kostbar. Und nun (zu Steffi), wenn ich dich treffe, habe ich gleich Herzklopfen, weil ich weiß, wie viel dir das alles bedeutet. Dieses Gefühl bleibt ewig...
Welche Bedeutung hat „Jedermann“ heute?
Reinsperger: Ich denke, dass man dem Jedermann immer etwas abgewinnen kann. Je nachdem, an welchem Punkt seines Lebens man sich befindet, nimmt man gewisse Dinge aus der Geschichte für sich mit.
Melles: Die verschiedenen Figuren bekommen eine ganz persönliche Bedeutung. Jetzt, wo meine Mama nicht mehr auf der Welt ist, weine ich immer, wenn Jedermanns Mutter stirbt. Hofmannsthal und Max Reinhardt, der es auf den Salzburger Domplatz brachte, haben etwas Geniales erschaffen! Es bleibt heutig, für alle Menschen!
Reinsperger: Der Jedermann ist ja eine Läuterungsgeschichte, etwas, das immer wichtig bleibt. Denn der Anspruch, in sich zu gehen und zu reflektieren, ist zeitlos.
Melles: Es spielt draußen, mit all den Geräuschen der Stadt, dem Licht, dem Wind ... alles wird zu einem Kosmos.
Wie ist es, an der Seite von Tobias Moretti auf der Bühne zu stehen ?
Reinsperger: Ich habe ihn als Schauspieler schon immer geschätzt, aber was ich an ihm besonders toll finde ist, dass er nicht nur seinen Text und seine Rolle lernt, sondern Stücke als etwas Größeres begreift. Hierbei treffen sich unsere Energien.
Neben der schauspielerischen Arbeit an sich, gilt es als Buhlschaft, auch viele Abendtermine zu absolvieren. Wie blicken Sie dem Leben in den „Seitenblicken“ entgegen?
Reinsperger: Noch hält es sich in Grenzen. Aber ich möchte einfach bei mir bleiben und Spaß daran haben. Das musste ich meiner Familie auch versprechen, dass wenn ich es mache, ich es auch genießen soll! Und das gehört ja auch zu dieser Rolle dazu.
Melles: Die Zuschauer schätzen und lieben dich. Also, wenn du dann bei irgendwelchen Events zu sehen bist, freut das die Fans. Es kann ja nicht jeder in dem Moment persönlich dabei sein.
Reinsperger: Ich kriege das auch in Wien öfter mit, dass Menschen auf mich zukommen und sich einfach bedanken. „Danke, dass Sie spielen, danke für Ihre Arbeit.“ Das ist schon toll. Und ich freue mich, als neugieriger Mensch nun das Mysterium der Salzburger Festspiele zu ergründen. Das ist ja doch eine eigene Matrix, in der sich alles abspielt.
Gibt es etwas, das Sie als ehemalige Buhlschaft Steffi auf den Weg mitgeben würden?
Melles: Ich wünsche mir, dass Stefanie viele glückliche Momente durchleben wird. Es ist ein einzigartiges Festival. Anna Netrebko wurde zum Beispiel dort entdeckt. Ich wurde entdeckt, denn ich begegnete u.a. meinem Mann Peter, der Liebe meines Leben.
Sie haben beide spannende Lebensgeschichten, haben beide lange in anderen Ländern gelebt. Was bedeutet für Sie Heimat?
Reinsperger: Familie. Wir sind oft umgezogen, dementsprechend war der Bezug nie nur ortsgebunden. Mit dem Beruf würde das auch gar nicht anders gehen.
Melles: Einmal Emigrant, immer Emigrant. Für mich ist Heimat das Zuhause, wo meine Kinder gerade sind. Da wo die Familie ist, da bin ich auch.
Apropos Familie, wie sind Sie als Mutter?
Melles: Ich bin eine starke Mama. Mir ist es vor allem immer wichtig, Werte zu vermitteln, und Vertrauen. Nobody is perfect! Leonille beginnt jetzt auf der Akademie für Filmschauspiel in Köln. Constantin studiert weiter Musik an der Uni in London und macht sich einen Namen als DJ Wittgenstein. Aber sie haben gelernt, dass nichts selbstverständlich ist, außer unsere Liebe!
Wie steht es denn bei Ihnen mit der Liebe Frau Reinsperger?
Reinsperger: Mein Freund Calle Fuhr zieht ebenfalls nach Berlin. Das ist für uns beide ein Neustart, für mich am Berliner Ensemble und für ihn als freier Regisseur und für uns beide wird Berlin die gemeinsame Basis.
Fernbeziehungen sind natürlich nicht unbedingt leicht. Waren Sie von Ihrem Mann vielleicht mal längere Zeit getrennt?
Melles: Immer wieder! Ich drehe im Moment in Polen, Berlin, München... Ich muss nicht immer alles von ihm wissen. Wenn wir gemeinsam schwierige Zeiten durchleben, sind wir gewappnet. Denn Liebe und Vertrauen sind da!
Frau Reinsperger, nach dem Schauspiel-Sommer verlassen Sie Österreich, um das Engagement am Berliner Ensemble zu beginnen. Ein Abschied für immer?
Reinsperger: Nein, natürlich nicht. Ich freue mich riesig auf diesen Neustart – und ich will die Zeit dort auch ernsthaft für mich nutzen. Aber man kann natürlich niemals nie sagen. Dafür ist mir hier viel zu viel Schönes passiert.