Solidarität, Schwestern!
Hollywoods Frauen haben genug
12.01.2018Als Konsequenz der #metoo-Bewegung setzten Hollywoods Frauen bei den Golden Globes heuer komplett auf Schwarz. Was dieses Statement für die Zukunft bedeuten kann …
Auch wenn Hollywood nur eine kurze Autofahrt von Kaliforniens größten landwirtschaftlichen Standorten entfernt ist, werden jene, die auf diesen Feldern arbeiten und dementsprechend für die Versorgung des Landes verantwortlich sind, nur selten mit Eva Longoria, Meryl Streep oder Natalie Portman in einem Satz genannt. Doch als sich am 10. November 2017 mehr als 700.000 Farmarbeiterinnen zu einer Initiative gegen sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz zusammenschlossen, zog das weibliche Hollywood geschlossen mit. Der im „Time“-Magazin veröffentlichte Brief „Time’s Up“, der jenen eine Stimme geben sollte, die keine haben und der u. a. die Schaffung eines Rechtshilfefonds zum Ziel hatte und die dafür angepeilte Summe von 15 Millionen Dollar Spenden sogar übertroffen hat, wurde von den prominentesten Leinwandheldinnen in den sozialen Medien fleißig geteilt, was eine weitere Solidaritätsaktion auslöste, die den Zeitgeist der Post-Weinstein-Ära in sich trägt. Denn der Protest der Frauen fand seinen Weg auch in die prominenteste Bastion der Unterhaltungsbranche – auf den Red Carpet.
Kleider machen Meinungsmacher
„Wozu eigentlich Awardshows?“, ist eine Frage, die regelmäßig in der von Film- und Fernsehbranche nur allzu gern zelebrierten Zeit von Jänner bis Ende Februar gestellt wird. Eine Frage, für deren Antwort bei den 75. Golden Globes neuer gesellschaftlich relevanter Sinn gefunden werden konnte. Denn abseits des üblichen Schulterklopfens und gegenseitigen Überreichens von goldenen Statuetten für etwaige schauspielerische Leistungen stand die Verleihung heuer ganz im Zeichen von #metoo und seinen weitreichenden Folgen. Allein am Red Carpet war das neu gewonnene politische Bewusstsein deutlich zu spüren: Nachdem zahlreiche Schauspielerinnen (und auch Schauspieler) ankündigten, in Solidarität mit dem „Time’s Up“-Movement Schwarz zu tragen, schien die klassische Frage nach dem Outfit obsolet, viel mehr sollten sich die Reporter darauf konzentrieren zu fragen, „warum“ man sich für ebendieses Outfit entschieden habe. Eine Abweichung von den gewohnten Red-Carpet-Oberflächlichkeiten, die tatsächlich funktionierte. So gut wie alle Celebrities hielten sich an den Dresscode und implizierten das Gesprächsthema damit ganz bewusst. „Überlegen Sie nur, welche Bedeutung viele Medien heutzutage den aufwendigen und auffälligen Roben der Schauspielerinnen zukommen lassen“, so Rebecca Arnold, Dozentin für Bekleidungs- und Textilgeschichte am Courtauld Institute of Art in London, dazu in einem „Vogue“-Interview. „Sich dem zu verweigern, ist ein sehr nachdrücklicher Protest. Es wird all die Magazine, die darüber berichten, wer bei Golden Globes was anhatte und wer gut oder nicht gut aussah, zwingen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.“
Hand in Hand
Neben der Entscheidung, ihre Trauer über die herrschenden Zustände mit einer schwarzen Robe zu versinnbildlichen, sorgte auch die Wahl der Begleitung einiger Schauspielerinnen für Aufmerksamkeit. So schritten Susan Sarandon, Emma Watson oder Michelle Williams, die die Idee dazu hatte, gemeinsam mit engagierten Aktivistinnen über den roten Teppich, um ihnen dadurch eine Plattform zu geben – und zwar so konsequent zusammengerückt, dass die Medien nicht einmal die Möglichkeit hatten, die jeweiligen Celebs auch alleine abzubilden. „Wir glauben, dass wir einem Wendepunkt nahe sind, um die Kultur der Gewalt in den Ländern, in denen wir leben und arbeiten, zu verändern. Es ist ein Moment, um sowohl die geschriebenen als auch die ungeschriebenen Gesetze, die das Leben und die Erfahrungen von Frauen abwerten, zu verändern“, hieß es in einem gemeinsamen Statement zu der Aktion.
#Oprah2020
Und auch der Großteil der Moderation und der Reden von Gewinnerinnen und Gewinnern drehte sich um die Thematik von #metoo. Allen voran jene von Oprah Winfrey, die an dem Abend mit dem Cecil B. DeMille Award für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde. „Zu lang wurden Frauen nicht angehört oder ihnen wurde nicht geglaubt, wenn sie den Mut hatten, gegen die Macht von Männern aufzubegehren. Aber deren Zeit ist um!“, rief sie den Stars im Publikum zu und dankte allen Frauen, die ihr Schweigen zu sexuellen Übergriffen beendet und damit eine Veränderung in Gang gesetzt hätten. „Hinter dem Horizont bricht eine neue Zeit für Mädchen und Frauen an“, so die Moderatorin, Schauspielerin und Produzentin. „Und wenn diese Zeit da ist, liegt das auch an großartigen Frauen, von denen einige heute hier im Raum sind.“ Winfrey betonte: „Die Wahrheit auszusprechen, ist das mächtigste Instrument, das wir haben.“ Dann zollte sie den Frauen Tribut, die „jahrelang misshandelt und angegriffen“ wurden. „Weil sie, wie meine Mutter, Kinder haben, die sie füttern, und Rechnungen bezahlen und ihre Träume verfolgen.“ Niemand werde in dieser neuen Zeit noch „me too“ sagen müssen. Für ihre Rede erntete die 63-Jährige tosenden Applaus und begeisterte Kritiken. So manch einer sprach ihr daraufhin sogar präsidiale Qualitäten zu. Und tatsächlich soll die überaus populäre Ex-Talkshow-Moderatorin, wie von CNN berichtet, laut einer Aussage enger Freunde „aktiv“ über eine Präsidentschaftskandidatur 2020 nachdenken. „Ich glaube nicht, dass sie je die Absicht hatte“, kommentierte Meryl Streep die Spekulationen. „Aber jetzt hat sie keine Wahl.“
A change is gonna come
Die Globes resümieren das vergangene Jahr als ein besonders wichtiges für die Frauen. Trotz, aber auch gerade wegen #metoo. Und an diesem sonst so glamourösen Abend wurde dies auch klar. Denn heuer wurden nicht nur jene ins Rampenlicht gerückt, die in Film- und Fernsehen unterhalten, sondern auch diejenigen, die zumeist übersehen werden, ob Farmarbeiterin oder Aktivistin. Und vielleicht ist das der erste Schritt in die stark geforderte und so dringend notwendige Veränderung.
Solidarität, Schwestern. Mehr als 300 Schauspielerinnen, Autorinnen, Regisseurinnen und andere Frauen aus der US-Unterhaltungsindustrie haben sich mit der Initiative gegen sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz solidarisiert. Ihren Ursprung hat die Bewegung in der Alianza Nacional de Campesinas, einer Organisation, die Farmarbeiterinnen vertritt, die mit diesen Problemen zu kämpfen, aber keine öffentliche Stimme haben. Das Ziel der Bewegung ist u.a. auch die Schaffung eines Rechtshilfefonds für weibliche wie auch männliche Opfer sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. |