Selbst ist die Frau, dachte sich Nina Proll wohl, als sie sich von etwaigen Rollenangeboten unzufrieden zeigte. „Aber man kann ja nicht nur sudern.“ Über Jahre hinweg setzte sich die gebürtige Waldviertlerin also immer wieder an ein eigenes Drehbuch, um ihr Verständnis einer starken Persönlichkeit auszuformulieren und etwas zu schreiben, das sie selbst im Kino sehen wolle. Das Resultat dieser Arbeit ist ab dem 24. November unter dem Titel „Anna Fucking Molnar“ im Kino zu sehen. Die 42-Jährige hat darin selbstverständlich die Hauptrolle inne und porträtiert eine Schauspielerin, die beruflich wie auch in Liebesdingen ordentlich abstürzt. Proll zeigt sich darin als jemanden, der „aneckt“ und auch mal kontrovers agiert, eine Einstellung, die sie, wie im Talk beschrieben, auch gern im echten Leben an den Tag legen würde – und scheinbar auch schon damit begonnen hat.
MADONNA traf Nina Proll kurz nach dem Aufkommen der Causa Weinstein zum großen Talk inklusive Modeshooting. In Anbetracht der weiteren Entwicklungen der #metoo-Bewegung und Prolls streitbare Reaktion darauf, haben wir bei der Schauspielerin noch einmal nachgefragt, um ihre Seite der Debatte zu hören. Das gesamte Interview zu ihrem neuen Film „Anna Fucking Molnar“, Sexismus, Selbstbewusstsein und der Causa Weinstein lesen Sie unter dem Kasten.
UPDATE zum Interview
Warum war es Ihnen so wichtig, sich öffentlich mit dem Hashtag #notme und einer so scharfen Meldung über Facebook als Nicht-Opfer zu deklarieren?
Nina Proll: Mit der #metoo Initiative habe ich mehrere Probleme gleichzeitig. Erstens war der Ausgangspunkt der Initiative eine Schauspielerin, die behauptet, von einem Produzenten zum Oralverkehr gezwungen worden zu sein. Aus Angst vor beruflichen Konsequenzen habe sie danach jahrelang einvernehmlichen Sex mit ihm gepflegt. Das wiederstrebt meinem Berufsethos. Ich werde mich mit solchen Frauen nicht solidarisieren. Zweitens wird hier sexuelle Belästigung mit sexuellem Missbrauch und Gewalt gleichgesetzt. Das ist ein großer Unterschied. Wenn der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs beliebig ausgedehnt wird und sich hier plötzlich jede Frau zu Wort meldet, der mal an den Po gegrapscht wurde, dann ist das inflationär und verharmlost die Leiden der wahren Gewaltopfer. Drittens: Wenn wir schon mehr Bewusstsein für sexuelle Übergriffe schaffen wollen, dann sollten wir dies nicht per #metoo auf FB machen, sondern im wahren Leben. Einzig und allein in der Konfrontation mit dem betreffenden Mann bzw. vor Gericht. Hier in den sozialen Medien, ohne reale Konsequenzen für die Harveys dieser Welt, bleibt jede Anklage eine scheinheilige Gewissensberuhigung und dient nur dem voyeurhaften Betroffenheitsjournalismus.
Wie nehmen Sie die Reaktionen wahr, die auf Ihr Posting folgten?
Proll: Am meisten hat mich überrascht, dass es scheinbar ein großes Tabu ist, eine eigene Meinung zu haben. Sogar Facebook selbst hat mein Posting gelöscht, weil es nicht seinen Standards entspricht. #notme darf es anscheinend nicht geben. Nichtsdestotrotz spüre ich extrem großen Rückenwind.
Viele Frauen haben gegen Ihr Posting protestiert, während ein Felix Baumgartner Applaus spendet. Kommt einem das nicht komisch vor?
Proll: Ich bin dankbar für jede ehrliche Meinung. Und ich werde mich auch am Felix-Baumgartner-Bashing mit Sicherheit nicht beteiligen.
Bereuen Sie Ihre Aktion im Nachhinein?
Proll: Im Gegenteil. Ich bin froh, dass nun endlich eine offene und ehrliche Diskussion darüber stattfindet.
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Welchem Kapitel Ihres Lebens entspringt „Anna Fucking Molnar“ ?
Proll: Es entspringt einer Zeit, in der ich noch keine Kinder hatte und auch noch nicht verheiratet war. Die im Film behandelten Probleme hatte ich zum Teil auch selbst. Egal, ob das schlechte Kritiken waren, falsch zitierte Interviews, Umbesetzungen und Misserfolge. Anna ist eine Figur, die für mich Vorbildcharakter hat, so wie ich gerne wäre. Sie traut sich viel, eckt an, geht emanzipiert durchs Leben und glaubt, der Mittelpunkt der Welt zu sein. Ich bewundere solche Frauen.
Wie kam es, dass Ihr Ehemann Gregor Bloéb den Betrüger spielt?
Proll: Wir waren alle der Meinung, dass es die spannendere Konstellation ist. Gregor kam auch infrage für den Feuerwehrmann und wir haben das auch getestet, aber als wir die gemeinsamen Szenen gespielt haben, hat Sabine festgestellt, dass es leider todernst ist und überhaupt nicht lustig.
Wie erklärt man zu Hause dann, dass er die Rolle nicht bekommt?
Proll: Das war immer ganz offen kommuniziert. Und Gregor hat selbst gesagt, dass er doch niemanden spielen kann, der impotent ist (lacht). Umgekehrt hat er mich in seinen Projekten auch noch nie mit großen Rollen besetzt, das muss man trennen. Es nervt mich immer, wenn ich merke, dass es Ehepaare gibt, die ausschließlich miteinander arbeiten. Das finde ich langweilig.
Angeblich waren Sie oft unzufrieden mit Rollen, die Ihnen angeboten wurden, weshalb Sie sich eben selbst an ein Drehbuch gesetzt haben.
Proll: Ja, das stimmt, die Rollen, die ich gern spielen würde, hat keiner für mich geschrieben. Und ich kann ja nicht immer nur raunzen. Deshalb habe ich meiner Fantasie einfach freien Lauf gelassen.
Musste es für diesen Film eine weibliche Regisseurin sein?
Proll: Es sollte eine weibliche Regisseurin sein, wie meine Co-Autorin Ursula Wohlschlager und ich befunden haben. Wir hatten immer das Gefühl, dass es gut wäre, wenn eine Frau das inszeniert. Ich kannte Sabine Derflinger persönlich nicht, habe sie erst im Zuge der „Vorstadtweiber“ kennengelernt. Da habe ich gewusst, dass sie die Richtige ist und die nötige Coolness und Chuzpe für diesen Film hat. Es gibt ohnehin nicht viele Frauen, die als Regisseurinnen arbeiten, und noch weniger, die mit Drehbüchern von anderen etwas anfangen können. Die meisten wollen lieber nur ihre eigenen Bücher verfilmen.
Nun ist die Filmbranche immer noch männlich dominiert, es gibt viel mehr Regisseure, Drehbuchautoren, Produzenten etc. Kann ein Mann überhaupt eine weibliche Geschichte „wahrhaftig“ erzählen?
Proll: Natürlich erzählen Frauen andere Geschichten. Uli Brée ist vielleicht die rühmliche Ausnahme. Trotzdem denke ich, dass wir Frauen uns überlegen müssen, welche Geschichte wir erzählen wollen, und dieses Metier nicht den Männern überlassen. Wenn Männer für Frauen schreiben, dann kann das eine Realität darstellen, weil es etwas ist, das Frauen Männern erzählt haben, oder es kann sein, wie sie die Frauen in eigenen Beziehungen erlebt haben, oder wie sie die Frauen gerne hätten. Es kann aber nie die Realität der Frau vollends erreichen. In einem solchen Film werden bestimmt auch gewisse Wahrheiten stecken, aber wenn ich in den Kopf oder das Wesen einer Frau eintauchen will, dann muss ich doch eine Frau ranlassen. Ich habe dieses Buch mit vielen Männern und Produzenten diskutiert und ganz oft hat es geheißen, dass die Frauenrolle unsympathisch ist und die des Feuerwehrmanns größer werden muss. Worauf ich geantwortet habe, dass es aber nicht die Geschichte ist, die ich erzählen will. Und so kämpft man für seine Geschichte und muss dabei wirklich stur und hartnäckig bleiben.
Apropos Produzent. Inwiefern sehen Sie die Causa Weinstein und das Thema Sexismus gerade in der Film- und Theaterbranche?
Proll: Ich für meinen Teil werde gar nicht sexuell belästigt. Aber es ist ein sehr schwieriges Thema. Was als Belästigung empfunden wird, ist immer sehr subjektiv und muss gelten. Gut. Dass es allerdings Frauen gibt, die sich nicht trauen, im Fall einer Belästigung dies zu artikulieren, ist das eigentliche Problem. Hier müssen wir einander stärken. Und es gibt nun mal auch Frauen, die es genau darauf anlegen, sich einen „mächtigen Mann“ zu angeln, um dadurch beruflich oder gesellschaftlich zu profitieren. Prinzipiell ist das ja absolut in Ordnung. Schwierig wird es, wenn die Frau hinterher behauptet, sie wollte das gar nicht. Oft wissen wirklich nur die Beteiligten, was tatsächlich passiert ist, und selbst da liegt die Wahrheit oft in der Mitte. Ich persönlich würde aber jedem Produzenten misstrauen, der mir eine Rolle verspricht, wenn ich mit ihm ins Bett gehe.
Sie sind mit Sexismus in der Branche also nicht in Berührung gekommen?
Proll: Ich mache jetzt gerade zum ersten Mal die Erfahrung. Dass mir der Vorwurf gemacht wurde, ich wäre zu blöd, um zu merken, wenn ich sexuell belästigt würde, hat mich doch sehr erstaunt. Ich wusste gar nicht, dass man intelligent sein muss, um sexuell belästigt zu werden, zumal diese sexistische Bemerkung nur von Frauen kam. Aber falls Sie mit ihrer Frage meinten, ob schon mal ein Regisseur versucht hat, mir sexuell näherzukommen, dann muss ich sagen: No na, ich fühlte mich aber deswegen weder erniedrigt, noch bin ich deswegen traumatisiert.
Sie sind Mutter zweier Jungs, worauf legen Sie in puncto Erziehung Wert?
Proll: Ich lege darauf Wert, dass sie keine Schimpfwörter benützen. Dass zumindest einmal am Tag Zähne geputzt werden. Außerdem lege ich darauf Wert, dass sie Eigenverantwortung übernehmen, dass sie sich entschuldigen, wenn sie Mist gebaut haben und diesen auch wieder selbst in Ordnung bringen.
Was möchten Sie Ihren Kindern in Zeiten wie diesen für das weitere Leben mitgeben?
Proll: In der Schule wird viel geschlägert und immer wieder gibt es so zwei drei Jungs, die alles abkriegen, und ich versuche ihnen mitzugeben, dass die Stärkeren den Schwächeren helfen müssen. Dass sie sich auch trauen, zu sagen: „Hört auf!“, und den Mut haben, bei ihrer Meinung zu bleiben.