Debatte
Nur noch ein Jahr Karenz?
24.03.2017
Gender-Gap. Mit dem Vorschlag, die Karenzzeit auf ein Jahr zu beschränken, sorgt der Thinktank Agenda Austria für Aufruhr. Was dahinter steckt.
Bis zu 26 Prozent verdienen Frauen hierzulande weniger als ihre männlichen Pendants – trotz gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation. Der Thinktank Agenda Austria hat sich der Problematik nun mit der Studie „Mind the Gap“ angenommen und versucht herauszufinden, wie man die enorme Lohnschere endlich zum Schrumpfen bringen kann.
Radikal?
Die Forscherinnen wollen der monetären Ungerechtigkeit mit einer Reihe von Maßnahmen den Kampf ansagen, eine davon hat für mächtig Wirbel gesorgt: Agenda Austria schlägt vor, die maximale Karenzzeit von bisher drei auf ein Jahr zu beschränken – sechs Monate für jeden Elternteil. Konkret bedeutet das, wenn etwa der Vater auf sein halbes Jahr beim Kind verzichtet, entfällt dieser Anspruch. „Kinderbetreuungsgeld über drei Jahre ist im europäischen Vergleich sehr lange. In den meisten EU-Ländern wird es viel kürzer ausbezahlt, etwa ein Jahr. Dort wäre unser Vorschlag nicht radikal“, erklärt Studienleiterin Monika Köppl-Turyna im MADONNA-Talk (s. unten). Sie identifiziert die lange Auszeit vom Job sowie Teilzeitarbeit aufgrund der Kinderbetreuung als große Treiber des Gender-Gap.
Scheck.
Köppl-Turyna und ihre Kollegen Michael Christl und Anna Stürgkh schlagen ergänzend einen Betreuungsscheck für jedes Kind ab dem Alter von einem Jahr vor – für öffentliche und private Bildungseinrichtungen. Mögliche Höhe: 500 Euro, die geschätzten Betreuungskosten für ein Kind in Österreich. In Frankreich gibt es dieses Modell bereits. Das würde zu einem Wettbewerb und somit zu einem größeren Angebot führen, so das Argument der Forscher. Denn: In kaum einem anderen EU-Land, lediglich in Polen, werden weniger Kleinkinder von Dritten betreut als in Österreich. Das liegt u. a. an den fehlenden Möglichkeiten außerhalb der Städte.
50:50.
Doch zurück zur Karenzzeit: Agenda Austria stößt sich vor allem am bei der Entlohnung gängigen „Senioritätsprinzip“: Lange Betriebszugehörigkeit wird mit Erfahrung gleichgesetzt. Männer, die im Beruf bleiben, klettern automatisch in der Lohnentwicklung nach oben – Frauen, die länger die Betreuung der Kinder übernehmen, bleiben zurück. Beim vorgeschlagenen Modell würde das Karenzgeld 80 Prozent des Letztgehalts betragen. Und: Männer in Karenz, sollen durch das verpflichtende 50:50-Prinzip endlich Regel statt Ausnahme werden.
Nein der Politik.
ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin spricht sich gegen den Vorschlag aus: „Die Karenzzeit so radikal zu verkürzen, würde ich als Einschränkung empfinden.“ Durch die seit März geltende Kindergeld-Reform sei aber schon viel getan: Das neue System biete keinen finanziellen Anreiz mehr, länger zu Hause zu bleiben. Daher würden sich Frauen in Zukunft ohnehin eher für die zweijährige Variante entscheiden.
Liest man sich Ihre Studie durch, bekommt man fast den Eindruck, die Regierung könnte die Lohnschere ganz einfach schließen …
Sie haben vorgeschlagen, die maximale Karenzzeit radikal auf ein Jahr runterzukürzen. Halten Sie es für realistisch, dass die Politik auf Sie hört?
Essenziell bei diesem Vorschlag ist vermutlich auch das 50:50-Prinzip? Jeder darf sechs Monate in Anspruch nehmen, tut einer der Partner das nicht, verfällt sein Teil …
Sie haben bei Ihren Untersuchungen entdeckt, dass Frauen oft unterhalb ihres Qualifikationsniveaus arbeiten … |
ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin über den Vorschlag
Agenda Austria empfiehlt, die Karenzzeit radikal auf maximal ein Jahr zu kürzen. Ist das für Sie denkbar?
So radikal? Eine weniger radikale Kürzung, z. B. auf zwei Jahre, wäre für Sie denkbar?
Sie haben einen Partnerschaftsbonus von 1.000 Euro eingeführt. Die Studie schlägt nun vor, das 50:50-Prinzip eher durch „Bestrafung“ zu forcieren …
Könnten Sie sich vorstellen, 50 Prozent daraus zu machen? |