Väterkarenz, Papa-Monat & Co.
Papa allein zu Haus
08.06.2018Alte Rollenverteilungen werden immer mehr aufgelöst und Väterkarenz, Papa-Monat & Co. sind auf dem Vormarsch. Die Bremsen: Bürokratie und Gesellschaft.
Mutterschutz, Karenz, Elternteilzeit, Kinderauszeit, Betreuungsgeld, Entlassungsschutz und, und, und ... Während im Körper einer Frau nicht nur ein eigener kleiner Mensch heranwächst und der Hormonhaushalt völlig aus den Fugen gerät, gilt es für jedes Paar in freudiger Erwartung, erst einmal den Dschungel an Begriffen, Bedingungen und Möglichkeiten mit der prä-elterlichen Machete zu attackieren. Ein Thema, das seit den vergangenen Nationalratswahlen wieder verblasst ist und vor allem auch vom letzten Frauenvolksbegehren thematisiert wurde, ist im Zusammenhang mit der Familiengründung die Väterkarenz bzw. der Papa-Monat. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, die nicht nur die Mama nach der Geburt maßgeblich unterstützt, sondern auch dem Vater gleiche Chancen wie der Mutter einräumt: nämlich das eigene Kind von Anfang an wachsen zu sehen.
Orchideenthema. Ende 2017 sagte Bernhard Baier, Präsident vom Familienbund Österreich: „Väterkarenz ist kein Orchideenthema mehr.“ So ist der Prozentsatz an Vätern, die in Karenz gehen oder in Absprache mit dem Arbeitgeber die Väterfrühkarenz (=sog. „Papa-Monat“) in Anspruch nehmen, zwar im Steigen begriffen, aber immer noch gering. Österreichweit lag der Anteil der Väter, die Kindergeld beziehen, Anfang des Jahres bei rund 20 Prozent. Kurz nach dessen Einführung im September 2017 zeigte sich die damalige Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) erfreut über mehr als 2.000 Anträge für den neuen Papa-Monat.
Erfahrungswerte. 2018 verliert die Auszeit für werdende Väter langsam, aber stetig die Stigmatisierung als Karrierebremse. Auch Lena Jäger (36), Projektleiterin des Frauenvolksbegehrens, das sich für eine gesetzliche Regelung des Papa-Monats einsetzte, hat ein Umdenken bemerkt: „Meine Erfahrung ist, dass Männer nicht mehr einfach in die Versorger-Rolle gepresst werden wollen. Sie wollen mitbekommen, wie ihre Kinder aufwachsen, und eine echte Bezugsperson sein und nicht nur das angehimmelte Vorbild. Ich freue mich sehr darüber, dass das immer mehr Männer laut sagen.“ Genau das wollte auch Bernhard Desch (27), der seine neun Monate als Karenz-Papa auf seinem Blog festgehalten hat. In seiner Software-Firma war er der erste Vater, der in Karenz gegangen ist: „Das Umfeld hat – zumindest mir gegenüber – durchaus positiv reagiert. Für die meisten war es eine aufregende Sache, dass sich ‚endlich mal einer traut‘“. Desch ist nach der Karenz nicht in seinen Beruf zurückgekehrt, sondern hat sich selbstständig gemacht. Genau das Gegenteil forciert beispielweise Microsoft Österreich, wo man als erstes Privatunternehmen bereits 2012 die Papa-Wochen eingeführt hat, einen zusätzlichen bezahlten Urlaub von zwei Wochen direkt nach der Geburt. „In dieser besonderen Zeit nach der Geburt schwankt man ständig zwischen Schlaflosigkeit und Glück, sieht sein Leben von dem Neuankömmling in der Familie auf den Kopf gestellt. Es war mir sehr wichtig, in den ersten Wochen viel Zeit mit meiner Tochter verbringen und gleichzeitig auch meine Partnerin entlasten zu können“, so Thomas Lutz (52), Head of Communications von Microsoft Österreich.
Zukunftsmusik. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die positiven Aspekte überwiegen, wenn Papa daheim auch einmal das Ruder übernimmt, und das nicht nur im Bezug auf die starke Vater-Kind-Beziehung. Aus dem Wiedereinstiegsmonitoring der Arbeiterkammer geht klar hervor: Je länger der Vater beim Kind bleibt, desto leichter gelingt auch Mama der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Die Bürokratie spricht aktuell jedoch konträr dazu oft dagegen: Ein Teil der Väterkarenz muss effektiv zurückgezahlt werden und kein Vater hat rein rechtlich einen Anspruch auf den Papa-Monat, da dieser in Absprache mit dem Unternehmen bewilligt werden muss.
Papa-Blogger Bernhard zieht sein Fazit: „Mir ist klar, dass bei vielen Familien aus verschiedenen Gründen die Karenz nicht möglich ist. Dennoch hoffe ich, dass sich möglichst viele Papas, bei denen die Rahmenbedingungen passen, trauen, in Väterkarenz zu gehen. Es lohnt sich!“
Bernhard Desch (27) war sechs Jahre lang Angestellter in einer Software-Firma, bis er sich als erster Mitarbeiter seines Unternehmens für die Väterkarenz entschied. Die ersten neun Monate im Leben seines Sohnes konnte Bernhard 24/7 miterleben, und darüber bloggt er auch fleißig auf seinem Blog „Papa ist zu Hause – und da bleibt er auch!“. Papa Bernhard im Talk.
War für Sie und Ihre Verlobte klar, dass Sie in Väterkarenz gehen werden?
Bernhard: Meine Verlobte war schon vor der Schwangerschaft als Berufsfotografin selbstständig. Da war für sie eine Karenz kein sinnvolles Thema. Sie hat ihr Gewerbe ruhend gestellt und ich bin in Karenz gegangen.
Hatten Sie Vorbilder, die ebenfalls in Väterkarenz gegangen sind?
Bernhard: Bis zu meiner Karenz kannte ich keinen einzigen Karenzpapa. Ich wäre selbst auch nicht auf die Idee gekommen, wäre da nicht meine Verlobte gewesen.
Wie haben Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen der Väterkarenz empfunden?
Bernhard: Für uns haben die Bedingungen gut gepasst. Einziges Problem war, dass der Kündigungsschutz für Väter erst ab der Geburt gilt. Daher konnte ich meinem Chef nicht früher Bescheid geben und er hatte nur drei Monate Zeit, einen Ersatz zu finden, den ich auch erst einschulen musste.
Wie hat sich der Prozess dann gestaltet?
Bernhard: Ganz zu Beginn gab es noch einige Missverständnisse. Zum Beispiel habe ich immer gedacht, Karenz bedeutet automatisch: Man bleibt zu Hause und bekommt Geld. Dass zu Hause bleiben (Karenz) und Geld bekommen (Kinderbetreuungsgeld) zwei unabhängige Dinge sind, musste mir erst klar werden. Auch die Selbstständigkeit meiner Verlobten hat bei den Terminen bei der Arbeiterkammer in Verbindung mit der Väterkarenz für Verwirrung gesorgt.
Wie lange waren Sie effektiv in Karenz?
Bernhard: Ursprünglich wollte ich ein ganzes Jahr in Karenz gehen und dafür das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld nutzen. Erst beim Beantragen habe ich erfahren, dass die drei Monate Wochengeld meiner Verlobten hier abgezogen werden. Damit waren es neun wunderbare Monate Karenz.
Wo sehen Sie Unterschiede zwischen Väterkarenz und Mamakarenz?
Bernhard: Während an allen Ecken die Gleichberechtigung auf dem Vormarsch ist, stecken wir bei der Kindererziehung zum größten Teil noch in den klassischen Rollenbildern fest. Mama bleibt zu Hause und Papa bringt das Geld heim – keine gute Ausgangsposition für die Väterkarenz. Da haben wir einen langen Weg vor uns, auf dem sich bei der Gesetzgebung und in der Gesellschaft noch viel ändern muss. Bis dahin bleiben Karenzväter vermutlich noch eine Zeit lang Exoten.
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