Frau Bardot, ist das heutige Saint-Tropez noch mit dem "Ihren" vergleichbar? Brigitte Bardot: Mein Saint-Tropez ist tot und ich werde auch demnächst dahin sein. (lacht). Diese Stadt, die ich einst so liebte, ist eine einzige riesige Luxus-Boutique für Milliardäre geworden. Ich hatte damals das Glück, einen netten kleinen Hafen zu kennen. Heute kann ich dort keinen Fuß mehr hinsetzen.
Was liebten Sie an der Stadt? Bardot: Jeden Abend, jede Nacht hatte der Spaß Vorrang. Man traf gekrönte Häupter, Schauspieler, zukünftige Staatspräsidenten. Mein Saint-Tropez war auch das „Café des Arts“ mit Georges Bain. Das letzte Glas wurde in den frühen Morgenstunden bei Henri Guérin in seinem Bistro am Hafen getrunken. Alle waren meine Freunde. Alle sind tot.
Wann lernten Sie Saint-Tropez richtig kennen? Bardot: In den 50er-Jahren hatten meine Eltern ein kleines Haus in den Anhöhen – „La Miséricorde“. Als ich berühmt wurde, haben sie ein neues gekauft – „La Pierre Plantée“ inmitten der Weinberge, in der Nähe von „La Madrague“. Dort tranken wir den Wein meiner Eltern. Jedoch muss ich gestehen, dass es ein schreckliches Gebräu war und ich jedes Mal davon Magenschmerzen bekam. (lacht)
Stimmt es, dass Sie Ihre Liebe zu Saint-Tropez 1956 bei den Dreharbeiten zu dem Film "... und ewig lockt das Weib" entdeckten? Bardot: Auf jeden Fall! Noch nie waren die Dreharbeiten schöner. Roger Vadim, mein Ehemann, der Regisseur, ließ mich nie öfter als zweimal eine Szene wiederholen. Mein Schauspielpartner, Curd Jürgens, war eine sehr bekannte internationale Persönlichkeit.
In dem Film gab es eine Stelle, die die ganze Welt erschütterte: jene, in der Sie vor den Augen von Trintignant tanzen... Bardot: Diese Szene hat eine Geschichte. Ein Jahr zuvor war ich mit Vadim und Raoul Lévy beim Festival in Cannes. Eine Feier folgte der anderen, es war magisch, ja auch verrückt. An einem Abend hörte ich einem Orchester zu, das Cha-Cha-Cha spielte. Da beschloss ich zu tanzen – allein, bloßfüßig, frei. Irritierend für die Frauen und aufregend für die Männer. Meine Hüften tanzten im Rhythmus der Musik. Ich mimte die Liebe im Takt des Tam-Tam. Mir wurde dann so heiß, dass ich mir einen Becher Champagner über die Schulter, das Dekolleté und die Oberschenkel schüttete. Ich erinnere mich noch an die Blicke von Vadim und Lévy. An jenem Abend beschloss Vadim, das Drehbuch neu zu schreiben und fügte meine improvisierte Tanzeinlage hinzu. Diese Szene hat schockiert, erreichte nichtsdestotrotz Kultstatus – vor allem in Amerika.
Brigitte Bardot
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Bild: (c) WireImage.com/Getty Die weltberühmte Schauspielerin Brigitte Bardot wird derzeit mit der Foto-Ausstellung im "Espace Rendez-Vous des Lices" in ihrer Wahlheimat St. Tropez geehrt.
Bis zum 31. Oktober kann man Ihr Leben in Fotografien im "Espace Rendez-Vous des Lices" entdecken. Die Ausstellung wurde schon von 92.000 Menschen besichtigt. Warum wollen Sie sie nicht sehen? Bardot: Natürlich bin ich gerührt, dass diese Ausstellung so ein großer Erfolg ist und dass sie in Saint-Tropez, dem Anfangspunkt meines Lebens, stattfindet. Allerdings will ich nicht mit meinem Leben, meinen Liebschaften und meinen Filmen konfrontiert werden. Ich habe das Gefühl, dass ich, wenn ich die Bilder der „Saga BB“ sehe, in Tränen ausbrechen würde. Deshalb halte ich mich zurück. Die schönsten Bilder schütze ich im hintersten Winkel meines Herzens. Ich habe auch Angst, dass die Ausstellung all diese Neugierde der Leute wieder weckt, die mich ein Leben lang begleitet hat.
Was sind die Nachteile des Berühmt-Seins? Bardot: Das schlimmste Beispiel sind die Boote voller Touristen die 17 Mal am Tag an "La Madrague" vorbeifahren, um einen Blick auf das Haus der BB werfen zu dürfen. 17 Mal am Tag dröhnt aus den Lautsprechern in mehreren Sprachen: „Vor Ihnen das Haus der Brigitte Bardot, die sich hinter dem Gebüsch versteckt. Wenn Sie sich nach vorne beugen, können Sie unter Umständen einen Blick auf sie erhaschen und sie fotografieren.“ Es ist unmöglich und bösartig. Ich hätte gerne, dass man mich endlich vergessen würde!
Was bedeutet Ihnen Ihr Anwesen "La Madrague"? Bardot: 1958 hat mich meine Mutter angerufen, um mir zu sagen: „Ich habe endlich ein Haus für dich gefunden, komm schnell.“ Damals gab es dort weder fließendes Wasser noch Strom. Wir wuschen uns im Meer. Mein Haus ist mein Leben. Es hat mich geschützt. Es hat alles gekannt: meine Liebschaften, meinen Kummer, meine Freuden und Freundschaften. Wir leben zusammen seit mehr als einem halben Jahrhundert. Hier möchte ich auch mein Leben beenden ...
Wenn man aus dem Gästezimmer kommt, geht man an 80 kleinen Gräbern vorbei... Bardot: Alle Hunde und Katzen, die mich gemocht haben, ruhen hier in „La Madrague“. Es ist meine Art, ihnen Danke zu sagen für ihre Liebe.
Denken Sie oft an den Tod? Bardot: Natürlich, so wie jeder. Ich möchte nicht am kleinen Friedhof von Saint-Tropez liegen, wo auch schon meine Eltern und Vadim liegen. Aus dem einfachen Grund, um ihnen den Medienwirbel zu ersparen, damit sie in Frieden ruhen können. Ich möchte ganz einfach auf „La Madrague“ begraben werden, versteckt vor allen Blicken – inmitten der Landschaft, in der ich die schönsten Stunden meines Lebens verbracht habe. Und während ich warte, lebe ich noch – trotz meiner Krücken.
Waren Sie rückblickend immer zufrieden mit Ihrem Leben? Bardot: Immer! Ich habe in den letzten 50 Jahren einiges bewegt. Und ich bereue nichts. Ich bin stolz, Brigitte Bardot gewesen zu sein.
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