In ihrem Buch verrät die Opernball-Chefin wichtige Stilregeln. In MADONNA talkt sie mit Eva Glawischnig über Etikette in der Politik.
Manchmal wissen wir nicht, wie wir uns verhalten oder bewegen sollen“, schreibt Neo-Buchautorin Desirée Treichl-Stürgkh (44) im Vorwort ihres soeben erschienenen Werks Lebensstil, mit dem die Opernball-Chefin nun zu eben solchem verhelfen will.MADONNA druckt nicht nur die hilfreichen Tipps ab, sondern bat auch zum ungewöhnlichen Talk zwischen Grüne-Chefin Eva Glawischnig (40) und Desirée Treichl-Stürgkh. Das Thema: „Wie viel Stilschule braucht Österreichs Politik?“
Bedarf es in Österreich denn wirklich einer Stilschule?
Desirée
Treichl-Stürgkh: Na ja, das Buch ist keine richtige Stilschule,
sondern ein augenzwinkernder Guide, der vor allem aus meinen Erfahrungen der
letzten Jahre entstand.
Einerseits mit der Presse und mit dem Job beim
Opernball, andererseits aber auch mit der Finanzkrise und mit dem nicht mehr
so guten Ton, der immer öfter zwischen den Menschen herrscht.
Frau Glawischnig, in dem Buch geht es um wichtige Stilfragen – wie
würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Eva Glawischnig:
Etwas was mich persönlich sehr ausmacht, ist, dass ich immer wieder an
gewisse Grenzen gehen muss. Dass ich zwar sehr wohl weiß, wie man sich
verhalten sollte, aber mitunter auch eine Spur darüber hinaus gehe. Dadurch
polarisiere ich manchmal – Grenzüberschreitungen sind für die Gesellschaft
genauso wichtig wie Grenzen.
Frau Treichl-Stürgkh, sind solche Grenzüberschreitungen laut Ihrem Guide
denn erlaubt?
Treichl-Stürgkh: Kommt darauf an, wo. Wenn
sie notwendig sind, um etwa seiner Meinung Ausdruck zu verleihen und zur
eigenen Persönlichkeit passen, natürlich! Ich glaube, dass es bei Frau
Glawischnig ganz wichtig ist, dass sie ihren Standpunkt, dass auch Frauen in
der Politik ihre Weiblichkeit unterstreichen dürfen, intensiv zeigt.
Werden in der Politik aber nicht oft Grenzen überschritten, die
eigentlich nicht überschritten werden sollten?
Treichl-Stürgkh: Du
meine Güte (lacht), ja! Meine persönliche Meinung ist: Politik und Stil
haben leider meistens nicht sehr viel miteinander zu tun. Ich freue mich ja
so, dass mit Obama jetzt ein neuer Stil aufgekommen ist. In Österreich wird
auf politischer Ebene leider so vieles einfach hinausgeschrien, ohne auf
menschlicher Ebene auf den anderen einzugehen. Das halte ich für besonders
stillos.
Glawischnig: Obamas Stil halte ich auch für spannend.
Der macht Dinge, die würde es in Österreich nicht geben. Ein
österreichischer Politiker würde nie sagen: „Das ist das Beste, was mir
eingefallen ist, aber wenn jemand eine bessere Idee hat, ist er oder sie
herzlich eingeladen – die führen wir dann gemeinsam aus.“ In Österreich wäre
das völlig unmöglich. Hier ist vieles ritualisiert. Man findet sich immer
selbst gut und die anderen schlecht. Ich glaube, dieser Stil geht sehr
vielen Menschen auf die Nerven.
Treichl-Stürgkh: Was fehlt,
ist, dass man sich im Parlament auch einmal gegenseitig lobt und nicht nur
neidig ist. In Österreich regiert ein bisschen die Neidgesellschaft – dem
Thema Neid widme ich mich in meinem Buch deshalb auch.
Glawischnig:
Das ist das, was ich an Alexander Van der Bellen als Politiker so schätze –
dass er sein Gegenüber immer mit Respekt behandelt und bemüht ist, auch
Positives zu finden. Verletzende Dinge würde er nie in den Mund nehmen.
Politiker werden ja rhetorisch gecoacht – gibt es auch Coachings für
Stilfragen?
Gglawischnig: Nein, üblich ist nur, die Kommunikation
zu trainieren. Ich habe zum Beispiel daran gearbeitet, langsamer zu sprechen
und Punkte zu machen.
Frau Treichl-Stürgkh, sehen Sie darin ein Manko, dass Politiker kein
Stil-Coaching bekommen?
Treichl-Stürgkh: Nein, weil ein
Politiker nicht über seinen Anzug oder über seine Krawatte wirken sollte,
sondern eher über Inhalte. Obwohl: Jeans oder Turnschuhe bei einem
Staatsbankett finde ich nicht so prickelnd. Aber sonst im Parlament kann es,
denke ich, schon legerer zugehen.
Sie sind beide Mütter von Söhnen – welche Stilregeln möchten Sie ihnen
mitgeben?
Treichl-Stürgkh: Gute Erziehung ist alles. Ich habe
viel von meinen Eltern, solange sie noch lebten, und von meiner Großmutter
gelernt. Ich musste als Kind gewisse Regeln einhalten – und die versuche ich
auch meinen Kindern mitzugeben. Da bin ich schon streng. Ohne Händewaschen
zum Tisch oder ohne Zähneputzen ins Bett geht nicht.
Glawischnig:
Da krieg’ ich gleich ein schlechtes Gewissen (lacht). Aber: Grenzen zu
setzen, ist sehr wichtig. Richtig mitreden kann ich noch nicht. Beim
Dreijährigen versuchen wir es gerade. Entscheidend für die positive
Entwicklung der Gesellschaft ist, dass Kinder Mitgefühl für andere erlernen.
Treichl-Stürgkh:
Ja, deshalb habe ich meine Söhne auch in Integrationsklassen gegeben, was
anfangs von vielen kritisiert wurde.
Frau Glawischnig, Sie setzen sich vehement für die Gleichstellung von
Mann und Frau ein – Desirée Treichl-Stürgkhs Buch bedient aber in Sachen
Benimmregeln doch so manches Klischee. Stört Sie das?
Glawischnig:
Also, ganz ehrlich: Mir ist das vollkommen wurscht, wer mir die Tür aufhält,
solange Frauen gleich viel verdienen wie Männer. Man kann sich vielleicht
über solche Themen erzürnen, ich tue das nicht. Mir ist wichtiger, dass über
entscheidende Fragen diskutiert wird, wie etwa Gratiskindergärten in ganz
Österreich.
Welchen Stil-Fauxpas haben Sie sich schon einmal geleistet?
Treichl-Stürgkh:
Eine verfängliche Frage, die ich wohl jetzt lieber nicht beantworte.
Glawischnig:
Mir wurde des Öfteren mein Hochzeits-Outfit (bauchfrei, Anm.)
vorgeworfen. Ich würde ganz genauso wieder heiraten, weil ich finde, dass es
niemanden auf der Welt etwas angeht, ob man einen Streifen Haut von mir
sieht. Und ganz prinzipiell regt mich die Frage auf, was frau darf und was
nicht...