Mit Joseph Vilsmaiers "Nanga Parbat" lässt Reinhold Messner im Kino noch einmal die tragischen Ereignisse des Jahres 1970 auferstehen.
Damals kam sein Bruder Günther bei der gemeinsamen Expedition auf den 8.000er im Himalaya ums Leben.
Der Film mit Florian Stetter, Andreas Tobias und Karl Markovics, der am 15. Jänner 2010 in die österreichischen Kinos kommt, ist für ihn aber keine Aufarbeitung der Vergangenheit, wie Messner im APA-Interview betont. Er wollte einfach "mitnehmen" in die Welt der Berge, und war "Filmschüler" bei den waghalsigen Dreharbeiten in Pakistan.
Die Expedition zum Nanga Parbat und der Tod Ihres Bruders Günther wurde
in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Warum war es ihnen ein Anliegen, nun
auch einen Film darüber zu drehen?
Reinhold Messner: Ich habe
diese Geschichte schon 1970 aufgeschrieben, in der Klinik, und sie
geschrieben wie ein Drehbuch. So habe ich sie erlebt. Damals war klar, dass
das nicht drehbar ist, damals hätte ja kein Hubschrauber auf den Nanga
Parbat fliegen können. Aber ich wusste, diese Geschichte, in der es um zwei
Brüder geht, natürlich um den Tod und um das Stranden am Ende der Welt, die
ist so stark, dass sie 90 Minuten Film tragen kann. Ich habe schönere,
erfolgreichere Berggeschichten erlebt, aber die könnten das nicht. Es gibt
also kein moralisches Anliegen, ich will nicht die Vergangenheit
aufarbeiten, oder ein Gedenken an Günther, denn wir erinnern uns ja an ihn,
sondern der Film soll die Zuseher mitnehmen in diese Welt.
Die dramatischen Szenen am Berg, die Beziehung zwischen den Brüdern,
wurde da für die Zwecke des Films überzeichnet?
Messner: Der
Film ist generell unterzeichnet. Der Abstieg vom Nanga Parbat, ohne dass wir
essen, trinken oder schlafen konnten, hat 5 Tage gedauert. Man kann im Film
gar nicht wiedergeben, wie lang das ist. Auch die Kälte ist nicht zeigbar.
40 Grad Minus, wenn man sich nicht bewegt, ist tödlich. Deshalb ist es auch
nachzuvollziehen, dass die anderen von der Expedition gesagt haben, die
Messners sind sicher tot, wir fahren heim.
Trotz dieses Erlebnisses sind Sie immer wieder zum Nanga Parbat
zurückkehrt. Warum?
Messner: Weil es ein großer Berg ist. 1970
ging es gar nicht um den Nanga, sondern um die Rupalwand, das war die größte
bergsteigerische Herausforderung der 70er Jahre. 1971 bin ich hingefahren um
meinen Bruder zu suchen, in der Hoffnung, wenn das Eis weg ist, finde ich
ihn. Als ich 1973 den Alleingang versucht habe, bin ich eigentlich nur
deshalb zum Nanga, weil ich diesen Berg schon so gut geografisch kannte -
und 1978 ist mir dort der erste Alleingang auf einen 8.000er schließlich
gelungen. Nach dem Fund der Überreste bin ich dann noch einmal mit der
ganzen Familie hingegangen, das war eine Art Erinnerungsexpedition.
Wie groß war Ihr Mitspracherecht bei solchen Szenen? Haben Sie auch beim
Casting mitbestimmt?
Messner: Ich hatte nur eine Berateraufgabe.
Ich verstehe ja vom Film relativ wenig, aber ich war neugierig, wie man eine
Geschichte auf die Leinwand bringt. Ich bin dem Joseph sehr dankbar, ich war
sein Filmschüler. Auch beim Casting hab ich mit großer Freude zugeschaut,
die Leute zum Teil anders verteilt, wo sie besser passen. Vor allem aber hab
ich mich persönlich eingesetzt, dass der Karl Markovics den Herrligkoffer
(Expeditionsleiter Karl Maria Herrligkoffer Anm.) spielt. Ich glaube, er hat
auch deshalb zugestimmt, weil ich gesagt hab, ohne ihn kann man den Film
nicht machen.
Weil er Sie an ihn erinnert? Ihr Verhältnis zu Herrligkoffer ist ja bis
zu seinem Tod gespannt geblieben.
Messner: Er ist einfach der
Herrligkoffer. Er kann das. Einmal haben wir den Dreh abgebrochen, weil er
die Uhr scheinbar auf der falschen Seite hatte. Da sagte Markovics ganz
ruhig: 'Der Herrligkoffer trug seine Uhr immer rechts.' Nur er wusste das.
Man kann die Figur auch sehr gut nachvollziehen. Als ich ihn am Set zum
ersten Mal gesehen hab, dachte ich, jetzt ist er wieder da. Da hat der
Herrligkoffer eine Wiederauferstehung gekriegt, die er sich gar nicht
verdient hat. Aber ich gönn's ihm, er ist seit fast 20 Jahren tot.
Vor allem bei den Dreharbeiten am Originalschauplatz Nanga Parbat war
wohl Ihre Hilfe gefragt...
Messner: Das Drehen am Nanga Parbat war
sehr gefährlich. Die Doubles in die Wand zu stellen, aus der Kufe vom
Hubschrauber drehen, oder die Kameraleute oben aussteigen lassen - ich war
immer froh, wenn wir das hinter uns hatten. Der Hubschrauber kann über 6.000
Meter nicht mehr stehen, nur mehr fliegen und bei Wind wackelt das auch
noch. Einmal konnte er wegen dem Nebel nicht wieder hinauffliegen, und das
Kamerateam musste oben bleiben. Auch für mich war das wieder eine
Gelegenheit, an manche Passagen noch einmal nahe hinzukommen. Wir haben ja
wirklich genau dort gedreht, wo das damals alles passiert ist. Da gibt es
fünf, sechs Passagen, da wird wahrscheinlich nie wieder jemand drehen. Das
ist zu riskant.
Ist der Nanga Parbat also der eigentliche Hauptdarsteller?
Messner: Genau.
Ohne den Nanga selbst zu nehmen, hätte der Film nicht funktioniert. Man
sieht, das ist tatsächlich dieser Berg und da oben ziehen die Wolken. Wir
waren dreimal dort und Pakistan stand ja kurz vor dem Bürgerkrieg. Wir haben
gesagt, wenn uns beim ersten Mal die wesentlichen Aufnahmen gelingen, dann
machen wir den Film.
(Das Gespräch führte Maria Handler/APA)