Die Unterwäsche will in Paris nach oben

05.10.2009

Buchstäblich drunter und drüber geht es zur Zeit bei den Pariser Pret-a-Porter-Schauen der Damenmode. Lingerie-Look ist einer der wichtigsten Trends der Saison Frühjahr/Sommer 2010, und so laufen zahlreiche BHs, Bustiers oder Slips als tagestaugliches Outfit über den Laufsteg.

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Mit platter Pornografie hat das aber wenig zu tun: So werden Balconnet-BHs züchtig zur Kostümjacke kombiniert. Oft ist der Wäsche-Look auch nur angedeutet als Satinhemdchen, Chiffonröckchen oder Corsage zu sehen - eher Doris Day im Neglige als Madonna im Ledertanga. Madonnas früherer Look blitzte aber dennoch hervor, in der Schau von Jean Paul Gaultier. Gaultier startete mit Worker-Outfits in Form von Jeans-Latzhosen und Overalls, teils in zerschlissener Optik, locker geschnitten, aber mit geformtem Oberteil, und kam dabei schnell zur Sache.

Die legendären "Raketen"-BHs und -Corsagen mit extrem spitzen Körbchen, die Gaultier für Madonnas "Blonde Ambition Tour" 1990 entworfen hatte und die damals den Unterwäsche-Look in der Mode salonfähig machten, hatten offenkundig bei der Kollektion Pate gestanden. In Jeans oder im Military-Look, in rosefarbenem Satin, mit Lackpailletten oder schwarzem Leder unterm Hosenanzug machten sie Gaultiers diesmaliges Schauenmotto "G-Punkt" plausibel.

Die sauber geschnittenen Trenchcoats und zarten Chiffonkleider in leuchtendem Orange gingen daneben fast unter. Gaultiers Promi-Gästen wie der immer damenhafter wirkenden Catherine Deneuve und der nach dem Tod ihres Bruders zurückhaltend wirkenden Janet Jackson wird es dennoch gelingen, diskrete Modelle für ihre Auftritte herauszupicken.

Karl Lagerfeld ließ sich vom Trend zum Dessous nicht beirren und bewies Form bei der Schau seiner eigenen Linie Sonntag früh. Die Models zeigten viel Bein, wirkten dabei aber perfekt gekleidet. Skulptural geschnittene Jacken und kurze Hosen in dunkelblauer Wolle, Kleider mit schenkelkurzen, eiförmigen Röcken kamen neben adretten Hemdblusenkleidern in Lachs oder korallenfarbenen Entwürfen aus softem Leder. Shorts waren fast überall dabei, ob als Kleidunterteil oder als eigenständiges Stück, etwa aus silberfarbenem Satin in leicht gerundeter Form mit scharf gebügelten Falten zur ausladenden Rüschenbluse.

Akris-Designer Albert Kriemler zeigte eine fließende, federleichte Kollektion mit schmal geschnittenes, kurzen Westenkleidern, soften Jerseyentwürfen und vielen sehr elegant aufgemachten sportlichen Elementen, zarten Ballonjacken etwa und superfeinen Motorrad-Jacken aus Wolle. Sexyness brachten tiefe V-Ausschnitte, hervorblitzende BHs, Tülleinsätze und der gezielte Gebrauch von perforiertem Leder. Die Farben: Creme, rauchgrau, rost, wasserblau, nougat und schwarz. Erstmalig gab es auch Taschen zu sehen, Akris hat vor einem knappen Jahr die deutsche Manufaktur Comtesse gekauft und zeigte superschicke Roßhaartaschen.

Die Holländer Viktor & Rolf trumpften am Ende ihres Defilees am Vortag mit rauschenden Ballkleidern auf. Doch arbeiteten sie kunstvoll große Löcher oder horizontale Schlitze in mehrlagige Tüllröcke mit Corsagenoberteilen in Lachs, Helltürkis oder Vanillegelb, derart akkurat, dass man fast an eine optische Täuschung glaubte. Auch die weniger aufwendigen Modelle am Anfang waren ganz und gar dem Thema Anlassmode gewidmet: Smoking-Jacken wurden dabei mit kunstvoll geschnittenen zarten Plisses in Pastellfarben gemixt, letztere schwangen sich beispielsweise wie ein Vogelflügel hoch zum Oberkörper. Und dazwischen gab es - dreimal darf man raten - wäschigen Schlafzimmerlook in Form von soften Satinhemdchen, Pyjamas und Seidenhöschen.

Unterdessen gab Pop- und Filmstar Lindsay Lohan ihr Debüt als Designerin des französischen Modehauses Ungaro. Lohan, die sonst eher durch Schlagzeilen über ihr turbulentes Privatleben auffällt, blieben nach ihrer Berufung zum kreativen Kopf der Traditionsmarke nur wenige Wochen, um eine Kollektion zusammen mit der Profi-Designerin Estrella Archs zusammenzustellen.

Ein sexy Look in heiteren Farben - Knallpink, Creme, leuchtende Blau- und Grüntöne - kam heraus. Enge schulterfreie Bandeaukleider, kurze Wickelröcke und lockere Seidenkleider offenbarten viel Haut. Glamour brachten schneeweiße Pelzstolen und mit Pailletten bestickte Glitzerjacken. Lohan selbst schritt Arm in Arm mit Archs nach der Schau im cremefarbenen Minikleid und mit offenen blonden Locken über den Laufsteg.

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