Frau Päsler, der erste Satz Ihres Buchs lautet: „Die Emanzipation ist gescheitert.“ Wieso? Elke Päsler: Weil das genauso ist! Ich bin sehr enttäuscht – von der Gesellschaft und der sogenannten Emanzipation, die Frauen, die Kinder bekommen, in den Ruin treibt. Wir kümmern uns nicht mehr um unsere Kinder, weil wir denken, nicht vollkommen zu sein, wenn wir nicht arbeiten gehen. Frauen wollen bessere Männer sein, weshalb wir uns auch nicht mehr auf unsere Männer verlassen können. Und plötzlich stehen wir da, haben keinen Mann mehr, zu wenig Geld, um das bisherige Leben finanzieren zu können, und keine Zeit mehr für unsere Kinder. Warum denken Sie, musste ich das tun, was ich tat? Weil ich auf 300.000 Euro Schulden sitzen geblieben bin und einfach nicht mehr weiterwusste!
Herr Dompfarrer, wie stehen Sie zur – gerade am kommenden Weltfrauentag wieder viel diskutierten – Emanzipation? Toni Faber: Die Emanzipation ist zweifelsohne an einem Wendepunkt. Viele Frauen, die sich einst für ein toughes, kinderloses Leben entschieden haben, merken plötzlich, dass sie nicht glücklich darüber sind, auf Kinder verzichtet zu haben, um erfolgreiche Managerinnen sein zu können. Das hat keinesfalls etwas damit zu tun, Frauen an Küche und Herd zu binden – die Kirche täte nicht gut daran, in so eine Kerbe zu schlagen! Und sie tut das auch nicht, sondern ist, denke ich, schon sehr nahe dran am Leben der Frauen. Woran gearbeitet werden muss, ist die Freiheit der Frauen, selbst über ihr Lebensmodell zu entscheiden.
Frau Päsler, Sie sahen sich aufgrund Ihrer Notsituation gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten, worüber Sie sehr detailliert in „Sally“ schreiben. Päsler: Ich wollte mit diesem Tabuthema brechen, denn es gibt viele Frauen, die keine andere Möglichkeit haben. Wer gibt denn einer Frau über 40 mit zwei Kindern einen Job? Und wenn, dann wäre mir das Gehalt weggepfändet worden.
Herr Dompfarrer, Sie haben das Buch gelesen – haben Sie die Kapitel, in denen es „zur Sache“ geht, überblättert? Faber: Also, eines gleich vorweg: Es liegt mir fern, die Lebensgeschichte, die mich sehr betroffen macht, in irgendeiner Weise zu verurteilen. Ich bin da sehr jesuanisch unterwegs. Jesus war für alle da, vor allem für jene, denen Leid geschah. Die Art und Weise, in der Frau Päsler ihre Lebensgeschichte beschreibt, darf und will ich nicht infrage stellen. Mich würde nur interessieren, wie Ihr beiden Kinder darauf reagiert haben? Päsler: Sehr gefasst. Als ichmeiner Tochter erzählte, wie ich leider mein Geld verdienen muss, hat sie gesagt: „Wieso regst du dich auf Mama? Es geht doch nur um Sex.“ Und ganz ehrlich – was ist schlimmer: wenn ein Kind über Sex liest oder wenn es im Fernsehen sieht, wie sich Menschen gegenseitig abschlachten?
Sie haben viel Schlimmes erlebt – glauben Sie an Gott? Päsler: Oh ja! Der Glaube hat immer schon eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Ich war als junge Frau sehr krank, hatte einen Tumor im Kopf – Gott und die Kirche haben mir sehr viel Kraft gegeben. Ich habe immer gebetet – doch als ich dann als Prostituierte arbeitete, habe ich mich ehrlich gesagt geschämt. Und leider musste ich aus der Kirche austreten, weil ich die Kirchensteuer nicht mehr zahlen konnte und man mir sagte, dass ich dann austreten müsse. Faber: So etwas darf natürlich nicht passieren! So eine Vorgehensweise hat im Normalfall eine Kündigung zur Folge. Päsler: Wie auch immer, bis zu dem Zeitpunkt, als ich meinen zukünftigen zweiten Mann kennenlernte, konnte ich meinen Gott ohnehin nicht ansehen und sagen: Ich bin jetzt eine Nutte geworden.
Waren Sie beichten? Päsler: Nein, ich glaube, ich habe all meine Sünden schon mehrfach abgebüßt (lacht). Faber: Das Wichtigste bei der Beichte ist die Reue als Liebesakt. Wer also so eine Haltung wie Frau Päsler hat und in vollem Bewusstsein seiner Sünden und in Reue lebt, ist schon vor Gott von seiner Schuld befreit worden.
Herr Dompfarrer, Sie haben sich in der letzten Woche auch klar für die Prostituierte Ruby als Opernball-Gast ausgesprochen. Wieso? Faber: Weil ich es für scheinheilig halte, sich darüber zu mokieren, dass so jemand eine öffentliche Veranstaltung besucht. Wurde jemals nach der Vergangenheit, den Sünden oder Vergehen des einen oder anderen Prominenten, der den Ball besuchte, gefragt? Päsler: Ich möchte nicht wissen, wie viele scheinbar ehrenwerte Damen dort sich ihre Position und ihren Reichtum erschlafen haben! Faber: Diese Dame wurde noch dazu von Berlusconi missbraucht – und jetzt zeigt man mit dem Finger auf sie?! Ich glaube, es wäre für niemanden von Vorteil, würde man alle Gäste dieses Staatsballs einem Screening oder Lügendetektortest unterziehen. Deshalb kann ich nur sagen: Wer frei von Sünde ist, der werfe den ersten Stein.
Wie gefestigt und selbstbewusst muss man sein, um seine Meinung so vehement zu vertreten, wie Sie das stets tun? Faber: (lächelt) Man benötigt eine gewisse Grundüberzeugung, dass man auch als Pfarrer zu gewissen Dingen Stellung beziehen darf, vielleicht auch ein wenig Mut. Natürlich erfährt man dadurch auch Neid und Prügel, das muss man dann auch einstecken können. Und ich verstehe es auch, wenn mir Freunde oder der Kardinal manchmal sagen: Das war zu viel des Guten. Aber viele sehen auch nur, wenn ich in der Öffentlichkeit stehe und nicht, dass ich die meiste Zeit meiner normalen Arbeit nachgehe.
Frau Päsler, Sex war lange Zeit Ihr Geschäft – wie denken Sie über den Zölibat? Päsler: ... |