Wie ist die Idee zu der Reise in die West-Sahara entstanden? Pluhar: Die Oma hat mich gefragt, ob ich gerne einmal dorthin fahren würde, woher meine biologischen Eltern stammten. Natürlich wollte ich! Obwohl ich davor nie von dem Gefühl geplagt wurde, zu meinen Wurzeln reisen zu müssen.
Sie hatten also gar nicht das Bedürfnis, Ihre Wurzeln zu ergründen? Pluhar: Überhaupt nicht, ich habe ja davon gewusst.
Wann hat Ihre Mutter mit Ihnen darüber gesprochen? Pluhar: Da gab es keinen speziellen Moment, zumindest kann ich mich nicht mehr daran erinnern. Ich bin irgendwie damit aufgewachsen. Ich habe mich wohl umgesehen und bemerkt, dass die Leute um mich herum alle weiß sind und ich nicht. Wahrscheinlich habe ich dann nachgefragt, warum denn die Eltern der anderen Kinder diesen ähnlich sehen, aber meine Mom weiß ist. Oft haben mir die Eltern meiner Schulfreunde Fragen gestellt, und ich habe dann immer geantwortet, dass ich aus Süditalien kommen würde. Da hat niemand nachgehakt. Hätte ich allerdings Afrika gesagt, wäre sofort die Frage nach meinem Vater aufgetaucht. Ich bin ja ohne Vater aufgewachsen. Aber für mich war einfach klar, dass ich hierher gehöre.
Als Sie 15 Jahre alt waren, starb Ihre Mutter. Wussten Sie damals bereits alles über Ihre Herkunft? Pluhar: Gegen Ende der Volksschule war mir schon alles klar. Ich wusste damals schon, dass sie meine leibliche Mutter gekannt hat und sogar bei meiner Geburt dabei war. Sie hat mir erzählt, dass sie sofort den Namen Ignaz über meinem Kopf hat schweben sehen (lacht). Als ich etwa neun Jahre alt war, war Adoption noch ein Tabuthema. Schließlich war ich damals einer der wenigen Schwarzen im 19. Bezirk. Mittlerweile sind es mehr, das ist für mich schön zu sehen.
Sind Ihnen die Menschen feindlich gegenübergetreten? Pluhar: Zumindest die Erwachsenen nicht. Kinder sind oft grausam und beinhart.
Wie ist der Film aufgebaut? Pluhar: Wir hatten kein Drehbuch, weil wir ja nicht wussten, was uns dort erwartet. Von dem Land hatte ich ja vorher nicht einmal Fotos gesehen. Es wurde also ein dokumentarischer Film – in dem auch noch eine kleine Romanze zwischen mir und einem Mädchen vorkommt, die zufällig entstand.
Haben Sie Verwandte in Afrika getroffen? Pluhar: Nein. Wie auch? Das Land ist gespalten. 200.000 Menschen leben allein in den vier Zeltstädten, von denen wir zwei besuchten. Sich dort zu bewegen, ist sehr schwierig, weil es besetzte und autonome Gebiete gibt. Nur in den autonomen Gebieten durften wir uns aufhalten und drehen. Man kann nicht einfach mal so vom Norden in den Süden fahren.
Hat die Reise Sie verändert? Pluhar: Meine Oma ist seit 20 Jahren Mitglied der österreichisch-saharauischen Gesellschaft, wo ich jetzt auch Mitglied werde. Die Situation des dauerhaften Westsahara-Konfliktes ist seit 40 Jahren festgefahren und ich werde das jetzt nicht von heute auf morgen verändern können. Ich möchte mich aber damit beschäftigen und informiert sein.
Gibt es einen Iggy vor der Reise und einen Iggy nach der Reise? Pluhar: Ich bin kein anderer Mensch geworden, dafür sind 26 Jahre eine zu lange Zeit, um einen zu prägen. Im Hinterkopf bin ich aber immer wieder dort unten und sehe diese Bilder vor mir. Außerdem rede ich fast täglich mit meiner Oma darüber, und jedes Mal, wenn ich in den Spiegel blicke, sehe ich, wo ich herkomme.
Für Ihre Mutter wäre die Reise sicher auch spannend gewesen. Pluhar: Auf jeden Fall. Meine Mutter hat sogar Arabisch gelernt und wollte unbedingt einmal mit mir in die West-Sahara fahren. Als meine Oma und ich dort waren, haben sehr viele Leute sehr gut über meine Mom gesprochen. Sie war ja öfters dort und hat viele Leute gekannt. Ich habe mich auch vorgestellt als „der Sohn von Anna“ und alle haben applaudiert. Das war ein tolles Gefühl.
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