Gewalt-Akte
Frauenmorde: Was macht die Politik?
25.01.2019Land der Berge, Land am Strome, Land der Frauenmorde? Laut einer „Mord-Bilanz“ der Eurostat liegt Österreich beim Frauenanteil getöteter Menschen ganz weit vorne. Woran liegt das und was unternimmt die Politik?
Anfang der Woche wurde eine 32-jährige Frau auf dem Parkplatz eines Supermarktes erstochen. Sie ist die bereits siebte Frau seit Weihnachten und die fünfte seit Jahresanfang in Österreich, die gewaltsam ihr Leben lassen musste. Die zweifache Mutter (die Kinder des Paares sind sechs und zehn Jahre alt) erlag mehreren Dolchstichen in den Halsbereich, sie starb noch an Ort und Stelle. Der Täter war ihr Ehemann.
Der bekannte Täter
Damit ist die Mazedonierin, die, wie im Laufe der Tatermittlungen herauskam, während der Beziehung immer wieder ins Frauenhaus geflüchtet war, keinesfalls ein Einzelfall. Allein im Vorjahr waren es 41 Frauen, die durch von Männern verübte Gewalttaten starben. Erschreckend: Die meisten von ihnen wohnten mit dem Täter im gleichen Haus. Während die Kriminalstatistik 2018 von höherer nationaler Sicherheit spricht, gilt diese scheinbar nicht für alle. Denn: Während die Zahl der Einbrüche und Diebstähle zurückging, nahm die Gewalt gegen Frauen zu. Seit Wochen wird im Land über die anhaltenden Meldungen von Frauenmorden in Österreich diskutiert. Frauenschutzorganisationen hatten auf den „dringenden Handlungsbedarf“ seit Längerem hingewiesen und mehr Handeln von der Politik gefordert – stattdessen passierte das Gegenteil. Im Frauenministerium wurde gekürzt, gemeinnützigen feministischen Organisationen wurden die Förderungen genommen, während in Frauenhäusern marginal an Plätzen aufgestockt wurde – lange nicht genug, als man gebraucht hätte. Immer wieder betonte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) den hohen Stellenwert, den Frauenschutz in ihrem Ministerium einnehme, doch tatsächliche Maßnahmen wurden nicht umgesetzt. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) setzte die Schuldfrage mit Migrationsproblematik gleich und schaffte unter anderem die „MARAC-Fallkonferenzen“, die eine bessere Vernetzung zwischen Polizei und anderen Stellen zum Gewaltschutz ermöglichen, im Vorjahr – unter heftigem Protest vieler Expertinnen – ab. Nach den Entwicklungen der letzten Wochen kündigte Kickl nun die Einführung einer „Screening-Gruppe“, einer Taskforce aus ExpertInnen an, um den Frauenmorden auf den Grund zu gehen. „Hätte Kickl MARAC nicht eingespart, müsste er jetzt nicht eine neue Kommission einrichten“, kritisierte die SPÖ aus der Opposition prompt. Karoline Edtstadler, Staatssekretärin im Innenministerium, folgte Kickl in seinem Verständnis für den Ursprung dieser Gewaltform und erklärte vergangene Woche in der ORF-Sendung „Im Zentrum“, dass der Grund für die Morde an Frauen nicht etwa patriarchale Einstellungen oder Versäumnisse im Gewaltschutz sei, sondern importiertes Gedankengut, das Täter in Österreich zur Nachahmung animiere. Eine Aussage, die Moderatorin Claudia Reiterer mit der Verständnisfrage erwiderte: „Meinen Sie das ernst, dass ein Österreicher eine Frau ermordet, weil Flüchtlinge hier sind?“
Damit ist die Mazedonierin, die, wie im Laufe der Tatermittlungen herauskam, während der Beziehung immer wieder ins Frauenhaus geflüchtet war, keinesfalls ein Einzelfall. Allein im Vorjahr waren es 41 Frauen, die durch von Männern verübte Gewalttaten starben. Erschreckend: Die meisten von ihnen wohnten mit dem Täter im gleichen Haus. Während die Kriminalstatistik 2018 von höherer nationaler Sicherheit spricht, gilt diese scheinbar nicht für alle. Denn: Während die Zahl der Einbrüche und Diebstähle zurückging, nahm die Gewalt gegen Frauen zu. Seit Wochen wird im Land über die anhaltenden Meldungen von Frauenmorden in Österreich diskutiert. Frauenschutzorganisationen hatten auf den „dringenden Handlungsbedarf“ seit Längerem hingewiesen und mehr Handeln von der Politik gefordert – stattdessen passierte das Gegenteil. Im Frauenministerium wurde gekürzt, gemeinnützigen feministischen Organisationen wurden die Förderungen genommen, während in Frauenhäusern marginal an Plätzen aufgestockt wurde – lange nicht genug, als man gebraucht hätte. Immer wieder betonte Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) den hohen Stellenwert, den Frauenschutz in ihrem Ministerium einnehme, doch tatsächliche Maßnahmen wurden nicht umgesetzt. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) setzte die Schuldfrage mit Migrationsproblematik gleich und schaffte unter anderem die „MARAC-Fallkonferenzen“, die eine bessere Vernetzung zwischen Polizei und anderen Stellen zum Gewaltschutz ermöglichen, im Vorjahr – unter heftigem Protest vieler Expertinnen – ab. Nach den Entwicklungen der letzten Wochen kündigte Kickl nun die Einführung einer „Screening-Gruppe“, einer Taskforce aus ExpertInnen an, um den Frauenmorden auf den Grund zu gehen. „Hätte Kickl MARAC nicht eingespart, müsste er jetzt nicht eine neue Kommission einrichten“, kritisierte die SPÖ aus der Opposition prompt. Karoline Edtstadler, Staatssekretärin im Innenministerium, folgte Kickl in seinem Verständnis für den Ursprung dieser Gewaltform und erklärte vergangene Woche in der ORF-Sendung „Im Zentrum“, dass der Grund für die Morde an Frauen nicht etwa patriarchale Einstellungen oder Versäumnisse im Gewaltschutz sei, sondern importiertes Gedankengut, das Täter in Österreich zur Nachahmung animiere. Eine Aussage, die Moderatorin Claudia Reiterer mit der Verständnisfrage erwiderte: „Meinen Sie das ernst, dass ein Österreicher eine Frau ermordet, weil Flüchtlinge hier sind?“
Gewalt ist kein „Ausländerproblem“
Entgegen solcher regierungslinientreuer Statements stehen Zahlen der Wiener Interventionsstelle, laut denen ein Großteil der Opfer, die beraten wurden, Österreicher sind (über 50 Prozent der Klienten). Dies zeigt, dass Gewalt kein kulturelles Phänomen, sondern ein gesamtgesellschaftliches, weltweites Problem ist. Experten betonen immer wieder, dass sich Gewalt durch alle Milieus und soziale Schichten ziehe und dass sie fast immer innerhalb des eigenen sozialen Umfelds vorkomme. Es handle sich um „ein globales Problem“, heißt es etwa im Tätigkeitsbericht von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, „das in allen Ländern, Kulturen und Religionen existiert“. Doch in Österreich erhalten nicht alle Hilfesuchenden die gleichen Angebote. Ob Frauenhäuser Asylwerberinnen aufnehmen, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland, da die Finanzierungsstruktur verschieden ist. Die Frauenhäuser unterliegen dem Sozialhilfegesetz, Asylwerberinnen würden aus der Grundversorgung fallen, wenn sie sich in einem Frauenhaus aufhalten. Daher müssen für sie rasch andere Unterkünfte gefunden werden, die ihnen auch erhöhten Schutz bieten – wenngleich nicht in dem Ausmaß wie ein Frauenhaus.
Begrifflichkeiten
Dennoch sei es schwierig, konkrete Aussagen zu Frauenmorden zu treffen. So gehe aus der Anzeigenstatistik der Polizei zwar die Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter hervor, die Kategorien seien aber schlecht gewählt, wie vom Europarat kritisiert wird: Die Polizei spricht ganz allgemein von „familiärer Beziehung“. Ob der Bruder, der Vater oder der Partner den Übergriff begeht, werde dadurch verschleiert, bemängeln die Experten von Grevio, der Europaratsgruppe gegen häusliche Gewalt. Fakt ist: Es kann jede Frau treffen. Auch wenn Frauen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter – meistens der Partner – stehen, gefährdeter sind als andere. Im Rahmen der Debatte werden auch Begrifflichkeiten hinterfragt. Oft genug ist in Medien von „Beziehungs- oder Familiendramen“ die Rede, Bezeichnungen, die den Akt der Gewalt, der spezifisch Frauen betrifft, verharmlosen, wie frauenfördernde Vereine und Expertinnen kritisieren. Auch Psychotherapeut Romeo Bissuti, Gründer des österreichischen Ablegers der internationalen „White Ribbon“-Kampagne, sieht das so (siehe Interview auf Seite 19), als wir nachfragen, warum man das Problem nicht einfach mit „Männergewalt“ betiteln könnte: „Das Benennen von Gewaltformen ist immer eine Herausforderung, das beginnt schon beim Wahrnehmen und Formulieren bei den Betroffenen selbst, die ihr ungutes Gefühl zu Beginn oft nicht richtig deuten oder wahrnehmen.“ So bräuchte man in Debatten über Gewalt einerseits Begriffe, die „breit genug“ seien, damit sie „die unterschiedlichen Formen und Ebenen von Gewalt in Partnerschaften enthalten“, und „gleichzeitig engere Begrifflichkeiten“, damit spezifische Gewaltformen benannt werden könnten. Bissuti führt aus: „Von daher ist eine Mehrzahl an Begriffen nicht überraschend und muss nicht unbedingt als Hürde gesehen werden. Da kann ruhig mehreres nebeneinander stehen, weil damit auch unterschiedliche Personen angesprochen werden können bzw. sich gemeint fühlen können.“
Dennoch sei es schwierig, konkrete Aussagen zu Frauenmorden zu treffen. So gehe aus der Anzeigenstatistik der Polizei zwar die Art der Beziehung zwischen Opfer und Täter hervor, die Kategorien seien aber schlecht gewählt, wie vom Europarat kritisiert wird: Die Polizei spricht ganz allgemein von „familiärer Beziehung“. Ob der Bruder, der Vater oder der Partner den Übergriff begeht, werde dadurch verschleiert, bemängeln die Experten von Grevio, der Europaratsgruppe gegen häusliche Gewalt. Fakt ist: Es kann jede Frau treffen. Auch wenn Frauen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Täter – meistens der Partner – stehen, gefährdeter sind als andere. Im Rahmen der Debatte werden auch Begrifflichkeiten hinterfragt. Oft genug ist in Medien von „Beziehungs- oder Familiendramen“ die Rede, Bezeichnungen, die den Akt der Gewalt, der spezifisch Frauen betrifft, verharmlosen, wie frauenfördernde Vereine und Expertinnen kritisieren. Auch Psychotherapeut Romeo Bissuti, Gründer des österreichischen Ablegers der internationalen „White Ribbon“-Kampagne, sieht das so (siehe Interview auf Seite 19), als wir nachfragen, warum man das Problem nicht einfach mit „Männergewalt“ betiteln könnte: „Das Benennen von Gewaltformen ist immer eine Herausforderung, das beginnt schon beim Wahrnehmen und Formulieren bei den Betroffenen selbst, die ihr ungutes Gefühl zu Beginn oft nicht richtig deuten oder wahrnehmen.“ So bräuchte man in Debatten über Gewalt einerseits Begriffe, die „breit genug“ seien, damit sie „die unterschiedlichen Formen und Ebenen von Gewalt in Partnerschaften enthalten“, und „gleichzeitig engere Begrifflichkeiten“, damit spezifische Gewaltformen benannt werden könnten. Bissuti führt aus: „Von daher ist eine Mehrzahl an Begriffen nicht überraschend und muss nicht unbedingt als Hürde gesehen werden. Da kann ruhig mehreres nebeneinander stehen, weil damit auch unterschiedliche Personen angesprochen werden können bzw. sich gemeint fühlen können.“
Nein zu Gewalt
Mit Begrifflichkeiten können sich die ermordeten Frauen nicht mehr auseinandersetzen. Ihr Erbe ist eine bestürzende Statistik, die viel politische und gesellschaftliche Arbeit in vielerlei Bereichen verlangt. Mit den steigenden Morden ist auch das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen angewachsen. So sei ein weiteres Ergebnis der Kriminalstatistik 2018, dass Frauen heute eher bereit wären, männliche Gewalt als Delikt zu sehen und sich an die Polizei zu wenden. „Auch in solchen Kreisen, die normalerweise eher weniger Vertrauen zur Polizei haben, sprich Ausländer zum Beispiel“, wie der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl in einer Pressekonferenz erklärte. Dies sei laut ihm, ein „paradoxer Erfolg“.
Mit Begrifflichkeiten können sich die ermordeten Frauen nicht mehr auseinandersetzen. Ihr Erbe ist eine bestürzende Statistik, die viel politische und gesellschaftliche Arbeit in vielerlei Bereichen verlangt. Mit den steigenden Morden ist auch das Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen angewachsen. So sei ein weiteres Ergebnis der Kriminalstatistik 2018, dass Frauen heute eher bereit wären, männliche Gewalt als Delikt zu sehen und sich an die Polizei zu wenden. „Auch in solchen Kreisen, die normalerweise eher weniger Vertrauen zur Polizei haben, sprich Ausländer zum Beispiel“, wie der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl in einer Pressekonferenz erklärte. Dies sei laut ihm, ein „paradoxer Erfolg“.
Nach der schockierenden Serie an Frauenmorden in diesem jungen Jahr präsentierte die Regierung jetzt ein Maßnahmenpaket. Für die Oppositionspolitikerinnen zu wenig.
Nach dem vierten Mord in nur acht Tagen wollte die Regierung nicht länger zuwarten. Vergangene Woche präsentierten Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (VP), Integrationsministerin Karin Kneissl (FP) und VP-Staatssekretärin Karoline Edtstadler ein rasch zusammengestelltes Maßnahmenpaket, um Frauen in Österreich künftig besser vor Gewalt zu schützen. Das steht im türkis-blauen Plan:
Neuer Notruf: Eine neue dreistellige Telefonnummer für Frauen zur Akuthilfe, „die sich jeder merken kann“, werde es in den nächsten Wochen geben, kündigte Bogner-Strauß an. Der 24-Stunden-Notruf werde derzeit eingerichtet. Frauenhäuser und Beratungsstellen: Laut Bogner-Strauß mangle es „nicht so sehr an Plätzen in Frauenhäusern, sondern eher an Übergangswohnungen für von Gewalt bedrohte Frauen. Insbesondere in den Bundesländern, hier wolle man mehr Wohnmöglichkeiten schaffen. Die Ministerin will bald in Gespräche mit den Ländern treten. In Tirol etwa stünden derzeit gar keine Wohnungen zur Verfügung. Es fehle außerdem an länderübergreifenden Frauenhäusern – im eigenen Bundesland seien die Betroffenen „oft nicht weit genug vom Täter aufgehoben“. Weiters soll es flächendeckende Beratungsstellen für Frauen und Mädchen, die von Gewalt bedroht sind, in allen Bundesländern geben. Bannmeile: Edtstadler kündigt Vereinfachung des Betretungsverbotes an: „Künftig wird es eine 50-Meter-Bannmeile um eine gefährdete Person geben.“
Koordination: Die Dokumentation von Gewalttaten soll verbessert werden, um eine bessere Beweislage zu ermöglichen. Informationsaustausch sei hier besonders wichtig: Daten zu Gewalttätern sollen von der Polizei weitergegeben werden dürfen, um sich ein komplettes Bild vom Täter machen zu können. Dies soll auch auf rechtliche Grundlagen gestellt werden, denn „Datenschutz darf nicht Täterschutz werden“, so Edtstadler. Die von der Regierung erst im Sommer abgeschafften Fallkonferenzen zu Hochrisikotätern werden wieder eingeführt.
Täterarbeit: Im Fokus solle zudem die Täterarbeit stehen. Diese müsse möglichst früh einsetzen, und zwar kurz nach der Wegweisung. Zwei bis drei Tage nach der Tat seien Täter erwiesenermaßen eher zu einer Zusammenarbeit bereit.
Höhere Strafen: Bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung soll es künftig keine gänzlich bedingten Freiheitsstrafen geben. Geplant sind auch Mindeststrafen bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualdelikten sowie strengere Höchststrafen für Wiederholungstäter.
Budget: Von Kürzungen im Budget für Gewaltprävention und Opferschutz ist man in der Regierung abgekommen. Die Gelder sollen im Gegenteil um bis zu zehn Prozent aufgestockt werden. Prävention: In den Schulen soll im Rahmen des Ethikunterrichts, der im Schuljahr 2020/21 starten soll, das Fach „Gewaltfreie Beziehung“ eingebaut werden.
Kritik. Für die SPÖ ist das zu wenig – und vor allem zu spät: „Ich bedauere es sehr, dass die Regierung erst nach heuer vier Morden an Frauen wach geworden ist, um im Bereich des Gewaltschutzes tätig zu werden“, ließ Ex-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP) wissen. Aus ihrer Sicht brauche es in diesem Bereich mehr Budget: Konkret zwei Mio. Euro für Frauenberatungseinrichtungen und eine Million für Täterarbeit.
Im Kontrast dazu steht die Arbeit der Regierung
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Romeo Bissutti, GF der „White Ribbon“-Kampagne
Seit 2001 engagiert sich die „White Ribbon“-Kampagne gegen Gewalt an Frauen und für positive und gewaltfreie Männerbilder in der Öffentlichkeit. Wir trafen Gründer & Psychotherapeut Romeo Bissuti zum Talk rund um die aktuellen Ereignisse.
Generell gefragt – was läuft in unserer Gesellschaft falsch, wenn bereits fünf Frauen 2019 gewaltsam sterben mussten?
Romeo Bissuti: Diese Morde an Frauen sind der Extremfall jener gesellschaftlichen Haltungen und Einstellungen, die die Selbstbestimmung von Frauen einschränken oder bekämpfen. Das Recht, welches sich die Täter selbst ohne nachzudenken zugestehen würden – etwa einen eigenen Weg zu gehen, sich aus einer Beziehung zu trennen, wenn es sich nicht mehr richtig anfühlt –, wird hier mit Gewalt bekämpft. Hintergrund sind Bilder von Männlichkeit, die mit Härte, Dominanz und Gewaltbereitschaft verbunden sind und andererseits ein Machtgefälle zwischen Männern und Frauen.
Warum hört man eher nur weibliche Politikerinnen & Expertinnen zu dem Thema?
Bissuti: Gewalt gegen Frauen wird oft hauptsächlich als Frauenthema gesehen, weil Frauen ja in dramatischer Weise die Betroffenen sind und wir ohne die Frauenbewegung auch nicht diese öffentliche Aufmerksamkeit hätten. Die Männerarbeit in Österreich hat ebenfalls seit über 30 Jahren einen Schwerpunkt in der Arbeit mit gewalttätigen Männern und steht in engem Austausch zu Frauenberatungsstellen. Täterarbeit bedeutet aktiven Opferschutz, um eine weitere Gefährdungslage an der Wurzel zu packen. Medial wird oft die Seite der Frauen als Thema einer Reportage genommen, um Betroffenheit zu erzeugen. Das Thema Täterarbeit steht demgegenüber meist in der zweiten oder dritten Reihe. Es gibt mit der „White Ribbon“-Kampagne oder HeForShe Österreich aber auch Öffentlichkeitsarbeit, die versucht, gezielt Männer zu erreichen und unter dem Einsatz von männlichen Experten dafür zu gewinnen, Teil der Lösung des Problems von Gewalt an Frauen zu werden.
Wie beurteilen Sie die vorgestellten Maßnahmen der Politik?
Bissuti: Ein wichtiger Fokus, der nun auch voraussichtlich umgesetzt wird, ist die Förderung von Täterarbeit und Prävention durch Arbeit mit Burschen. Das ist auf jeden Fall ein wirksamer Schritt, um frühzeitig Männerbilder und aktuelle Gewaltbereitschaft gezielt zu verändern. Einstellungen, die, wie dargestellt, das Selbstbestimmungsrecht von Frauen einschränken, finden wir in sehr unterschiedlichen Formen, da kann man nicht nur auf eine Zielgruppe schauen. Betrachtet man etwa die jüngsten Debatten um sexuelle Übergriffe, befragt Kellnerinnen, die am Oktoberfest arbeiten über ihre Erfahrungen im Bierzelt oder verfolgt intensiv genutzte Internetforen wie etwa der Incels oder der Pickup Artists, dann erkennt man, dass es auch viele westliche Männer gibt, die hier kein Problembewusstsein haben. Das darf andererseits aber auch nicht dafür herangezogen werden, bei Männern, die klassisch patriarchale Geschlechterbilder im Kopf haben oder aus Ländern kommen, in denen Gewalt offen oder verdeckt legitimiert ist, wegzusehen und das Thema zu bagatellisieren. Wir arbeiten in den Männerberatungsstellen auch mit diesen Zielgruppen und sind auch im Zuge der Flüchtlingsbewegung aktiv auf Männer zugegangen und haben auch zum Thema Gewalt Präventionsarbeit geleistet. Je mehr wir aber bei diesem Thema eine gesellschaftliche Spaltung vorantreiben, desto schwieriger wird es, dazu erfolgreich und konstruktiv zu arbeiten.
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